Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15482 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) Mit der Föderalismusreform wurde die in den vergan- Wir können uns ein Gemeinwesen, das immer stärker (C)<br />
genen Jahrzehnten aufgebauschte Verflechtung von ausblutet, nicht leisten. Deshalb haben wir uns im Ver-<br />
Bund und Ländern gestoppt.<br />
mittlungsausschuss zur Reform der Regelsätze im Januar<br />
Die Aufgabenzuweisung vom Bund an die Kommunen<br />
wurde ausgeschlossen, und so wurden die Kommunen<br />
nachhaltig geschützt. Das Staatswesen insgesamt<br />
wurde handlungsfähiger gemacht.<br />
und Februar dieses Jahres auch für die Kommunen stark<br />
gemacht. Wir haben durchgesetzt, dass die Grundsicherung<br />
im Alter vom Bund übernommen wird. Bisher zahlen<br />
dies zum größten Teil die Kommunen. Es hat mit den<br />
Ländern eine Vereinbarung gegeben, wie dies umgesetzt<br />
In einer zweiten Reform sicherte die unionsgeführte<br />
Bundesregierung die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen.<br />
Es gelang eine effektive Schuldenbegrenzung<br />
werden soll. Man hat sich auf drei Stufen beginnend ab<br />
2012 mit einer Entlastung ab 2014 von 4,4 Milliarden<br />
Euro pro Jahr verständigt.<br />
der öffentlichen Haushalte zu formulieren und diese im<br />
Grundgesetz einzumeißeln.<br />
Heute liegt uns nun der Gesetzentwurf der Ministerin<br />
vor. Man staune: Wir finden im Gesetz nur die Absiche-<br />
Heute gilt die deutsche Schuldenbremse europaweit<br />
als Vorbild für nachhaltige Stabilität und Generationengerechtigkeit.<br />
Sie wird zunehmend von anderen europäischen<br />
Ländern übernommen.<br />
rung der ersten der insgesamt vereinbarten drei Stufen ab<br />
2012 mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro. Also<br />
mich wundert es nicht, dass die Kommunen von diesem<br />
Gesetzentwurf enttäuscht sind. Ich bin es im Übrigen<br />
auch.<br />
Die Koalition hat wichtige Ziele erreicht:<br />
Im Begründungsteil des Gesetzentwurfs finden wir<br />
Der Arbeitsmarkt ist in der besten Verfassung seit der dann den Hinweis, warum zurzeit nur der erste Schritt<br />
Wiedervereinigung.<br />
möglich sei und die vereinbarte Anhebung der Bundes-<br />
Die Zahl der Erwerbstätigen ist größer als je zuvor.<br />
Deutschland ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen.<br />
beteiligung – also die Stufen zwei und drei –, ich zitiere,<br />
„einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten<br />
bleibt“, das allerdings erst im Laufe des Jahres 2012 er-<br />
Als Träger der Sozialhilfe und der Unterkunftskosten folgen könne. Überzeugend ist diese Begründung nicht.<br />
von Hartz IV profitieren die Kommunen von dieser positiven<br />
Entwicklung ebenso wie von den kräftig steigenden<br />
Einnahmen bei der Gewerbesteuer.<br />
Warum, so frage ich Sie, Frau Ministerin von der<br />
Leyen, haben Sie nicht frühzeitiger mit der Arbeit begonnen<br />
und rechtzeitig Ihre Hausaufgaben gemacht? Die<br />
(B)<br />
Kurzum, heute steht Deutschland sehr gut da! Und bei<br />
der internationalen Diskussion um die Stabilität in<br />
Europa schaut genau deshalb die ganze Welt auf uns.<br />
Einigung im Vermittlungsausschuss liegt doch schon sieben<br />
Monate zurück.<br />
Schwarz-Gelb verunsichert mit dem jetzt vorgelegten<br />
(D)<br />
Die Kommunen in Deutschland stehen trotzdem noch<br />
vor vielen gewaltigen Aufgaben. Diese reichen vom<br />
Ausbau frühkindlicher Betreuung und Bildung über die<br />
Integration von Ausländerinnen und Ausländern bis zur<br />
Bewältigung der demografischen Herausforderung.<br />
Gesetzentwurf die Kommunen und bringt sie um die<br />
dringend notwendige Planungssicherheit. Nach der Einigung<br />
im Vermittlungsausschuss haben die Kommunen,<br />
der Deutsche Städtetag und natürlich auch die Länder zu<br />
Recht erwartet, dass die Regelung der vereinbarten<br />
Übernahme der Grundsicherung in einem Gesetzge-<br />
Die städtebauliche Entwicklung und die Infrastruktur bungsakt erfolgt. Der Bundesrat hat sich dazu klar posi-<br />
gilt es ebenso an die tatsächlichen Bedürfnisse der Mentioniert – auch CDU-geführte Länder wollen das ganz<br />
schen anzupassen wie die örtlichen Strukturen zur Siche- genau so.<br />
rung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dazu gehört<br />
übrigens auch die anstehende Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.<br />
Der Gesetzentwurf führt aber auch noch an einer weiteren<br />
Stelle zur Verunsicherung. Wie soll die Kostenerstattung<br />
gegenüber den Kommunen aussehen? Die<br />
Nur mit starken Kommunen, die sich im Wettbewerb Kommunen haben sich darauf verlassen, dass die tat-<br />
langfristig behaupten, kann in Deutschland Wohlstand sächlich anfallenden Kosten der Grundsicherung wie<br />
gesichert werden. Wir vertrauen auf die Kraft und Leis- verabredet in 2012 zu 45 Prozent, in 2013 zu 75 Prozent<br />
tungsfähigkeit unserer Gemeinden, unserer Städte und und dann ab 2014 zu 100 Prozent übernommen werden.<br />
Kreise. Wir wollen, dass die Menschen vor Ort ihre Heimat<br />
selbst gestalten können. Das Gesetz zur Stärkung<br />
der Finanzkraft der Kommunen ist dazu ein wichtiger<br />
Beitrag des Bundes.<br />
Der Gesetzentwurf sieht jetzt jedoch vor, dass nicht<br />
die jeweils aktuellen Ausgaben, sondern lediglich die<br />
des Vorvorjahres als Berechnungsbasis gelten sollen. Die<br />
Städte und Gemeinden müssen also die Kostensteigerun-<br />
Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam fortsetzen! gen von zwei Jahren selbst tragen. Für Berlin wären das<br />
beispielsweise 40 Millionen Euro. Ich kann die Enttäuschung<br />
der Kommunen darüber verstehen und wäre an<br />
ihrer Stelle auch misstrauisch.<br />
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Es ist ganz wichtig,<br />
dass wir Lösungen zur Stärkung der Finanzkraft der<br />
Städte und Gemeinden finden. Es darf nicht sein, dass<br />
Kommunen ihre Aufgaben zur Daseinsvorsorge für die<br />
Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erbringen können,<br />
weil ihre Kassen leergespült sind.<br />
Wichtig ist, dass es rasch zu einer Einigung mit den<br />
Ländern kommt, denn der Gesetzentwurf braucht nicht<br />
nur die Zustimmung im <strong>Bundestag</strong>, sondern auch den<br />
Segen des Bundesrates.