Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15444 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) chen und Unternehmen ankommen. Diese entziehen sich chern. Die Aussage der Vorsitzenden von Bündnis 90/ (C)<br />
zunehmend der Besteuerung, mit entsprechenden Haus- Die Grünen, Renate Künast, dass die heutige Abstimhaltsproblemen.<br />
Der Masse der Menschen in Europa mung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF<br />
geht es zusehends schlechter. Aus Gründen der sozialen im <strong>Bundestag</strong> als Bewährungsprobe für die schwarz-<br />
Gerechtigkeit, aber auch der Stabilität bedarf es einer gelbe Koalition zu sehen sei, macht es uns unmöglich,<br />
Umverteilung von oben nach unten – etwa in Form einer nur in der Sache abzustimmen.<br />
Finanztransaktionsteuer, Steuern auf hohe Vermögen<br />
und ein entschlossenes Vorgehen gegen Steueroasen und<br />
die Finanzvehikel der Reichen und Mächtigen.<br />
Uns ist auch klar, dass es, falls heute keine Mehrheit<br />
aus der Koalition zustande kommt, zu noch stärkeren<br />
Unsicherheiten für die Märkte kommen wird. Die Kapi-<br />
Viele Probleme können nur noch international gelöst talmärkte werden entsprechend reagieren. Auch mit<br />
werden. Europa spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Ge- Blick auf die europäischen Nachbarn und die Partner in<br />
staltung der Europäischen Union als Elitenprojekt war der Welt ist es für Deutschland mit dem Ziel eines stabi-<br />
von Anfang an mit Demokratiedefiziten verbunden. Dies len Euro wichtig, ein Zeichen für eine geschlossene und<br />
gilt auch für dieses Rettungspaket, das nicht das Euro- entschlossene Koalition zu setzen.<br />
päische Parlament, sondern die Regierungschefs der EU<br />
zusammen mit Josef Ackermann und einem französischen<br />
Spitzenbanker ausgehandelt haben. Werden die<br />
Das haben wir heute ebenfalls bei unserem Abstimmungsverhalten<br />
zu berücksichtigen.<br />
Defizite der Währungsunion und das Demokratiedefizit<br />
nicht behoben, droht das gemeinsame Projekt gegen die<br />
Wand zu fahren.<br />
Aufgrund dieser Abwägung stellen wir unsere persönlichen<br />
Bedenken und Zweifel zu den im Gesetzesvorhaben<br />
getroffenen Regelungen zurück und stimmen den<br />
Änderungen an dem Gesetz zum europäischen Stabili-<br />
Anlage 4<br />
sierungsmechanismus zu.<br />
Erklärung nach § 31 GO<br />
der Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin,<br />
Anlage 5<br />
Dr. Lutz Knopek und Joachim Günther (Plauen)<br />
Zu Protokoll gegebene Reden<br />
(B)<br />
(alle FDP) zur namentlichen Abstimmung über<br />
den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des<br />
Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen<br />
im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus<br />
(Tagesordnungspunkt 3 a)<br />
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten<br />
Werner Schieder (Weiden), Klaus Barthel,<br />
Dr. Bärbel Kofler, Daniela Kolbe (Leipzig),<br />
Hilde Mattheis, René Röspel und Rüdiger Veit<br />
(alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über<br />
(D)<br />
Die Lösungen der Koalition in der europäischen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des<br />
Haushalts- und Finanzpolitik sollen die derzeitigen Tur- Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen<br />
bulenzen an den Finanzmärkten eindämmen und neues im Rahmen eines europäischen Stabilisierungs-<br />
Vertrauen etablieren. Nicht alle bisherigen oder geplanten<br />
Maßnahmen finden unsere Zustimmung.<br />
mechanismus (Tagesordnungspunkt 3 a)<br />
Es bleiben bei uns erhebliche Zweifel. Einer geordne- Bei der namentlichen Abstimmung über die Erweiteten<br />
Insolvenz zum Beispiel für Griechenland hätten wir rung der EFSF haben wir mit Ja gestimmt. Das bedeutet<br />
den Vorzug gegeben. Wir sind nicht grundsätzlich gegen aber keineswegs, dass wir ansonsten die falsche Antikri-<br />
Hilfen für andere Euro-Staaten. Wir können jedoch nicht senpolitik der Bundesregierung unterstützen.<br />
erkennen, welche Risiken von anderen Staaten des Euro-<br />
Raums noch zu erwarten sind. Diese Risiken konnten<br />
bisher nicht benannt und Zweifel nicht ausgeräumt werden.<br />
Erstens. Wir haben zugestimmt, weil wir es grundsätzlich<br />
für richtig halten, mit einem handlungsfähigen<br />
Rettungsschirm die Attacken von spekulierenden Finanzmärkten<br />
gegen einzelne Länder abzuwehren und so<br />
Die Schaffung eines kleinen Gremiums, das anstelle die Refinanzierung von Krisenstaaten zu vernünftigen<br />
des Haushaltsausschusses entscheiden kann, lehnen wir Zinsen sicherzustellen. Notwendig ist eine glaubwürdige<br />
ab, zumal dieses Gremium der Vertraulichkeit unterliegt. Garantie der gesamten Euro-Zone. Deshalb bedarf es ei-<br />
Es steht zu befürchten, dass damit die Beteiligung des ner Institution, die als Vermittlungsstelle zwischen die<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong>es ausgehebelt wird.<br />
Staaten, deren Refinanzierung sichergestellt werden<br />
Leider sind auch von der Opposition keine Konzepte<br />
und Alternativen zu den Vorschlägen der Regierung gekommen,<br />
die wir für diskussionswürdig hätten halten<br />
muss, und die aggressiven Finanzmärkte, denen die einzelnen<br />
Länder mangels eigener Währung und Zentralbank<br />
schutzlos ausgeliefert sind, gestellt wird.<br />
können.<br />
Zweitens. Vor diesem Hintergrund ist allerdings auch<br />
Eine freie Abstimmung wäre eine gute Stunde für den<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong> gewesen.<br />
der erweiterte EFSF unzureichend. Erstens, weil erneut<br />
offen bleibt, ob und in welchem Umfang einzelnen Ländern<br />
tatsächlich geholfen wird, wenn sie in Refinanzie-<br />
Aufgrund des durch die Opposition entworfenen Szerungsschwierigkeiten kommen. Zweitens ist das benarios<br />
eines Endes der Koalition besteht nun die Notgrenzte Ausleihvolumen nicht ausreichend, wenn zum<br />
wendigkeit, die Kanzlermehrheit für das Gesetz zu si- Beispiel auch Länder wie Italien und Spanien in solche