Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
15434 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) Die Einführung des Euro hatte die PDS im <strong>Bundestag</strong> Die Krise der Euro-Zone ist letztlich eine globale Ver- (C)<br />
zu Recht kritisiert, weil diese nicht mit einer Wirtteilungskrise. Jetzt rächt sich die Umverteilungspolitik<br />
schafts- und Sozialunion verbunden war. Dennoch ist die von unten nach oben, die in den letzten Jahren alle neoli-<br />
Erhaltung des Euro ein richtiges Ziel, weil der Euro, von beralen Parteien in Deutschland mitgetragen haben –<br />
dem insbesondere die deutsche Wirtschaft profitiert hat, von Schwarz, Gelb über Rot und Grün. Die Lohnein-<br />
inzwischen mehr als ein ökonomisches Projekt ist. Wenn kommen stagnieren seit geraumer Zeit weltweit, in<br />
der Euro scheitert, besteht die große Gefahr, dass auch Deutschland sind die Realeinkommen der Mehrheit der<br />
der europäische Gedanke und das Projekt der Europäi- Menschen sogar gefallen. Nur die Vermögen einiger weschen<br />
Union massiv beschädigt werden und dies mit einiger sind stark angewachsen, die breite Mehrheit hat<br />
ner Renationalisierung der Politik einher geht. Wir brau- deutlich verloren. Die Menschen reagieren darauf in der<br />
chen zur Lösung der gewaltigen Probleme aber nicht einzig für sie möglichen Art und Weise, nämlich indem<br />
weniger, sondern mehr europäische Integration. Wir sie ihre Nachfrage nach Konsumgütern einschränken.<br />
brauchen und wollen als Linke auch gegenseitige Solida- Deshalb stockt die Konjunktur, deshalb stockt die Binrität<br />
und Hilfe in Europa. Darin unterscheiden wir uns nennachfrage, deshalb spekulieren die großen Kapitalien<br />
von den Gegnern des Euro-Rettungsschirms, deren Mo- in einem unverhältnismäßigen Umfang, da Realinvestitivation<br />
darin liegt, den anderen in Schwierigkeiten gerationen aus ihrer systemimmanenten Sicht sich nicht<br />
tenen Staaten die Solidarität ausdrücklich zu verweigern. mehr für sie lohnen.<br />
Ohne eine demokratische Kontrolle des Banken- und<br />
Finanzsektors, ohne einen enormen Anwuchs der Löhne<br />
der „normalen Menschen“, ohne ein Ende des Lohndumpings<br />
und ohne eine Besteuerung der Vermögenden wird<br />
diese Krise nicht gelöst werden können. Das Missverhältnis<br />
von Finanz- und Realwirtschaft kann nur gelöst<br />
werden, wenn die Massenkaufkraft und die Masseneinkommen<br />
wieder steigen. Aber die Regierung zeigt sich<br />
konsequent orientierungslos. Derzeit ist es, als würden<br />
Politiker und Politikerinnen der Regierung „Steuerbord“<br />
oder „Backbord“ rufen, ohne zu merken, dass sie eigentlich<br />
in einem Zug sitzen.<br />
Die Politik der Bundesregierung ist darauf gerichtet,<br />
den Europäischen Rettungsschirm nicht als Hilfe für die<br />
Menschen auszugestalten, sondern im Ergebnis zur Rettung<br />
von Banken und Versicherungen. Die Bedingungen,<br />
die an die Inanspruchnahme der Mittel aus dem Rettungsschirm<br />
geknüpft werden, sind nicht akzeptabel.<br />
Senkung der Löhne, Renten, Entlassungen, Erhöhung<br />
der Verbrauchsteuern, kurz massiver Sozialabbau für<br />
breite Bevölkerungskreise, sind Gift für das wirtschaftliche<br />
Wachstum der betreffenden Staaten und machen die<br />
Rückzahlung von Krediten objektiv unmöglich. Die<br />
Banken und Gläubiger sind durch die Bürgschaft des<br />
Rettungsschirms, für die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler<br />
haften, gegen Forderungsausfall gesichert. Die<br />
wirklich Vermögenden in den betreffenden Ländern,<br />
ebenso wenig wie in Deutschland, werden hingegen<br />
nicht zur Kasse gebeten. Eine Finanztransaktionsteuer,<br />
wird halbherzig angekündigt, aber bisher immer noch<br />
nicht eingeführt. Mit dieser würden die Spekulanten, die<br />
die Finanzkrise verursacht haben, endlich zur Kasse gebeten.<br />
Hinzu kommt, dass ohne eine tiefgreifende und nicht<br />
nur kosmetische Regulierung der Finanzmärkte die Ursachen,<br />
die zur der Notwendigkeit des Rettungsschirms<br />
geführt haben, weiter fortwirken und der Rettungsschirm<br />
in Kürze von der Dimension her nicht ausreichen wird.<br />
Dieser ungerechten Politik, die die Mehrheit der Bevölkerung<br />
belastet und die Finanzmafia ungeschoren<br />
lässt, kann ich nicht zustimmen, sondern kann nur mit<br />
Nein stimmen.<br />
Yvonne Ploetz (DIE LINKE): Gerade als Anhängerin<br />
der europäischen Idee kann es für mich heute nur ein<br />
klares Nein geben. Die von der Bundesregierung geplante<br />
Erweiterung des Euro-Rettungsschirms, der sogenannten<br />
EFSF, geht an den anstehenden Aufgaben<br />
schlicht vorbei. Ohne eine Lösung der gegenwärtigen<br />
Lohnkrise wird es auch keine Lösung der Euro-Krise geben.<br />
Denn die Kanzlerin sieht nur die Oberfläche, aber<br />
nicht die tieferliegenden Ursachen der Krise. Die<br />
schwarz-gelbe Regierung setzt bei ihrer Euro-Politik<br />
abermals auf das falsche Pferd – wie so häufig in den<br />
letzten Wochen und Monaten.<br />
Ingrid Remmers (DIE LINKE): Ich stimme gegen<br />
dieses Gesetz, weil die Bedingungen für Länder, die<br />
Kredite im Rahmen der EFSF in Anspruch nehmen müssen,<br />
nicht akzeptabel sind und die „Rettung“ von einzelnen<br />
europäischen Ländern nichts als eine weitere Bankenrettung<br />
mit Steuergeldern ist.<br />
Die Schuldenkrise ist vor allem eine Folge der Bankenkrise,<br />
in deren Rahmen die Verluste von privaten<br />
Banken auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgewälzt<br />
wurden – Verluste von jenen privaten Banken,<br />
die mit Wucherzinsen für neue Staatsanleihen den<br />
Rettungsschirm erst notwendig machen. Statt die<br />
Finanzmärkte endlich strikt zu regulieren, Banken zu<br />
vergesellschaften und die Staatsfinanzierung von den<br />
Kapitalmärkten abzukoppeln, würgen radikale Kürzungsauflagen<br />
die Binnenkonjunktur der Krisenländer<br />
ab.<br />
Die Ungleichgewichte im Euro-Raum sind auch Ergebnis<br />
der überdimensionierten Exportorientierung der<br />
deutschen Wirtschaft bei gleichzeitig stagnierenden Reallöhnen<br />
und dauerhaft hohen Exportüberschüssen. Sie<br />
führen automatisch zu Defiziten und damit zur weiteren<br />
Verschuldung anderer Euro-Länder. Das beste Mittel dagegen<br />
ist die Stärkung der Kaufkraft durch Mindestlöhne,<br />
die der hohen Produktivität in Deutschland angemessen<br />
sind.<br />
Die von der Bundesregierung geforderten Zumutungen<br />
für die griechischen, irischen oder portugiesischen<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht akzeptabel.<br />
Lohnkürzungen, radikale Verkleinerung des öf-<br />
(D)