Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15438 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) gebiets Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt Ich fürchte, ebenso wird die Bundesregierung auch in (C)<br />
211 Milliarden Euro übernommen werden können, Zukunft begründen, dass Maßnahmen zur Euro-Rettung<br />
stimme ich nicht zu. Ich stimme mit Nein.<br />
„vertraulich“ seien, sodass der <strong>Bundestag</strong> nicht beteiligt<br />
Auch ich will der griechischen Bevölkerung helfen,<br />
aus der Krise zu kommen. Auch ich bin deshalb grundsätzlich<br />
für die Verstärkung des Rettungsschirms, EFSF,<br />
durch weitere Milliarden. Lieber wäre mir ein drastischer<br />
Schuldenschnitt oder eine geregelte Insolvenz, die<br />
so gesteuert werden könnte, dass der sozial und einkom-<br />
werden könne.<br />
Nach dem Gesetz soll allein die Bundesregierung die<br />
„Eilbedürftigkeit“ oder „Vertraulichkeit“ festlegen. Das<br />
Geheimgremium kann zwar widersprechen, aber nur mit<br />
Mehrheit, also nur wenn die Abgeordneten mitmachen,<br />
welche die Regierung tragen.<br />
mensmäßig schwächere Teil der Bevölkerung Griechenlands<br />
nicht die Hauptlast trägt. Aber dafür fehlen noch<br />
die Regeln im EU-Währungsraum. Eine solche Regelung<br />
für eine Staatsinsolvenz muss dringend geschaffen<br />
werden. Aber solange es sie nicht gibt, bleibt nur die<br />
Hoffnung auf die Wirksamkeit des Rettungsschirmes,<br />
wenn auch die Hoffnung sehr trügerisch ist und mit weiteren<br />
finanziellen Nachschüssen in Milliardenhöhe gerechnet<br />
werden muss.<br />
Wenn es um vorsorgliche Notmaßnahmen geht oder<br />
um Kredite zur Rekapitalisierung von Banken oder Ankauf<br />
von Staatsanleihen, sind diese regelmäßig eilbedürftig<br />
oder vertraulich. Ausgenommen sind nur Änderungen<br />
des Rahmenvertrages, Überführung in ESM oder<br />
der erstmalige Antrag eines Mitgliedstaates. Wenn es um<br />
weniger wichtige Entscheidungen geht, muss der Haushaltsausschuss<br />
zustimmen. Aber auch dies kann ersetzt<br />
werden durch Zustimmung des Geheimgremiums, wenn<br />
Der jetzt eingeschlagene Weg birgt allerdings Risiken<br />
für das europäische Währungssystem, die schon jetzt<br />
die Bundesregierung Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit<br />
reklamiert.<br />
kaum noch zu verantworten sind.<br />
Damit wird das Haushaltsrecht des Parlaments weit-<br />
Der wesentliche Grund für meine Nichtzustimmung<br />
ist die mangelhafte parlamentarische Kontrolle, die das<br />
Gesetz vorsieht.<br />
gehend abgeschafft und auf ein Rumpfparlament übertragen<br />
: und zwar für Beträge in jeder Höhe, selbst wenn<br />
diese größer sind als der gesamte Bundeshaushalt eines<br />
Jahres.<br />
Zwar sieht es vor, dass die Bundesregierung einem Das will ich mir als <strong>Bundestag</strong>sabgeordneter nicht ge-<br />
EU-Beschluss, der die „haushaltspolitische Gesamtverfallen lassen.<br />
(B)<br />
antwortung des <strong>Bundestag</strong>es“ berührt, nur zustimmen<br />
darf, wenn der <strong>Bundestag</strong> vorher zustimmt. Und diese<br />
haushaltspolitische Gesamtverantwortung sei berührt bei<br />
Abschluss einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme,<br />
wesentlicher Änderung einer solchen, Änderungen des<br />
EFSF-Rahmenvertrages und bei der Überführung von<br />
Teilen daraus in den dauerhaften Europäischen Stabili-<br />
Schlimmer noch, außer meinem Entscheidungsrecht<br />
soll selbst mein Recht auf Information und Unterrichtung<br />
darüber, was mit dem Geld der Steuerzahler geschieht,<br />
beschränkt werden können: in Fällen behaupteter<br />
besonderer Vertraulichkeit, solange die Gründe dafür<br />
angeblich fortbestehen. Das kann Jahre dauern.<br />
(D)<br />
tätsmechanismus – ESM.<br />
So etwas geht überhaupt nicht. Wie soll ich dann<br />
Aber bei besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit<br />
sollen dem Gesetz zufolge die Rechte des gesamten<br />
<strong>Bundestag</strong>es von nur wenigen Abgeordneten<br />
wahrgenommen werden dürfen – höchstens neun. Die<br />
Mitglieder dieses Geheimgremiums werden über die erhaltenen<br />
Informationen niemandem berichten dürfen,<br />
nicht einmal ihrem Fraktionsvorsitzenden.<br />
mein Kontrollrecht wahrnehmen? Es ist doch das Geld<br />
der Bürgerinnen und Bürger, um das ich mich sorgen<br />
soll. Das ist eine meiner wichtigsten Aufgaben als Abgeordneter.<br />
Wie soll das gehen und wie soll ich diese Aufgabe<br />
wahrnehmen können, wenn ich nichts erfahre?<br />
Es gäbe doch durchaus die Möglichkeit, alle Abgeordneten<br />
vertraulich wenigstens zu unterrichten.<br />
Ich befürchte, dies wird nicht Ausnahme, sondern die<br />
Regel werden. Dann bleibt im Regelfall der <strong>Bundestag</strong><br />
außen vor. Denn eilbedürftig sind Notmaßnahmen stets;<br />
jedenfalls wird die Bundesregierung sich darauf berufen.<br />
Und Vertraulichkeit macht diese Bundesregierung ebenfalls<br />
sehr häufig geltend; damit habe ich bereits reichlich<br />
schlechte Erfahrungen gemacht.<br />
Ich will nicht, dass ich und 98 Prozent der Abgeordneten<br />
unwissend gehalten werden können und außen vor<br />
bleiben, wenn für den Gesamtstaat sowie alle Bürgerinnen<br />
und Bürger existenzielle Entscheidungen getroffen<br />
werden. Die Finanzmärkte sind nicht das Maß aller<br />
Dinge. Nach ihnen darf sich nicht richten, was die Vertreter<br />
des ganzen Volkes wissen und entscheiden dürfen.<br />
Dagegen stimme ich.<br />
Mit vielen parlamentarischen Anfragen in den vergangenen<br />
Jahren wollte ich zum Beispiel erfahren, zu<br />
welchen Bedingungen Kredite, Bürgschaften oder Garantien<br />
in Milliardenhöhe für notleidende Banken gegeben<br />
wurden und wie hohe Vergütungen sowie Boni deren<br />
Manager erhielten. Daraufhin berief sich die<br />
Bundesregierung dann regelmäßig auf eben solche Vertraulichkeit<br />
wegen Geschäfts- bzw. Betriebsgeheimnissen<br />
der Banken und verweigerte die Antwort.<br />
Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich stimme dem Gesetz<br />
zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen<br />
im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus<br />
aus zwei Gründen nicht zu:<br />
Erstens. Die Aufstockung der Mittel des Stabilisierungsfonds<br />
ist im Ergebnis eine Unterstützung der Banken,<br />
der Finanzinstitute und der Reichen. Im Haftungs-