Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15457<br />
(A) – bei Lidl, bei der Telekom, bei der Bahn AG usw. – tenschutzgesetzes. Wie es Ihnen hier schon vielfach und (C)<br />
scheinen ein Umdenken bewirkt zu haben. Im Frühjahr zu Recht attestiert wurde: Von einem zeitgemäßen Ar-<br />
dieses Jahres hat die aktuelle Bundesregierung endlich beitnehmerdatenschutzgesetz ist bislang keine Spur.<br />
einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er wird zu Recht kriti- Auch im sonstigen Datenschutz ist diese Bundesregiesiert,<br />
auch von der Fraktion Die Linke.<br />
rung weiterhin blank.<br />
Drittens. Ich stelle deshalb noch einmal grundsätzlich<br />
klar: Datenschutz bedeutet nicht, rechtlich zu regeln, wie<br />
möglichst viele Daten legal erfasst werden dürfen. Datenschutz<br />
bedeutet im Gegenteil, von definierten Ausnahmen<br />
abgesehen, das Erfassen, Speichern, Verknüpfen<br />
und Weitergeben persönlicher Daten zu unterbinden. Daran<br />
gemessen ist der Regierungsentwurf ein Rückschritt.<br />
Das stößt nicht nur bei immer mehr Bürgerinnen und<br />
Bürgern auf Unsicherheit und Unverständnis. Inzwischen<br />
beklagen auch große Teile der Wirtschaft die Unfähigkeit<br />
dieser Regierung, Ihrer Verpflichtung als Gesetzgeber<br />
gerecht zu werden, und das völlig zu Recht.<br />
Denn Unternehmen und junge Firmen müssen wissen, in<br />
welchem Rechtsrahmen sie sich bewegen. Die Entwick-<br />
Viertens. Offene Videoüberwachung von Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmern könnte per Gesetz alltäglich<br />
werden. Heimliche Videoüberwachungen würden<br />
erleichtert. Auf das und mehr haben die Sachverständigen<br />
nahezu unisono hingewiesen. Nach Vorstellungen<br />
der CDU/CSU und der selbsternannten Bürgerrechtspartei<br />
FDP verkäme die Arbeitswelt endgültig zur Castingshow.<br />
Das darf nicht sein.<br />
lung, Ausbreitung und Qualität der IT-Technologie und<br />
des Internets in den letzten Jahrzehnten ist eine Revolution.<br />
Aber aufgrund Ihrer Arbeitsverweigerung hantieren<br />
wir noch immer mit einem Gesetz aus einer Zeit, als einfache<br />
Rechner noch riesig und sehr, sehr langsam waren.<br />
Mit den Formulierungen im Koalitionsvertrag zum Internet<br />
und zur Digitalisierung wollten Sie sich ein progressives<br />
Image geben. Was sie liefern ist analog und 1.0.<br />
Fünftens. Nun hat die SPD einen eigenen Antrag vor- Zum Arbeitnehmerdatenschutz: Wir wünschen uns<br />
gelegt, nach der Linken und nach den Grünen. Ich auch weiterhin eine eigenständige gesetzliche Regelung.<br />
wünschte, dass die Oppositionsfraktionen endlich ge- Sie wollen die Normen in ein Gesetz packen, dem sie<br />
meinsam auf hohe Datenschutzstandards für Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer drängten, und dies mit den<br />
berechtigten Forderungen der Gewerkschaften bündelt.<br />
Es ist spät, sehr spät oder, positiv formuliert:<br />
selbst im Koalitionsvertrag größte Unverständlichkeit<br />
bescheinigen. So oder so, ein Beschäftigtendatenschutzgesetz<br />
ist dringend erforderlich. Das bestätigen alle unabhängigen<br />
Fachleute, das war das Fazit des Skandal-<br />
Sechstens. Es ist höchste Zeit, zu handeln.<br />
jahrs 2008 – Skandale bei der Telekom, bei Lidl,<br />
Daimler usw. –, und das ist Ergebnis der Anhörung. Sie<br />
(B)<br />
hat klar ergeben: Eine Beschäftigtendatenschutzregelung<br />
schafft Klarheit in einem Umfeld, in dem Vertrauen die<br />
entscheidende Grundlage ist, auch im Hinblick auf die<br />
unübersichtliche Rechtsprechung. Wir brauchen dringend<br />
effektive Schutzmaßnahmen hinsichtlich ausufernder<br />
Datenerhebungen bei Bewerbern sowie ausufernder<br />
Datenverarbeitungen zu Zwecken der Verhaltenskontrolle<br />
in den Betrieben. Zudem brauchen wir ein verbessertes<br />
internes Kontrollsystem.<br />
(D)<br />
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN): „Ein moderner Datenschutz ist gerade in der heutigen<br />
Informationsgesellschaft von besonderer Bedeutung.<br />
Wir wollen ein hohes Datenschutzniveau …<br />
Hierzu werden wir das Bundesdatenschutzgesetz unter<br />
Berücksichtigung der europäischen Rechtsentwicklung<br />
lesbarer und verständlicher sowie zukunftsfest und technikneutral<br />
ausgestalten.“ Klingt gut. Könnte von uns<br />
sein. Oder gar vom Kollegen Wiefelspütz. Aber ich zitiere<br />
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und<br />
FDP. So steht es nämlich in Ihrem Koalitionsvertrag für<br />
die 17. Legislaturperiode mit dem Titel „Wachstum. Bildung.<br />
Zusammenhalt.“. In diesem Koalitionsvertrag<br />
steht auch, dass der Arbeitnehmerdatenschutz in einem<br />
eigenen Kapitel des Bundesdatenschutzgesetzes ausgestaltet<br />
werden wird. Über zwei Jahre später ist das alles –<br />
nichts. Es ist nicht das Papier wert, auf dem es steht.<br />
Sie haben großspurig angekündigt und dann nicht geliefert,<br />
wie in so vielen Bereichen, eben auch im Datenschutz.<br />
Wir hatten hier vor mehreren Monaten eine erste<br />
Lesung Ihres Gesetzes mit dünnen Eckpunkten, bei der<br />
die Kollegin Piltz gleich eine ellenlange Liste an Änderungen<br />
am eigenen Gesetzentwurf anmeldete. Und seither:<br />
Still ruht der See.<br />
Einige Herausforderungen im Bereich des Datenschutzes<br />
haben sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von<br />
CDU/CSU und FDP, ja im Koalitionsvertrag erkannt –<br />
immerhin. Dennoch haben sie bis heute nichts auf den<br />
Weg gebracht. Es gibt keine Stiftung Datenschutz, keine<br />
rote Linie und eben auch keine Reform des Bundesda-<br />
Zum Antrag der SPD: Der Antrag der SPD holt nun<br />
lediglich nach, was die SPD in ihrem eigenen Gesetzentwurf<br />
verschlafen hat. Dieser Entwurf kam noch aus dem<br />
Arbeitsministerium des ehemaligen Kollegen Scholz.<br />
Heute ist offensichtlich, dass der Entwurf seinerzeit offensichtlich<br />
nicht ansatzweise die Priorität bekam, die<br />
angemessen gewesen wäre. Heute stellt sich die Frage,<br />
was nun eigentlich vonseiten der SPD gilt: Der Entwurf<br />
des Kollegen Scholz oder der vorliegende Antragskatalog?<br />
Immerhin deckt sich der Antrag zu 75 Prozent mit<br />
dem Gesetzentwurf, den meine Fraktion und ich an dieser<br />
Stelle vor einigen Monaten vorgelegt haben. Zumindest<br />
die 75 Prozent sind gut. Richtig finden wir zum Beispiel<br />
die Klarstellung, dass die Beschäftigten das Recht<br />
haben, sich bei Rechtsverstößen direkt an Datenschutzbeauftragte<br />
wenden zu können. Dissens haben wir aber<br />
zum Beispiel bei der strikten Ablehnung des Konzernprivilegs.<br />
Zugegeben, es ist kompliziert, aber das schlichte<br />
Verbot hilft niemanden. Wer die Praxis kennt, der weiß,<br />
dass es sich um ein berechtigtes Anliegen der Arbeitge-