Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15268 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Sebastian Blumenthal<br />
laufe der Karriereweg der Politiker der Koalition folgen- der Linken zurück, und zwar auf die öffentlich geför- (C)<br />
dermaßen: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal.<br />
derte Beschäftigung. An dieser Stelle schließt sich dann<br />
(Stefan Rebmann [SPD]: Der eine oder andere!)<br />
der Kreis. Die Linke scheint hier die Auffassung zu vertreten,<br />
dass eine befristete Beschäftigung immer noch<br />
besser ist als Arbeitslosigkeit; das haben die eigenen Ex-<br />
Da kann ich Ihnen Folgendes empfehlen: Schauen Sie perten hier vorgestellt. Früher und eben galt das in der<br />
sich im Abgeordnetenhandbuch einmal die Berufswege Debatte noch als neoliberal. Jetzt ist das linke Arbeits-<br />
von uns Kollegen an. Sie werden feststellen: Der Anteil marktpolitik. So schnell ändern sich die Zeiten.<br />
derjenigen, die mit Berufserfahrung in den <strong>Bundestag</strong><br />
eingezogen sind, ist bei uns prozentual höher als in Ihrer<br />
eigenen Fraktion. Bitte seien Sie mit solchen Vorwürfen<br />
vorsichtig. Sie können davon ausgehen: Auch ich habe<br />
schon ein Arbeitsamt von innen gesehen. Ich habe eine<br />
Berufsausbildung gemacht, studiert und acht Jahre in der<br />
Wirtschaft gearbeitet. Es ist nicht so, dass sich hier nur<br />
Leute ans Pult stellen, die nicht wissen, worüber sie reden,<br />
auch wenn Sie uns diesen Vorwurf immer machen.<br />
Daneben gibt es noch weitere Gründe, warum wir die<br />
hier vorliegenden Anträge ablehnen. In zahlreichen Beispielen<br />
können wir erleben, dass die Tarifparteien sehr<br />
umsichtig und verantwortungsbewusst mit dem Instrument<br />
der sachgrundlosen Befristung umgehen. Während<br />
der Finanz- und anschließenden Wirtschaftskrise zum<br />
Beispiel haben viele Gewerkschaften zusammen mit Arbeitgebern<br />
solche Regelungen getroffen. Neben dem Instrument<br />
der Kurzarbeit war auch das Instrument der be-<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) fristeten Beschäftigung eine Möglichkeit, die Menschen<br />
Zurück zum Thema. Wir haben heute eine ganze<br />
Reihe von Zahlen und viel Zahlenmaterial zu Gehör be-<br />
in Arbeit zu halten und Arbeitsplätze zu sichern. Das<br />
sollten Sie nicht außer Acht lassen.<br />
kommen. Dabei ging es meistens um das IAB und des-<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
sen Zahlen, wonach jede zweite Neueinstellung befristet<br />
erfolgt. Um das Zahlenmaterial in der Ganzheit zu bewerten,<br />
kann ich empfehlen, eine Langzeitbetrachtung<br />
vorzunehmen. Zum Beispiel lag nach einer Erhebung<br />
der IG Metall der Anteil der Neueinstellungen mit Be-<br />
Ein weiteres Beispiel aus meinem Bundesland<br />
Schleswig-Holstein will ich exemplarisch erwähnen.<br />
Der Kollege Wadephul wird zustimmen: Schleswig-Holstein<br />
ist für vieles exemplarisch.<br />
fristung im Jahre 1986 bei knapp 50 Prozent; im Jahre (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ja!)<br />
(B)<br />
2000 waren es nach Angaben der IG Metall zwei Drittel<br />
der Neueinstellungen, während wir aktuell wieder eine<br />
Quote von 50 Prozent erreichen. Dies ist also deutlich<br />
niedriger als im Jahr 2000.<br />
(Klaus Barthel [SPD]: Immer noch zu viel!)<br />
In diesem konkreten Fall hat Verdi Nord im Februar<br />
2011 bei den Tarifverhandlungen mit einem Logistikdienstleister<br />
im Lübecker Hafen vereinbart, sachgrundlose<br />
Befristungen per Tarifvertrag auf zwölf Monate zu<br />
begrenzen.<br />
(D)<br />
Jetzt hieraus kurzfristig eine schlechte Tendenz abzuleiten,<br />
kann mit Sicherheit nicht zielführend sein.<br />
Bitte vertrauen Sie ein bisschen mehr auf die Tarifautonomie<br />
und das kluge Handeln der Tarifpartner. Das<br />
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der<br />
CDU/CSU)<br />
sage ich bewusst in Richtung Rot-Rot-Grün. Sie unterstellen<br />
uns auf Koalitionsseite immer, wir wollten diese<br />
aushöhlen. Das Gegenteil ist der Fall, wie ich gerade<br />
Ebenso wie das IAB hat sich zum Beispiel auch die ausgeführt habe. Insofern werden wir auch die vorlie-<br />
gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer genden Anträge ablehnen.<br />
Reihe von Studien mit dem Thema befristete Beschäftigungsverhältnisse<br />
befasst. Diese Stiftung gehört nicht zu<br />
Ich danke für die Aufmerksamkeit.<br />
denen, die uns etwas ins Programm schreiben, sondern<br />
ist in den Reihen von Rot-Rot-Grün bekannter. In einer<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />
Studie kommt man zu folgenden Erkenntnissen: Es<br />
wurde festgestellt, dass die Ausweitung der befristeten<br />
Beschäftigung, vor allem in den neuen Bundesländern,<br />
durch den hohen Anteil öffentlich geförderter Beschäftigung<br />
geprägt ist. Damit kommen die Experten der Böckler-Stiftung<br />
zu der Schlussfolgerung – ich zitiere –:<br />
Vizepräsident Eduard Oswald:<br />
Vielen Dank, Herr Kollege Blumenthal. – Jetzt<br />
spricht für die Fraktion der CDU/CSU unsere Kollegin<br />
Frau Gitta Connemann. Bitte schön, Frau Kollegin<br />
Connemann.<br />
Zusammenfassend lässt sich keine dramatische<br />
Ausbreitung der befristeten Arbeitsverträge zur<br />
Substitution von unbefristeten Verträgen erkennen,<br />
wenn man den Einfluss arbeitsmarktpolitischer<br />
Gitta Connemann (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin<br />
tatsächlich ein glücklicher Mensch.<br />
Maßnahmen berücksichtigt.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!)<br />
der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr<br />
gut! Endlich mal jemand, der es zugibt!)<br />
Das ist der O-Ton Ihrer eigenen Experten.<br />
Daran können weder einige der Reden am heutigen Tage<br />
Die Ausweitung der befristeten Beschäftigung geht noch die Kaspereien während der Debatte etwas ändern,<br />
also zu einem großen Anteil auf das Lieblingsinstrument die Ihnen vermeintlich wichtig war, aber nicht wichtig