Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15269<br />
(A)<br />
Gitta Connemann<br />
genug, um sie nicht durch einen Hammelsprung unter- Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es übrigens in ei- (C)<br />
brechen zu lassen.<br />
nem solchen Fall, zwischen dem berechtigten Wunsch<br />
Ich bin ein glücklicher Mensch. Das beweist übrigens<br />
auch der Glücksatlas der Deutschen Post. Darin wird<br />
festgestellt, dass die Menschen aus dem Norden Niedersachsens<br />
in Sachen Glück auf dem zweiten Platz liegen.<br />
Wir sind wesentlich zufriedener als der Bundesdurchschnitt.<br />
Unsere Glücksbringer sind Gesundheit, Partnerschaft<br />
und Freunde, aber übrigens nicht – das ist eine<br />
ganz interessante Feststellung – die Höhe des Gehalts.<br />
Die Untersuchung zeigt aber auch, was unglücklich<br />
macht, nämlich Arbeitslosigkeit. Die Lebenszufrieden-<br />
nach Sicherheit auf der einen Seite und dem Bedürfnis<br />
nach Flexibilität auf der anderen Seite abzuwägen. Der<br />
Gesetzgeber hat beiden Interessen Rechnung getragen;<br />
das war übrigens der rot-grüne Gesetzgeber. Wir erkennen<br />
an, meine Damen und Herren von der SPD und den<br />
Grünen, dass Sie die Regelung in der jetzigen Form geschaffen<br />
haben. Ihr erklärtes Ziel war damals, Beschäftigung<br />
zu fördern und Arbeitslosigkeit abzubauen. Dass<br />
Sie dieses Ziel erreicht haben, konstatieren wir Ihnen<br />
heute auch.<br />
heit von Arbeitslosen liegt weit unter der von Erwerbstä- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Jetzt wollen<br />
tigen; denn Arbeit hat für die Menschen einen unglaub-<br />
sie das nicht mehr!)<br />
lich hohen Stellenwert.<br />
Gerade die Erleichterungen bei der Befristung waren<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus und sind ein Beschäftigungsmotor am deutschen Ar-<br />
Barthel [SPD]: Vor allem befristet!)<br />
beitsmarkt.<br />
Arbeit ist – diese Erkenntnis hat sich auf der einen<br />
Seite des Plenums noch nicht durchgesetzt –<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr!)<br />
Meine Damen und Herren von der Opposition, leider<br />
wollen Sie heute nichts mehr davon wissen. Weil die<br />
Zahl der befristeten Arbeitsverträge angeblich drastisch<br />
steigt, möchten Sie diese künftig nur noch erlauben,<br />
mehr als eine Erwerbsquelle. Sie gibt Sinn, Würde und<br />
Anerkennung. Das wissen diejenigen, die außerhalb des<br />
Arbeitsmarktes stehen, aus bitterer Erfahrung. Deshalb<br />
müssten wir als Politiker und Gesetzgeber eigentlich alles<br />
dafür tun, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Die Anträge<br />
der Opposition hätten aber den gegenteiligen Ef-<br />
wenn es einen speziellen Grund für eine Befristung gibt.<br />
Das Dumme daran ist, dass diese Begründung nicht<br />
stimmt. Der Anteil der befristet Beschäftigten hat in den<br />
letzten Jahren allenfalls geringfügig zugenommen; der<br />
Kollege Blumenthal hat die Zahlen eben eindrucksvoll<br />
dargestellt.<br />
fekt, nämlich den Anstieg der Arbeitslosigkeit; denn Sie<br />
wollen die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.<br />
Es wäre schön, wenn Sie die Zahlen zur Kenntnis<br />
nehmen und Ihr Heil nicht in grundlosen Behauptungen<br />
(B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der FDP – Zuruf von der SPD: Das sieht die<br />
CDA aber anders!)<br />
suchen würden. Dann würden Sie nämlich erkennen,<br />
dass das sogenannte Normalarbeitsverhältnis keineswegs<br />
einer aussterbenden Gattung angehört und dass es<br />
keinen Beleg dafür gibt, dass die befristete Beschäfti-<br />
(D)<br />
Um nicht missverstanden zu werden: Sicherlich gung das normale Arbeitsverhältnis abgelöst hat.<br />
wünscht sich jeder von uns ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Als Abgeordneter<br />
wäre das geradezu traumhaft!)<br />
Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der<br />
unbefristeten Vollzeitjobs seit mehr als zehn Jahren bei<br />
Das gilt übrigens auch für die Mitarbeiter von Abgeord- rund 20 Millionen eingependelt. In demselben Zeitraum<br />
neten, Herr Rebmann. Sämtliche Mitarbeiter von Abge- ist aber die Zahl der Erwerbstätigen um 2,7 Millionen<br />
ordneten haben auf eine Legislaturperiode befristete Ar- angestiegen. Das heißt, es wurde nicht von normalen zu<br />
beitsverträge. Sie heiraten Gott sei Dank trotzdem, atypischen Jobs umgeschichtet, sondern es wurden zu-<br />
kaufen Autos und beziehen Wohnungen.<br />
sätzliche Arbeitsplätze geschaffen, auch dank befristeter<br />
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sachgrundlos,<br />
Frau Kollegin! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:<br />
Und zeugen Kinder!)<br />
Das ist auch gut so.<br />
Stellen.<br />
Befristete Stellen sind kein allgemeines Phänomen.<br />
Sie sind die Ausnahme, nicht die Regel. Neun von zehn<br />
Arbeitnehmern in Deutschland sind ohne Wenn und<br />
Aber beschäftigt. Wenn befristet wird, dann insbeson-<br />
Jeder wünscht sich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis,<br />
obzwar auch dieses durch Kündigungen beendet<br />
werden kann; aber es gibt das Gefühl größerer Sicherheit.<br />
Arbeitgeber sind allerdings zögerlich, sich von<br />
vornherein unbefristet zu binden. Gerade die letzte Finanzkrise<br />
hat gezeigt, wie schnell es notwendig werden<br />
kann, auf Schwankungen zu reagieren. Dafür brauchen<br />
die Betriebe flexible Instrumente wie die Befristung.<br />
dere in zwei Gruppen. Das eine sind die Berufseinsteiger.<br />
Vor allem junge Leute, die noch keine Berufserfahrung<br />
haben, bekommen häufig einen befristeten Vertrag.<br />
Hier steht natürlich die Bewährung im Mittelpunkt, genauso<br />
wie das Erwerben von Vertrauen. Aber diese<br />
Chance wird von den meisten genutzt. Nach einer aktuellen<br />
Erhebung des IW Köln werden 52 Prozent aller<br />
befristeten Arbeitsverträge in unbefristete umgewandelt,<br />
also jedes zweite Arbeitsverhältnis. Gerade jünge-<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ren Arbeitnehmern hilft das enorm. Das belegt der euro-<br />
der FDP)<br />
päische Vergleich. Deutschland hat die drittniedrigste