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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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(B)<br />

Katrin Werner<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15363<br />

(A) bau von zerstörten Häusern und Schulen, die Versor- Beitrag leisten, indem sie auf diplomatischer Ebene den (C)<br />

gung mit Trinkwasser und Energie, die humanitäre berechtigten Anliegen der tamilischen Bevölkerung Ge-<br />

Minenräumung und die Wiedernutzbarmachung der hör verschafft und eine friedliche Konfliktlösung unter-<br />

landwirtschaftlichen Anbauflächen für die Reisprodukstützt. In diesem Sinne sollten Sie unserem Antrag zution.<br />

Insbesondere verwitwete und alleinerziehende<br />

Frauen, die während des Krieges Männer und Söhne<br />

stimmen.<br />

verloren haben, müssen vor Ausgrenzung und Armut geschützt<br />

werden. Die Linke fordert die Bundesregierung<br />

auf, sich in diesem Bereich mit zusätzlichen Entwicklungshilfen,<br />

personeller und finanzieller Projektunterstützung<br />

und technischem Know-how stärker zu engagieren.<br />

Darüber hinaus sollte sie die Regierung Sri<br />

Lankas auch bei der politischen und gesellschaftlichen<br />

Konfliktlösung unterstützen.<br />

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />

Die rund 37 Jahre währenden bewaffneten Auseinandersetzungen<br />

in Sri Lanka zwischen den Liberation<br />

Tigers of Tamil Eelam, LTTE, und der Regierung sind im<br />

Frühjahr 2009 zu einem Ende gekommen. Durch die<br />

Kämpfe starben etwa 100 000 Menschen, darunter laut<br />

Amnesty International mindestens 10 000 Zivilisten, die<br />

während der letzten Monate des Bürgerkriegs, zumeist<br />

Ohne eine öffentliche Aufarbeitung des Kriegsge- durch Artilleriebeschuss der Armee, getötet wurden.<br />

schehens und die Bestrafung von begangenen Kriegs- Auch Krankenhäuser, UN-Einrichtungen und Rotverbrechen<br />

ist ein Friedensprozess kaum denkbar. Dies Kreuz-Schiffe wurden gezielt beschossen. Normalität<br />

gilt für Kriegsverbrechen aller Seiten: der Regierung, herrscht in Sri Lanka nun auch zweieinhalb Jahre nach<br />

der Paramilitärs und der Rebellen. Aus diesem Grund dem Krieg noch nicht. Die Presse-, Meinungs- und In-<br />

hält Die Linke an ihrer Aufforderung an die Bundesreformationsfreiheit ist stark eingeschränkt. Journalistingierung<br />

fest, dass der Druck auf Sri Lanka erhöht wernen und Journalisten und NGO-Aktivistinnen und -Aktiden<br />

muss, damit unabhängige internationale Untersuvisten verschwinden spurlos. Der Ausnahmezustand<br />

chungen stattfinden und die Regierung in Colombo dies wird monatlich durch das sri-lankische Parlament ver-<br />

nicht ihr genehmen „Experten“ überlässt.<br />

längert. 3 000 Menschen sind weiterhin aufgrund von<br />

Anti-Terror-Gesetzen ohne Anklage inhaftiert.<br />

Ich will an dieser Stelle in aller Klarheit sagen: Die<br />

Linke kritisiert die jahrzehntelange staatliche Unterdrückungspolitik<br />

gegen die tamilischen Bevölkerung in Sri<br />

Lanka. Gleichzeitig war, ist und bleibt Die Linke die<br />

Partei des Völkerrechts und der friedlichen Konfliktlösung.<br />

Wie dies schon am Beispiel des Kosovo zu erkennen<br />

war, wenden wir uns entschieden gegen einseitige<br />

Sezessionen. Diese sind Teil des Problems und nicht der<br />

Lösung. Für die Beilegung von Nationalitätenkonflikten<br />

bietet das Völkerrecht vielfältige und geeignete Möglichkeiten<br />

zum Schutz von Minderheiten, wie beispielsweise<br />

kulturelle und politische Autonomierechte.<br />

Aus unserer Sicht ist im Fall Sri Lankas daher auch<br />

eine Amnestie für einfache Mitglieder und Sympathisanten<br />

der Rebellen geboten, um den innergesellschaftlichen<br />

Aussöhnungsprozess zu unterstützen. Die früheren<br />

Kriegsteilnehmer und Kindersoldaten brauchen zivile<br />

berufliche Perspektiven und nachholende Berufsqualifizierungsmaßnahmen<br />

zur Wiedereingliederung in die srilankische<br />

Gesellschaft. Die tamilische Bevölkerung benötigt<br />

insgesamt einen gleichberechtigten Zugang zu sozialen<br />

Grunddiensten, vor allem bei Bildung und Gesundheit,<br />

bei Berufs- und Karrierechancen auch in der<br />

staatlichen Verwaltung, und einen wirksamen Schutz vor<br />

Diskriminierung insbesondere beim Gebrauch der eigenen<br />

Sprache.<br />

Die tamilische Diaspora in Deutschland gehört mit<br />

zu den am besten integrierten Migrantengruppen überhaupt.<br />

Zahlreiche Tamilinnen und Tamilen sind beruflich<br />

sehr erfolgreich und verfügen über ein hohes<br />

Bildungsbewusstsein. Gleichzeitig bestehen verständlicherweise<br />

noch häufig enge familiäre Bindungen an das<br />

Herkunftsland. Ich möchte nicht, dass hier lebende Tamilinnen<br />

und Tamilen sich aus Enttäuschung und Verzweiflung<br />

über die Zustände in Sri Lanka politisch radikalisieren.<br />

Die Bundesregierung kann hierzu einen<br />

Die Untersuchung von Kriegsverbrechen der sri-lankischen<br />

Armee durch eine Regierungskommission ist auf<br />

allen Ebenen lückenhaft. Der bereits erschienene Zwischenbericht<br />

der Lessons Learnt and Reconciliation<br />

Commission, LLRC, zeigt, dass die Täter weder identifiziert<br />

noch zur Verantwortung gezogen werden. Fünf der<br />

acht LLRC-Mitglieder waren ehemalige Regierungsmitglieder,<br />

die die Regierung vor Vorwürfen wie Kriegsverbrechen<br />

verteidigten. Eine unabhängige Aufarbeitung<br />

der dramatischen Ereignisse im Norden des Landes lässt<br />

die Regierung von Präsident Mahinda Rajapaksa aber<br />

nicht zu.<br />

Die Vereinten Nationen setzen sich weiter für eine internationale<br />

Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen<br />

während der Schlussoffensive Sri Lankas gegen<br />

die Tamil Tigers ein. Generalsekretär Ban Ki-moon<br />

überwies vor wenigen Tagen einen im April dieses Jahres<br />

veröffentlichten Expertenbericht dem Menschenrechtsrat<br />

sowie dem Hochkommissariat für Menschenrechte.<br />

Der <strong>Bericht</strong> macht Colombo für den Tod<br />

Tausender Zivilisten verantwortlich. Demnach griffen<br />

Regierungstruppen vorsätzlich Zivilisten an und verhinderten<br />

den Transport von Lebensmitteln und Medikamenten.<br />

Den tamilischen Rebellen wirft der <strong>Bericht</strong> vor,<br />

Zivilisten als Schutzschilde missbraucht und Kinder als<br />

Soldaten rekrutiert zu haben.<br />

Die Aufgabe der Bundesregierung und ihrer Außenpolitik<br />

ist es an dieser Stelle, ihren politischen und diplomatischen<br />

Einfluss zu nutzen. Denn um diesen <strong>Bericht</strong><br />

nun tatsächlich in offizielle Debatten der Vereinten Nationen<br />

einzuführen, wird einige Überzeugungsarbeit<br />

notwendig sein. Auch in der 18. <strong>Sitzung</strong> des UN-Menschenrechtsrates<br />

hatte die Bundesregierung leider nur<br />

vornehme Zurückhaltung geübt, als es notwendig gewesen<br />

wäre, die Hochkommissarin Navi Pillay in ihrer Kri-<br />

Zu Protokoll gegebene Reden<br />

(D)

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