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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15491<br />

(A) soll ein Verhaltenskodex für den Umgang mit Flüchtlin- Mit erschütternder Regelmäßigkeit erreichen uns dra- (C)<br />

gen im Mittelmeer umgesetzt und kontrolliert werden, matische Nachrichten von Flüchtlingen, die auf dem<br />

wenn es in der Europäischen Gemeinschaft überhaupt Weg nach Europa im Mittelmeer Schiffbruch erleiden<br />

keine Koordinierung der Seenotrettung gibt?<br />

und umkommen. Die schwierige Situation in Nordafrika<br />

Es ist überhaupt keine Frage, dass die EU angesichts<br />

der Flüchtlinge aus Nordafrika vor sehr großen Herausforderungen<br />

steht. Einfache Antworten und Lösungen<br />

der Probleme wird es hier nicht geben. Aber es verbietet<br />

sich auch nur der Gedanke, potenzielle Flüchtlinge vor<br />

ihrem Weg nach Europa abzuschrecken, indem man unter<br />

anderem tatenlos zusieht, wie Tausende Menschen<br />

auf hoher See ertrinken.<br />

und die Hoffnung auf Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen<br />

Lage treibt viele Personen, besonders junge,<br />

dazu, eine von Strapazen gekennzeichnete Reise zu unternehmen,<br />

um von dort aus die Seereise in die EU anzutreten.<br />

Auf ihrem langen Weg sind diese Menschen oft<br />

korrupten Beamten ausgeliefert und müssen sich für den<br />

Transfer über das Meer nach Europa in die Hände von<br />

skrupellosen Menschenschleppern begeben. Um der<br />

Verhaftung zu entgehen, zwingen diese Schlepper die<br />

Gerade darum geht es in dem Antrag, den wir hier Flüchtlinge regelmäßig, noch vor Erreichen der europäi-<br />

einstimmig beschließen sollten. Es geht darum, alles uns schen Küste ins Meer zu springen und die restliche Stre-<br />

Mögliche in die Wege zu leiten, um das Sterben auf hocke zum rettenden Land schwimmend zurückzulegen.<br />

her See zu beenden. Dazu bedarf es einer Koordinierung Für viele Flüchtlinge endet diese letzte Etappe tödlich.<br />

der EU-Staaten bei der Seenotrettung, einer rechtlichen In anderen Fällen erweisen sich die Boote schon wäh-<br />

Regelung für Seenotrettende, einer finanziellen Unterrend Überfahrt als nicht seetüchtig, sodass die Menschen<br />

stützung für die EU-Mitgliedstaaten an den Seegrenzen, an Bord Schiffbruch erleiden.<br />

und schließlich brauchen wir dringend eine gemeinsame<br />

europäische Asylpolitik, um humanitäre Antworten auf<br />

die drängende Flüchtlingsfrage zu finden.<br />

Wir dürfen nicht außer Acht lassen: Kriminelle<br />

Schleuser locken Menschen aus Geldgier mit falschen<br />

Versprechungen nach Europa. Wir dürfen nicht die Au-<br />

Deshalb kann die Ablehnung des Antrages durch gen davor verschließen: Solche Schlepperbanden neh-<br />

CDU/CSU und FDP auf nichts anderes als Unverständmen sogar den Tod der Verschleppten auf See billigend<br />

nis stoßen, gerade auch weil die offiziellen Begründun- in Kauf. Wenn sich Menschen, durch falsche Verspregen<br />

für ihr Votum wenig zielführend sind. Ausschuss für chungen verlockt, selbst in Gefahr bringen, etwa auf<br />

Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Deutschen See, dann ist Seenotrettung zwar notwendig, aber keine<br />

<strong>Bundestag</strong> hätte die geschlossene Unterstützung eines Ursachenbekämpfung. Vielmehr muss sowohl in den<br />

solch genuin humanitären Antrags mit Forderungen an Herkunftsländern der Migranten als auch in der EU da-<br />

die Bundesregierung gut zu Gesicht gestanden.<br />

rauf hingewirkt werden, dass solche Tragödien gar nicht<br />

(B)<br />

erst stattfinden.<br />

(D)<br />

Serkan Tören (FDP): Das Parlament beschäftigt<br />

sich in der heute vorliegenden Beschlussempfehlung mit<br />

dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum<br />

Thema „Seenotrettung im Mittelmeer konsequent durchsetzen<br />

und verbessern“. In ihrem Antrag fordert die<br />

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung<br />

zu Folgendem auf: eine völkerrechtliche Pflicht zur Seenotrettung<br />

im Mittelmeerraum innerhalb der Europäischen<br />

Union konsequent durchzusetzen.<br />

Wenn das Thema nicht so ernst, so emotional bewegend<br />

und so sensibel wäre, könnte berechtigterweise gefragt<br />

werden, was Rot-Grün in den Jahren 1998 bis 2005<br />

im Bereich der Seenotrettung im Mittelmeer bewegt hat.<br />

Denn die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer gibt es<br />

ja nicht erst seit der Regierungsübernahme der christ-<br />

Nun zu dem Antrag: Im Großen und Ganzen lehnt die<br />

FDP-<strong>Bundestag</strong>sfraktion den Antrag der Fraktion Bündnis<br />

90/Die Grünen ab. Der Antrag enthält zwar einzelne<br />

Punkte, denen man zustimmen kann. Es gibt aber aus<br />

Sicht der Liberalen im Wesentlichen zu viele kritische<br />

Aspekte.<br />

Zum einen wird in dem Antrag verlangt, eine europarechtliche<br />

Regelung einzuführen, um Seenotrettende vor<br />

Strafverfolgung zu schützen. Dem ist entgegenzuhalten:<br />

Die Thematik der Seenotrettung ist völkerrechtlich geregelt.<br />

In europarechtlicher Hinsicht gehört die Seenotrettung<br />

nicht zu den vergemeinschafteten Bereichen. Hier<br />

ist nationales Handeln vorrangig. Ferner muss auch gefragt<br />

werden, wer hier geschützt wird.<br />

lich-liberalen Koalition im Jahr 2009, auch wenn die mi- Dies ist insofern ein großes Problem, als unklar ist,<br />

litärischen Handlungen in Libyen aus jüngster Zeit resul- wie zwischen Rettern und Schlepperbanden unterschietieren.<br />

Es war Bundesinnenminister Otto Schily, der den werden kann. Es besteht folgende Gefahr: Schlep-<br />

noch im Jahr 2004 unter Rot-Grün forderte: Wir brauperbanden nutzen eine derartige Vorschrift aus, um ihchen<br />

Auffanglager in Afrika. Er sagte: „Afrikas Prorem Geschäft ungestört nachgehen zu können. Es darf<br />

bleme müssen in Afrika gelöst werden.“ Wie zynisch keine Hintertür geöffnet werden, die den Menschen-<br />

und selbstgerecht ist es nun von den Grünen, die aktuelle händlern das Leben noch einfacher macht. Hier ist des-<br />

christlich-liberale Bundesregierung für das eigene Versahalb eine Einzelfallprüfung nötig, ob ein Straftatbestand<br />

gen von 1998 bis 2005 verantwortlich zu machen. vorliegt. Eine pauschale Regelung zur Straflosigkeit ist<br />

Jetzt in der Opposition, sehr geehrte Damen und Herren<br />

von den Grünen, fordern Sie lautstark Reformen bezüglich<br />

der Seenotrettung im Mittelmeer. In Ihren eige-<br />

aus unserer Sicht keine Lösung. Der Menschenhandel ist<br />

leider heutzutage noch profitabler geworden als der Drogenhandel.nen<br />

sieben Jahren Regierungszeit haben Sie in dieser Aus unserer Sicht muss die Politik weiterhin in der<br />

Hinsicht nichts getan und vollkommen versagt.<br />

Lage sein, im Einzelfall zwischen Flüchtlingen und kri-

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