Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
15424 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) Das können sie nicht. Denn niemand kann erklären, wel- Jede Stützmaßnahme nimmt Reformdruck von den (C)<br />
che Risiken noch zu erwarten sind.<br />
betroffenen Ländern. Das ist kontraproduktiv, weil damit<br />
Alljährlich wird über den deutschen Länderfinanzausgleich<br />
diskutiert. Insbesondere den sogenannten Geberländern<br />
Bayern und Baden-Württemberg ist nicht zu vermitteln,<br />
warum sie dauerhaft die finanzschwachen<br />
Länder unterstützen sollen, wenn diese sich Ausgaben<br />
leisten, die im Süden Deutschlands längst eingespart<br />
worden sind. Auch dabei wird der Leistungsanreiz unterminiert<br />
und die Soziale Marktwirtschaft ausgehebelt.<br />
Die Aufrechterhaltung dieser Regelung ist nur damit<br />
zu erklären, dass es mehr Nehmerländer gibt als Geberländer.<br />
Ein hinreichender Grund für den Quasiexport des<br />
deutschen Länderfinanzausgleichs nach Europa ist es<br />
nicht.<br />
der zwangsläufige Zusammenbruch hinausgezögert und<br />
der letztlich verursachte Schaden größer und größer<br />
wird, gleich Buchverlusten, die man eine Zeit lang ignorieren,<br />
aber früher oder später realisieren muss. Der<br />
Volksmund weiß: Wer den Kopf in den Sand steckt, wird<br />
früher oder später mit den Zähnen knirschen. Auch die<br />
Kanzlerin erklärt mittlerweile, dass wir uns nur immer<br />
wieder Zeit erkaufen.<br />
Sind Staaten nicht zu den notwendigen Strukturreformen<br />
in der Lage, befürworte ich eine geordnete Insolvenz<br />
dieser Länder. Eine über Nothilfe hinausgehende<br />
Transferunion kann es nicht geben.<br />
Und dass Reformen schmerzhaft, aber möglich sind,<br />
zeigen Länder wie Irland und Portugal, die große Fort-<br />
In der Sicherheitspolitik gilt aus gutem Grund die schritte machen und insgesamt auf einem guten Weg<br />
Prämisse, dass der Staat nicht erpressbar ist. Mit Terro- sind, wenngleich noch eine große Strecke vor ihnen<br />
risten, gleich wen sie als Geisel genommen haben oder liegt.<br />
welches Drohpotenzial sie haben, wird nicht verhandelt.<br />
Denn jedes Entgegenkommen des Staates würde in einer<br />
Art Lerneffekt Nachahmer auf den Plan rufen. Wenn ein<br />
„Geschäftsmodell“ Erfolg verspricht, mangelt es nicht<br />
an Nachahmern. So funktionieren auch die Wirtschaft<br />
und die Finanzwelt. Wo ein Geschäftsmodell Erfolg<br />
hatte, sind Nachahmer sofort zur Stelle.<br />
Das alles lässt mich zu dem Schluss kommen, dass<br />
getreu dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als<br />
ein Schrecken ohne Ende“ der Zeitpunkt überfällig ist,<br />
an dem wir die Konsequenzen tragen für das völlig entfesselte<br />
Schuldenmachen mancher Länder einerseits und<br />
für den Irrsinn, dass man mit Schrottanleihen Geld verdienen<br />
kann. Und zwar wir alle in den Eurostaaten. Das<br />
Mit den Hilfsmaßnahmen ist diese Prämisse, dass der Kasino muss schließen.<br />
(B)<br />
Staat nicht erpressbar ist, aufgehoben worden. Die Euro-<br />
Staaten sind erpressbar geworden. Weil alles für systemrelevant<br />
erklärt wird, soll immer und überall geholfen<br />
werden müssen. Und weil kein Fachmann die noch<br />
auf uns zukommenden Risiken benennen kann, droht<br />
eine Endlosschleife.<br />
Im Übrigen bin ich gewählter Abgeordneter des Deutschen<br />
<strong>Bundestag</strong>es und fühle mich daher zu allererst<br />
Deutschland verpflichtet und dann Europa.<br />
Nur ein Szenario ist noch schrecklicher als die Vorstellung,<br />
dass die bisherige Praxis der Finanzhilfen und<br />
Rettungsschirme beibehalten wird: Die Idee, der Markt-<br />
(D)<br />
Die Wirtschaft ist imstande, schnell zu reagieren. wirtschaft mit Euro-Bonds noch schneller den Garaus zu<br />
Wenn sich die Situation ändert, sterben Geschäftsmo- machen. Sozialdemokraten und Grüne sind sich in dem<br />
delle in Sekunden, neue werden geboren.<br />
Ziel der Einführung von Euro-Bonds einig. Sie wollen<br />
Wo sich zeigt, dass Rendite entsteht, während andere<br />
die Risiken tragen – der utopische Traum jedes Geschäftsmannes<br />
–, wird mehr und mehr investiert, nicht<br />
weniger, solange das Geschäftsmodell trägt. Dieser Mechanismus<br />
wirkt bereits: Während andere unglaubliche<br />
Zinsen einnehmen, tragen die wirtschaftlich gesunden<br />
Euro-Staaten die finanziellen Lasten und halten Griechenland<br />
künstlich am Leben.<br />
also die gute Kreditwürdigkeit Deutschlands und anderer<br />
wirtschaftlich und finanziell starker Länder aufgeben,<br />
um den wirtschaftlich strauchelnden Ländern mit besseren<br />
Kreditratings das Schuldenmachen noch zu erleichtern.<br />
Dass damit auf Deutschland auch deutlich höhere<br />
Zinsen in Milliardenhöhe zukommen würden, ist<br />
zwangsläufig. Das wäre eine weitere Unterhöhlung des<br />
Leistungsgedankens, der kein Anhänger der Sozialen<br />
Marktwirtschaft zustimmen kann. Und eine rot-grüne<br />
Dieses Wirkprinzip muss zwangsläufig früher oder<br />
später zum Systemzusammenbruch führen, und zwar un-<br />
Regierung ist ein reales Szenario, wenn man aktuellen<br />
Umfragen im Falle von Neuwahlen glauben mag.<br />
abhängig davon, wie viele Milliarden vorher gerade mit<br />
dem Argument der Systemerhaltung geflossen sind, weil<br />
auch die Finanzkraft der wirtschaftlich starken Länder<br />
nicht so groß sein kann wie der Renditehunger der Investoren.<br />
Nur diese Vorstellung lässt mich heute dem Gesetzentwurf<br />
zustimmen, obwohl meine tiefste Überzeugung<br />
wie auch die etlicher Experten ist, dass es grundlegend<br />
falsch ist und uns die Rechnung für diese Entscheidung<br />
in nicht allzu ferner Zukunft präsentiert wird. Leider ist<br />
es dann nicht mehr nur unsere Rechnung, sondern auch<br />
die unserer Kinder, Enkel und Urenkel.<br />
Es kann kein Weg daran vorbeiführen, dass die ins<br />
Straucheln geratenen Länder mit aller Kraft ihre Hausaufgaben<br />
machen, ihre Haushalte konsolidieren und notwendige<br />
Strukturreformen einleiten. Das und nur das<br />
wird die Märkte nachhaltig beruhigen und verloren gegangenes<br />
Vertrauen in die betroffenen Länder wieder<br />
herstellen.<br />
Ich trage am heutigen Tag in Loyalität zu unserem<br />
Land und der christlich-liberalen Bundesregierung diesen<br />
Gesetzentwurf mit, in einer der entscheidendsten<br />
Fragen der deutschen Politik seit Langem und gewiss auf<br />
absehbare Zeit. Ich trage damit die christlich-liberale