Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15486 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) tertür offen lassen wollen. Möglicherweise wollen Sie Die Bundesregierung muss endlich begreifen, dass (C)<br />
Ihre Entscheidung noch einmal überdenken? Ich kann auch für sie gilt: Wer die Musik bestellt, muss zahlen.<br />
Ihnen versprechen, die Linke wird sehr genau hinschauen<br />
und darauf drängen, damit Sie Ihrer Verantwortung<br />
nachkommen.<br />
Sollte sich an dem Gesetzentwurf nichts ändern, wird<br />
meine Fraktion dieses Gesetz ablehnen. Es ist nicht nur<br />
mit großen Mängeln behaftet, es ist auch ein vergiftetes<br />
Geschenk an die Kommunen.<br />
Auch wenn sich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer<br />
nach dem krisenbedingten Einbruch insgesamt<br />
wieder erholen, gibt es keinen Grund zur Entwarnung.<br />
Die Entlastung der Kommunen – auch das sei an dieser<br />
Stelle gesagt –, die nur einem Teil der Kommunen zugutekommt,<br />
ist keine befriedigende Lösung. Die Kosten für<br />
die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung<br />
machen nur 10 Prozent der gesamten Sozialausgaben<br />
aus.<br />
Die Einführung eines Konnexitätsprinzips dürfte eigentlich<br />
in diesem Hause auf breite Zustimmung stoßen.<br />
Es ist nicht nur unsere Auffassung, auch Bündnis 90/Die<br />
Grünen und SPD erheben diese Forderung.<br />
Und selbst die FDP hatte in der letzten Wahlperiode<br />
immer wieder die Einführung eines Konnexitätsprinzips<br />
gefordert. Sie haben nicht nur einen Antrag zur Einführung<br />
eines Konnexitätsprinzips eingebracht, sondern<br />
auch jede sich bietende Möglichkeit genutzt, dies zu fordern.<br />
Insbesondere Frau Piltz hat zum Beispiel am<br />
29. August 2007 im Zusammenhang mit dem Kitaausbau<br />
erklärt: „Das Hickhack um die Finanzierung zeigt<br />
einmal mehr, dass es ein kapitaler Fehler war, im Rahmen<br />
der Föderalismusreform kein Konnexitätsprinzip im<br />
Grundgesetz zu verankern. Wenn sich bei einer gesamtgesellschaftlichen<br />
Aufgabe wie der Kindertagesbetreu-<br />
Das strukturelle Defizit wird nicht beseitigt. Und das<br />
Problem, dass Bund und Länder ständig neue Aufgaben<br />
auf die Kommunen übertragen und dafür nur unzureichend<br />
Mittel zur Verfügung stellen, wird auch nicht gelöst.ung<br />
eigentlich alle einig sind, dass etwas getan werden<br />
muss, ist es unverantwortlich, dass die Kostentragung<br />
nicht schnell und unkompliziert geklärt werden kann.<br />
Die FDP wird sich daher weiterhin für die Verankerung<br />
des Grundsatzes ‚Wer bestellt, bezahlt‘ im Grundgesetz<br />
einsetzen.“<br />
Der Bund kann zwar nicht mehr auf direktem Wege<br />
den Kommunen Aufgaben übertragen. Dieser Weg ist<br />
dem Bund seit der Föderalismusreform verwehrt. Aber<br />
Ich bin gespannt, wie die FDP sich zu unserem Antrag<br />
verhalten wird.<br />
(B)<br />
er hat die Möglichkeit, über die Länder den Kommunen<br />
neue Aufgaben zu übertragen und bereits übertragene<br />
Aufgaben qualitativ und quantitativ zu erweitern. Und<br />
davon macht er zur Genüge Gebrauch.<br />
Die Einführung eines Konnexitätsprinzips im Grundgesetz<br />
ist dringender denn je. Es schützt die Kommunen<br />
vor Mehrbelastungen und eröffnet ihnen die Möglichkeit,<br />
gegen den Bund – wenn erforderlich – auch gericht- (D)<br />
Ein aktuelles Beispiel: Am 26. September 2011 fand lich vorzugehen. Bisher können durch den Bund ausge-<br />
eine Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung löste Aufgabenübertragungen von den Kommunen nicht<br />
zur Stärkung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen<br />
statt. Das Anliegen des Gesetzes ist sicher zu be-<br />
auf dem direkten Rechtsweg angegriffen werden.<br />
grüßen. Was nicht zu begrüßen ist, ist, dass wieder einmal<br />
versucht wird, neue Aufgaben über die Länder auf<br />
die Kommunen zu übertragen bzw. bestehende zu erweitern,<br />
ohne sie auskömmlich zu finanzieren. Die Kommunen<br />
erhalten dafür nicht die Mittel, die notwendig wären,<br />
um die Aufgaben in der entsprechenden Qualität zu erfüllen.<br />
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Wir diskutieren heute einen Gesetzentwurf, mit dem die<br />
Bundesbeteiligung an der Grundsicherung im Alter und<br />
bei Erwerbsunfähigkeit neu geregelt werden soll. Diese<br />
finanzielle Unterstützung seitens des Bundes ist bereits<br />
im Februar im Zuge des Hartz-IV-Kompromisses vereinbart<br />
worden. Sie ist für die strukturell unterfinanzierten<br />
Ich zitiere aus der Stellungnahme der kommunalen Kommunen eine dringend notwendige Maßnahme, wer-<br />
Spitzenverbände zum Gesetzentwurf: „Der vorliegende den doch ausweislich des Gemeindefinanzberichtes die<br />
Gesetzentwurf beinhaltet … einige ganz wesentliche Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen allein<br />
Aufgabenverdichtungen und ebenso einige ganz grund- in diesem Jahr von 42 Milliarden Euro auf 45 Milliarden<br />
sätzliche neue Aufgaben der Jugendhilfe. Hierzu erfolgt Euro steigen. Zehn Jahre zuvor waren es noch 26 Mil-<br />
eine nicht nachvollziehbare Kosteneinschätzung seitens liarden Euro. Die Kostenentwicklung bei den sozialen<br />
des BMFSFJ, dessen Auskömmlichkeit vor dem Hinter- Pflichtleistungen ist mithin dramatisch.<br />
grund des Umfangs der mit dem Gesetzentwurf verbundenen<br />
Aufgaben grundlegend bezweifelt wird. … Neben<br />
der Auskömmlichkeit dieser Mittel steht hier zu befürchten,<br />
dass nach Auslaufen der befristeten Bundesfinanzierung<br />
eine kommunale Verstetigung erwartet wird.“<br />
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Union<br />
und FDP, sind im Februar durch die Lande gezogen und<br />
haben den Kommunen eine Entlastung von rund 4 Milliarden<br />
Euro ab dem Jahr 2014 versprochen. Dabei haben<br />
Sie nicht erwähnt, dass Sie von den Kommunen im<br />
Weitere Beispiele sind: Änderungen im Vormund- Gegenzug verlangen, dass sie ab diesem Jahr auch das<br />
schafts- und Betreuungsrecht, im Eichwesen, die Einfüh- im Hartz-IV-Kompromiss vereinbarte Hortessen und die<br />
rung des elektronischen Aufenthaltstitels und die Ein- Ausgaben für die Einstellung von 3 000 Schulsozialarführung<br />
des elektronischen Personalausweises haben zur beiterinnen und -arbeitern finanzieren sollen. Jedenfalls<br />
Erweiterung der Aufgaben geführt, ohne dass die dafür versuchen Sie nun, im Gesetzentwurf durch die Hinter-<br />
notwendigen Mittel bereitgestellt worden wären. tür eine Zweckbindung zu erreichen, indem Sie in der