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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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Dr. Peter Tauber<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15395<br />

(A) ihr gutes Recht. Wer arm ist, darf nicht noch bevormun- nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern (C)<br />

det werden.“<br />

können, auch Einkommen und Vermögen der Eltern oder<br />

Viel entschiedener abzulehnen ist die Art und Weise,<br />

mit der Ihr Vorschlag die sogenannten Patchworkfamilien<br />

privilegieren würde. Eine Nichtberücksichtigung<br />

des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender<br />

Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen.<br />

des Einkommens und Vermögens des neuen Partners ei- Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass<br />

nes Elternteils in einer Bedarfsgemeinschaft würde die Personen, die miteinander in einem Haushalt leben, ja<br />

nichteheliche Patchworkfamilie finanziell wesentlich „aus einem Topf“ wirtschaften und in jeder Lebenslage<br />

besser stellen als eine Kernfamilie oder eine eheliche füreinander einstehen. Daher ist es auch sachgerecht,<br />

Stieffamilie im Leistungsbezug des SGB II und SGB XII. Vermögen und Einkommen dieser Personen – unabhän-<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie an § 20 gig von der rechtlichen Konstruktion der Partner-<br />

SGB XII erinnern. Er besagt, dass Personen, die in eheschaft – zu berücksichtigen.<br />

ähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft<br />

leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des<br />

Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden<br />

dürfen als Ehegatten. Das bedeutet unter anderem, dass<br />

Einkommen und Vermögen des Partners in gleichem<br />

Dies sieht auch das Bundessozialgericht so; denn die<br />

Wahl der Lebensform „eheähnliche Gemeinschaft“ darf<br />

gegenüber der Lebensform „Ehe“ nicht zum Nachteil<br />

der Allgemeinheit gereichen.<br />

Umfang zu berücksichtigen sind wie Einkommen und Auch Ihr Vorwurf, meine sehr geehrten Damen und<br />

Vermögen eines Ehegatten.<br />

Herren von der Linken, der Rechtsanspruch des Kindes<br />

Vor der Änderung im SGB-II-Fortentwicklungsgesetz<br />

wurden verheiratete Partner gegenüber unverheirateten<br />

auf Gewährung eines Existenzminimums gegen den<br />

Staat sei nicht hinreichend gewahrt, geht ins Leere.<br />

Partnern schlechter gestellt. Mit der Änderung der Gro- So ist es zwar richtig, dass sich das Kind nach der geßen<br />

Koalition wurde daher klargestellt, dass – auch entsetzlichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II das<br />

sprechend der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers – Einkommen einer Person „entgegenhalten“ lassen<br />

Einkommen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft in bei- muss, gegen die es aber keinen direkten Anspruch auf<br />

den Fallgestaltungen auf den Bedarf eines nicht leibli- Unterhalt hat.<br />

chen Kindes anzurechnen sind. Damit würde die<br />

Schlechterstellung von Ehen gegenüber nichtehelichen<br />

Partnerschaften aufgelöst.<br />

Allerdings sieht das Bundessozialgericht den Rechtsanspruch<br />

des Kindes auf Gewährung des Existenzminimums<br />

gegen den Staat, Art. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1<br />

(B)<br />

Das Bundesverfassungsgericht wird über die vorliegende<br />

Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1083/09) in gewohnter<br />

Art und Weise entscheiden.<br />

Der Antrag der Fraktion Die Linke ist rückwärtsgewandt<br />

und daher abzulehnen.<br />

GG, als hinreichend gewahrt, da das Kind einen Unterhaltsanspruch<br />

gegen die Mutter bzw. den Vater aus der<br />

sogenannten Notgemeinschaft nach § 1603 Abs. 2 BGB<br />

hat, der auch ohne Berücksichtigung einer Selbstbehaltsgrenze<br />

zu erfüllen ist.<br />

Abschließend bleibt somit festzuhalten, dass die Konstruktion<br />

der Bedarfsgemeinschaft im SGB II und<br />

SGB XII, die sowohl für verheiratete als auch nichtverheiratete<br />

Paare gilt, absolut sachgerecht ist.<br />

Hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken,<br />

das Urteil des Bundessozialgerichts aufmerksam<br />

gelesen, dann hätten auch Sie festgestellt, dass Ihr Antrag<br />

dahingehend wenig zielführend ist.<br />

(D)<br />

Paul Lehrieder (CDU/CSU):<br />

Mit Ihrem Antrag „Existenzsicherung von Stiefkindern<br />

im Leistungsbezug des SGB II und des SGB XII garantieren“<br />

fordern Sie ein Gesetz, durch das eine Regelung<br />

in das SGB II und SGB XII eingeführt werden soll,<br />

wonach Einkommen und Vermögen der neuen Partner<br />

des Elternteils bei der Bedarfsermittlung des Kindes<br />

nicht zu berücksichtigen sind.<br />

Hierbei verkennen Sie jedoch schlichtweg, dass das<br />

Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13. November<br />

2008 ausdrücklich die bestehenden gesetzlichen Regelungen<br />

bestätigt und keine verfassungsrechtlichen Bedenken<br />

sieht.<br />

Oder möchten Sie allen Ernstes, liebe Kolleginnen<br />

und Kollegen der Linken, die Entscheidung des Bundessozialgerichts<br />

als oberstes Bundesgericht der Sozialgerichtsgerichtsbarkeit<br />

infrage stellen? Das kann doch<br />

nun wirklich nicht Ihr Ernst sein!<br />

Bei den seit Inkrafttretens des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II<br />

in der Fassung des Fortentwicklungsgesetzes bestehenden<br />

gesetzlichen Regelungen des SGB II und SGB XII<br />

sind bei Personen, die mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft<br />

leben und ihren Lebensunterhalt<br />

Angelika Krüger-Leißner (SPD):<br />

Der Antrag der Fraktion Die Linke, den wir heute beraten,<br />

wirft schwierige Rechtsfragen auf, und so leicht<br />

wie die Antragsteller kann man es sich nicht machen.<br />

Es geht um die Verfassungskonformität der Regelungen<br />

im SGB II und im SGB XII, die die Einkommens- und<br />

Vermögensanrechnung vorsehen, speziell bei Kindern in<br />

sogenannten Patchworkfamilien.<br />

Wir sprechen hier insbesondere von der Neufassung<br />

des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II durch das zum 1. August<br />

2006 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung der<br />

Grundsicherung für Arbeitsuchende, das Fortentwicklungsgesetz.<br />

So sieht § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II heute vor, dass bei<br />

unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder ei-<br />

Zu Protokoll gegebene Reden

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