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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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15460 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />

(A) Dr. Matthias Miersch (SPD): Fast 20 Jahre ist es Themenbereiche Klimapolitik und Schutz der Biodiver- (C)<br />

nun her – mit dem Erdgipfel in Rio de Janeiro im Jahr sität viel stärker miteinander vernetzt werden. Nach die-<br />

1992 wollte die internationale Staatengemeinschaft dem sem Muster müssen wir versuchen, auf institutioneller<br />

Thema Nachhaltigkeit ein Gesicht geben. Heute stellen Ebene eine Verzahnung zu erreichen, die von allen Be-<br />

wir fest, dass der Begriff der Nachhaltigkeit häufig missteiligten verlangt, Nachhaltigkeit immer mitzudenken.<br />

(B)<br />

braucht und immer wieder in inhaltsleeren Floskeln verwendet<br />

wird. Nachhaltigkeit ist zur Beliebigkeit verkommen.<br />

Dabei ist gerade die heutige Zeit großflächiger<br />

Krisen eine Zäsur für unsere Lebensart des ungehemmten<br />

Wachstums und Raubbaus an den Ressourcen des<br />

Planeten: Hungerkatastrophen, Dürreperioden, Finanzdesaster,<br />

nukleare Unfälle – ein Umsteuern ist dringend<br />

geboten, heute noch deutlich mehr als vor 20 Jahren.<br />

Bereits im 18. Jahrhundert setzte sich die Einsicht<br />

durch, dass nur ein nachhaltiges Wirtschaften Zukunftsfähigkeit<br />

bringt. Im Bereich der Forstwirtschaft entstand<br />

die Formel, wonach nur so viele Bäume gefällt werden<br />

dürften, wie neue gepflanzt werden. Eine einleuchtende<br />

Formel. Wie würde die Welt aussehen, wenn seit dieser<br />

Zeit entsprechende Grundsätze in den unterschiedlichsten<br />

Politikfeldern berücksichtigt worden wären? Wir<br />

hätten keine Finanzkrise, kein rasantes Artensterben,<br />

keinen verantwortungslosen Umgang mit natürlichen<br />

Ressourcen und keine Armut. Es wäre Rücksicht genommen<br />

worden – auch auf die Interessen künftiger Generationen.<br />

Es wäre ein Schritt in Richtung eine generationenübergreifenden<br />

Verantwortung gewesen. Heute<br />

merken wir, dass wir schon jetzt mit den Versäumnissen<br />

der vergangenen Jahre umgehen müssen. Und schon<br />

heute ist dies eine große Herausforderung.<br />

Es gibt also zahlreiche Gründe, den Weltgipfel im<br />

kommenden Jahr auch durch das nationale Parlament zu<br />

begleiten und vor allem die notwendigen Schlüsse aus<br />

der Konferenz zu ziehen. Ich bin deshalb froh, dass es<br />

uns im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung<br />

gelungen ist, einen interfraktionellen Antrag<br />

zur Konferenz der Vereinten Nationen in Rio im kommenden<br />

Jahr auf den Weg zu bringen. Darin betonen wir<br />

die Dringlichkeit einer tiefgreifenden Veränderung des<br />

globalen Wirtschaftens. Wir sprechen die großen Herausforderungen<br />

der Bekämpfung des Klimawandels,<br />

dem Schutz der Ökosysteme oder die Vermeidung von<br />

Hungerskatastrophen an. Die Menschheit steht vor enormen<br />

ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen.<br />

Noch nie war es wichtiger, sich an den Zielen<br />

einer nachhaltigen Entwicklung zu orientieren.<br />

Bei der Konferenz in Rio wird es vor allem um zwei<br />

Hauptbereiche gehen. Es wird darum gehen, das Thema<br />

der nachhaltigen Entwicklung institutionell so zu verankern,<br />

dass es sein Nischendasein verliert und in den<br />

Mainstream der politischen Arbeit der Vereinten Nationen<br />

Einzug hält. Hier sind Veränderungen in der Organisation<br />

dringend angezeigt, um Effizienz und Effektivität<br />

zu erreichen. Ohne Details zu nennen kann man schon<br />

heute prognostizieren, dass es des besonderen Einsatzes<br />

der Bundesregierung bedürfen wird, um in dieser Frage<br />

substanzielle Fortschritte in Rio erreichen zu können.<br />

Hoffen wir gemeinsam, dass wir hier nicht verzagen! Es<br />

geht aber auch um die Sicherstellung des interdisziplinä-<br />

Der zweite Schwerpunktbereich in Rio wird das<br />

Thema umweltverträgliche Wirtschaft im Kontext von<br />

nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung sein.<br />

Wir müssen endlich die natürlichen Grenzen unseres<br />

Planeten respektieren. Glauben wir Prognosen, nach denen<br />

in einigen Jahren bereits 9 Milliarden Menschen auf<br />

dieser Erde leben werden, kommen wir nicht umhin,<br />

Wachstum und Wohlstand komplett neu zu denken. Es<br />

geht dabei auch nicht mehr um die Frage des Ob, sondern<br />

nur noch um die Frage des Wann. Wann lernen wir,<br />

einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt zu pflegen,<br />

und schaffen wir diesen Paradigmenwechsel, bevor<br />

es endgültig zu spät ist? Wir können als Menschen viele<br />

Dinge organisieren, regeln und entwickeln. Die Erde<br />

können wir nicht aus den Angeln heben, das müssen wir<br />

endlich begreifen. Und in diesem Zusammenhang ist<br />

klar, dass es gerade die Industrieländer – gerade die erste<br />

Welt ist –, die hier mit guten Beispielen vorangehen<br />

muss. Die Entwicklungs- und Schwellenländer betrachten<br />

unser Verhalten sehr aufmerksam. Sie haben erkannt,<br />

dass es vor allem wir sind, die bislang ihr Wirtschaften<br />

in vielen Bereichen nicht nachhaltig ausgerichtet haben.<br />

Gerade wir sind es deshalb, die Dinge verändern müssen,<br />

bevor wir es anderen Ländern vorschreiben.<br />

Wir haben es auf Konferenzen wie in Kopenhagen erlebt,<br />

dass Dynamiken entstehen und die Dinge fürchterlich<br />

schieflaufen können. Wir haben gesehen, wie sehr<br />

schnell viel Vertrauen verspielt werden kann, wenn Zusagen<br />

nicht eingehalten werden. Wenn wir den Prozess des<br />

Umdenkens aber nicht global organisieren können, weil<br />

uns unsere Partner die Hand nicht reichen wollen, werden<br />

unsere eigenen Anstrengungen noch so groß sein können,<br />

sie werden nicht genügen. Deshalb ist internationale Vertrauensbildung<br />

der Schlüssel. Nur so werden wir künftig<br />

in den wichtigen Feldern der Ressourceneffizienz, der<br />

umweltverträglichen emissionsarmen Wirtschaft oder<br />

Überwindung des Wirtschaftens mit endlichen Energieträgern<br />

vorankommen. Das sind die Themen, die in Rio<br />

eine große Rolle spielen müssen und die wir in unserem<br />

Antrag gemeinsam aufgreifen.<br />

Wir beraten heute gleichzeitig auch den Fortschrittsbericht,<br />

mit dem die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie<br />

begleitet wird. Ich halte es an dieser Stelle für einen<br />

glücklichen Zufall, diese beiden Themen in einer Rede<br />

verknüpfen zu können, denn die Verantwortung<br />

Deutschlands ist, wie ich bereits erwähnte, eine ganz besondere.<br />

Ohne unser volles Engagement hier in Deutschland<br />

werden wir unsere Vorreiterrolle einbüßen und den<br />

global ohnehin schwierigen Prozess weiter verlangsamen.<br />

Die Klimaverhandlungen in Kopenhagen und die<br />

im Nachgang nicht eingehaltenen Zusagen über die Finanzierung<br />

des internationalen Klimaschutzes sind uns<br />

ein warnendes Beispiel.<br />

(D)<br />

ren Ansatzes, der stets mit dem Ziel der nachhaltigen Der Fortschrittsbericht soll die Entwicklung hin zu ei-<br />

Entwicklung verbunden ist. So müssen zum Beispiel die ner nachhaltigen Verantwortung der Politik begleiten.

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