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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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15420 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />

(A) 2010 – vor der ich bereits damals gewarnt habe – als ge- Mit diesen Instrumentarien wird nun auch offensicht- (C)<br />

scheitert anzusehen:<br />

lich versucht, den Sündenfall der Degradierung der EZB<br />

Mit der Einrichtung der Zweckgesellschaft EFSF nur<br />

einige Tage nach der Bewilligung des ersten Griechenlandpaketes<br />

in Höhe von 110 Milliarden Euro verband<br />

sich die Hoffnung, dass durch eine Gesamtgarantie von<br />

440 Milliarden Euro seitens der Euro-Länder ein Instrumentarium<br />

geschaffen worden sei, dass alleine durch<br />

seine Existenz die weitere Spekulation auf Zahlungsausfälle<br />

überschuldeter Euro-Staaten eindämmen könnte<br />

und die notwendige Zeit zu strukturellen Anpassungen<br />

und haushälterischen Sparbemühungen schenken würde.<br />

Von einer Beruhigung der Finanzmärkte kann indes<br />

keine Rede sein, im Gegenteil: Ein Jahr später stehen<br />

nicht nur Portugal und Irland vor langjährigen und tief<br />

greifenden Anpassungsprozessen, deren Ausgang und<br />

zu einer Bad Bank vergessen zu machen: Die eigentlich<br />

der Geldwertstabilität verpflichtete EZB ist inzwischen<br />

mit 143 Milliarden Euro direkt in Staatsanleihen der<br />

Euro-Peripherie investiert, wobei pro Woche zwischen<br />

10 und 15 Milliarden Euro in Stabilisierungskäufe für<br />

ITA- und ESP-Bonds hinzukommen. Selbst wenn diese<br />

ökonomisch falsche Maßnahme nun seitens der ESFS<br />

fortgeführt wird, ist eine Erschöpfung des Ausleihvolumens<br />

innerhalb des nächsten halben Jahres absehbar.<br />

Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der<br />

eingeschlagene Weg mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder<br />

zu einer Erweiterung des Garantierahmens führen<br />

muss oder zu einer fortgesetzten Umwidmung der EZB<br />

zum Finanzierungsinstrument für die Euro-Peripherie.<br />

Erfolg angesichts der weltweiten Wirtschaftssituation Die Pervertierung ihrer eigentlichen Aufgabe und die<br />

sowie der makroökonomischen und strukturellen Grund- Leichtigkeit, mit der offensichtlich die stabilitätsorienlagen<br />

der Länder selbst höchst fragwürdig ist. Die Austierten Vertreter im EZB-Rat überstimmt werden, ohne<br />

weitung des Garantierahmens ist nun auch bereits vor die nötige politische Rückendeckung zu erhalten, hat zu<br />

der Zuspitzung der wirtschaftlichen Situation der Ban- einem irreparablen Verlust des Vertrauens in die Unabken<br />

in Frankreich, der berechtigten Herabstufung der hängigkeit der Notenbank geführt, vor dessen Folgen ich<br />

Bonität Italiens sowie den Zweifeln an einer mittelfristi- gewarnt habe und weiter warnen werde. Ich lehne es entgen<br />

Verbesserung der Wirtschaftslage in Spanien zu seschieden ab, die Refinanzierungsprobleme einzelner<br />

hen.<br />

Staaten durch eine Aufhebung der Geldwertstabilität lö-<br />

Auch rächt es sich, dass seit über einem Jahr die<br />

sen zu wollen.<br />

(B)<br />

unvermeidbare Insolvenz Griechenlands gegen alle Ratschläge<br />

ignoriert und durch Milliardenbürgschaften verschleppt<br />

wurde. Das neue Rettungspaket für Griechenland<br />

in Höhe von 109 Milliarden Euro reduziert bereits<br />

das effektive Ausleihvolumen der EFSF auf circa<br />

280 Milliarden Euro. Es ist schon jetzt absehbar, dass jede<br />

weitere und naheliegende Zuspitzung der Schuldenkrise<br />

– etwa ihre Ausweitung auf Italien, Spanien oder gar<br />

Frankreich – weder durch die EFSF-Konstruktion noch<br />

überhaupt durch eine Erhöhung des Garantierahmens<br />

durch Länder mit AAA-Bonität zu beherrschen ist.<br />

Überdies hegte man die Hoffnung, durch Kredittransfers<br />

in sogenannten Ultima-Ratio-Fällen einerseits Zeit<br />

zur Konsolidierung gewinnen zu können, andererseits<br />

aber die notwendige Disziplinierung der Schuldenstaaten<br />

durch Zinsaufschläge am freien Kapitalmarkt nicht<br />

Den Vertretern unseres Landes im EZB-Rat, die sich<br />

bis zuletzt gegen die Bad-Bank-Politik gewehrt haben<br />

und verständlicherweise ihre persönlichen Konsequenzen<br />

gezogen haben, gilt mein Respekt und mein Dank<br />

für ihre Bereitschaft, zu ihren richtigen Überzeugungen<br />

zu stehen.<br />

Auch mit der EFSF-Neufassung wird es nicht gelingen,<br />

verlorenes Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit<br />

aller Euro-Staaten zurückzugewinnen. Zu Recht gehen<br />

Investoren nicht davon aus, dass durch eine Mischung<br />

aus rezessiven Mitteln – massive Ausgabenkürzungen<br />

und Einnahmeerhöhungen – und Kredittransfers auch<br />

nur annähernd die zur Schuldenreduktion benötigte wirtschaftliche<br />

Dynamik generierbar sein könnte. Diese Bewertung<br />

teile ich uneingeschränkt.<br />

(D)<br />

völlig zu suspendieren. Dies ist offenkundig gescheitert, Dieser Weg erweist sich immer deutlicher als hoch<br />

wie die neuen Instrumentarien der EFSF eindrucksvoll riskant und zur Krisenbewältigung ungeeignet. Die von<br />

belegen: Jede Kompetenzerweiterung der EFSF in der uns immer wieder angeregten Alternativen, (Teil-)Reka-<br />

vorgelegten Fassung ist dazu angetan, die diszipliniepitalisierungen von Finanzinstituten, Schuldenschnitte,<br />

rende Wirkung durch die Kapitalmärkte selbst weiter zu direkte Verhandlungen zwischen Gläubigern und<br />

schwächen bzw. restlos auszuhebeln: Niedrigere Zins- Schuldner, werden indes weiter ignoriert.<br />

sätze und längere Laufzeiten für GRE, POR und IRL<br />

entlasten weiter von unvermeidlichen Restrukturierungen<br />

der Volkswirtschaften bzw. verzögern die griechische<br />

Schuldenagonie weiter. Anleihenkäufe durch die<br />

Aus diesen Gründen kann ich mich dem Mehrheitsvotum<br />

der Fraktion nicht anschließen.<br />

EFSF auf dem Primär- und Sekundärmarkt entkoppeln Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Ich will deutlich<br />

die Kreditaufnahme der Schuldenländer nahezu beliebig machen, dass ich hinsichtlich der Entscheidungsfindung<br />

von den Bewertungen der Kapitalmärkte selbst und la- in dieser Frage sehr mit mir gerungen habe. Warum?<br />

den dazu ein, die Schuldenspirale weiter zu überdehnen. Aus meiner Sicht mangelt es derzeit an Klarheit darüber,<br />

Die Möglichkeit des Aufkaufs ohne vorherige Integra- in welche Richtung Europa, insbesondere die Eurotion<br />

des entsprechenden Landes in ein Hilfsprogramm Zone, sich weiterentwickeln soll und wird. Wie wird das<br />

führt die angestrebte Konditionalität der Hilfsmaßnah- Europa von morgen aussehen? Meine Überzeugung, insmen<br />

ebenso ad absurdum wie die Möglichkeit des präbesondere mit Blick auf die Euro-Zone, lautet: Wir brauventiven<br />

Gebrauchs der Mittel.<br />

chen einen neuen institutionellen Rahmen. Wir müssen

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