Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15244 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Heike Hänsel<br />
Ich möchte, dass wir ein Europa der Menschen entwigen den Euro und gegen Europa zu wetten, und dass die- (C)<br />
ckeln und nicht ein Europa der Banken. Dieses Signal selbe Investmentbank zum Beraterstab der europäischen<br />
muss von diesem Parlament ausgehen. Die Krise können Regierungen gehört.<br />
wir nur überwinden, wenn das Finanzkasino – anders<br />
kann man es gar nicht mehr nennen – endlich geschlos-<br />
(Zuruf von der Linken: Unglaublich!)<br />
sen wird und die Staaten sich unabhängig von Kapitalmärkten<br />
finanzieren können. Deshalb ist die Schaffung<br />
einer Bank für öffentliche Anleihen so wichtig. Ich sage<br />
Ihnen: Früher oder später wird es eine solche Bank geben.<br />
Wir haben letztes Jahr vor so vielen Dingen gewarnt,<br />
und vieles ist mittlerweile eingetreten. Ich betone:<br />
Diese Entwicklung wird so stattfinden.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)<br />
Es macht mich zutiefst misstrauisch, dass der Chef dieser<br />
Bank, Alexander Dibelius, die Bundesregierung berät<br />
– ein Mann, der explizit erklärt, dass er bei den Banken<br />
keinerlei Verantwortung für das Allgemeinwohl<br />
sieht.<br />
Ich habe mit Nein gestimmt, weil mit dieser Art der<br />
Euro-Rettung die Allgemeinheit in Haft genommen<br />
wird, um die Kapitalanleger zu bedienen. Die Macht der<br />
Wie bereits angesprochen wurde, werden nicht die<br />
Verursacher und die Profiteure der Krise zur Verantwortung<br />
gezogen – auch das ist ein Grund, gegen diesen<br />
Rettungsschirm zu stimmen –, sondern das Ganze wird<br />
auf dem Rücken der Mehrheit der Bevölkerung ausgetragen.<br />
Investmentbanken hingegen wird nicht angetastet. Es ist<br />
nicht vorgesehen, dass große Geldvermögen abgeschöpft<br />
werden. Keines der grundlegenden Probleme der Europäischen<br />
Union und auch keines der Krisenprobleme der<br />
Weltwirtschaft wird auf diese Art und Weise auch nur<br />
angepackt.<br />
Ich war schockiert, als ich vor einigen Wochen in<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
(B)<br />
Griechenland war und dort mit vielen Menschen gesprochen<br />
habe. Die Lebenssituation vieler dort ist sehr<br />
schwierig. Viele fühlen sich von dieser Politik, die auch<br />
die Bundesregierung vorantreibt, gedemütigt. Es ist eigentlich<br />
beschämend, zu sehen, dass bei der Vergangenheit<br />
Griechenlands, die Deutschland zu verantworten<br />
hat, heute ausgerechnet die Bundesregierung und Angela<br />
Merkel den Menschen in Griechenland die Politik diktieren<br />
wollen. Ich wiederhole: Das ist beschämend. Deswegen<br />
habe ich heute gegen den Rettungsschirm gestimmt.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Im Gegenteil: Die verordneten Sparmaßnahmen werden<br />
vor allem die kleinen Leute treffen. Wir werden in eine<br />
Situation hineinmanövriert, die der großen Schuldenkrise<br />
der 80er-Jahre ähnlich ist, von der die lateinamerikanischen<br />
Länder betroffen waren. Damals hat der IWF<br />
die Spardiktate, die Schuldknechtschaft ausgesprochen.<br />
Dabei war völlig klar, dass damit die Masse der Bevölkerung<br />
in unerträgliche Zustände gebracht wurde.<br />
Dieselbe Linie verfolgen Sie mit den Spardiktaten,<br />
die jetzt beschlossen worden sind; und mit dem Sixpack,<br />
das gestern im Europäischen Parlament verabschiedet<br />
(D)<br />
Ich möchte mich mit den Menschen solidarisieren, die worden ist, werden die Zustände noch massiv verschärft.<br />
sich gegen diese Politik wehren. Ich unterstütze die For- Maastricht hoch zwei wird die Situation für die Menderung<br />
der Griechen und Griechinnen, zum Ausdruck schen in Europa dramatisch verschlimmern, und zwar<br />
gebracht auf dem Syntagma-Platz in Athen. Diese Men- auch in der Bundesrepublik.<br />
schen sagen: Wir brauchen einen umfassenden Schuldenschnitt<br />
für Griechenland; anders wird es keine Zu-<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
kunft für unser Land geben. – Außerdem solidarisiere An dieser Stelle möchte ich etwas sagen, was mich<br />
ich mich mit den Menschen, die dahin gehend mobilisie- wirklich sehr bewegt. Ich kann nachvollziehen, dass die<br />
ren, dass am 15. Oktober ein großer Marsch der Empör- Gewerkschaften in einer bestimmten Situation hoffen<br />
ten nach Brüssel stattfindet, weil sie meinen: So kann es und glauben, dass es, wenn es den deutschen Unterneh-<br />
nicht weitergehen. – Es erschüttert die ganze Demokramen besser geht, wenn die Unternehmen besser durch<br />
tie in Europa, wenn wir den aktuellen Entwicklungen die Krise kommen, auch den Beschäftigten besser geht.<br />
nicht endlich eine Politik der Menschen entgegenstellen.<br />
Diese Menschen machen sich auf den Weg, und das unterstütze<br />
ich.<br />
Ich selbst bin seit 32 Jahren Gewerkschaftsmitglied<br />
und war zehn Jahre lang hauptamtlich tätig. In dieser<br />
Zeit haben wir über den Pakt für Wettbewerb, Ausbil-<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
dung und Arbeit diskutiert, der zur Folge hatte, dass sich<br />
die Situation der Beschäftigten durch die Stärkung der<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Letzte Rednerin derer, die eine mündliche Erklärung<br />
abgeben, ist nun Kollegin Sabine Leidig.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Wettbewerbssituation der deutschen Unternehmen insgesamt<br />
verschlechtert hat. Die Gewinne der DAX-Konzerne<br />
platzen aus allen Nähten; sie haben in der Nachkrisenzeit<br />
um 134 Prozent zugelegt.<br />
Was ist davon bei den Beschäftigten angekommen?<br />
Sabine Leidig (DIE LINKE):<br />
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe<br />
aus verschiedenen Gründen mit Nein gestimmt:<br />
Ich schaue meinen Kollegen an, der weiß, wovon ich<br />
spreche. Ich glaube, dass die Gewerkschaften sich keinen<br />
Gefallen tun, wenn sie auf dieselbe Weise versuchen,<br />
die eigenen Beschäftigten zu stützen, aber nicht er-<br />
Erstens. Es macht mich zutiefst misstrauisch, dass die kennen, dass Europa nicht nur ein Europa des Friedens,<br />
Investmentbank Goldman Sachs derzeit empfiehlt, ge- sondern auch ein Europa der Kultur ist. Das ist ganz