Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15437<br />
(A) und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederherbank wiederherzustellen, indem der Ankauf von Staats- (C)<br />
zustellen.anleihen<br />
beendet wird. Schließlich ist das Verbot der<br />
Die Solidarität mit unseren europäischen Partnern<br />
stelle ich daher nicht infrage. Doch Hilfe darf nicht gren-<br />
Schuldenübernahme aufrechtzuerhalten, indem eine Restrukturierung<br />
überschuldeter Staaten ermöglicht wird.<br />
zenlos gewährt werden. Sie muss zum Ziel haben, dass<br />
ein verschuldeter Mitgliedstaat der Euro-Zone zu einer<br />
eigenverantwortlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik<br />
zurückfindet. Handeln und Haften müssen wieder zusammengeführt<br />
werden. Werden Finanzhilfen unter Konditionen<br />
vergeben, dann darf es nicht folgenlos bleiben,<br />
wenn vereinbarte Sanierungsziele nicht erreicht werden.<br />
Hier darf die Grenze von temporären Liquiditätshilfen zu<br />
dauerhaften Transferleistungen nicht überschritten werden.<br />
Andernfalls würde ein europäischer Finanzausgleich<br />
geschaffen, der keinerlei Anreiz zur Lösung der<br />
Staatsschuldenkrise böte. Stattdessen würde die Verschuldung<br />
noch vergrößert und auf andere Euro-Staaten<br />
sowie nachfolgende Generationen abgewälzt.<br />
Ein Sanierungsverfahren für überschuldete Staaten ist<br />
unverzichtbar, um die Gewährung von Finanzhilfen zu<br />
begrenzen und eine Überforderung der Geberländer zu<br />
vermeiden. Gerade wer vor den Ansteckungsgefahren eines<br />
unkontrollierten Zahlungsausfalls warnt, muss ein<br />
Verfahren kontrollierter Sanierung schaffen, das rechtzeitig<br />
vor einem Zahlungsausfall eingeleitet werden kann.<br />
Ein solches Sanierungsverfahren muss einen Schuldenschnitt<br />
einschließlich der zwingenden Haftung aller Gläubiger<br />
für die von ihnen bewusst eingegangenen Risiken,<br />
die Rekapitalisierung von Banken und ein Programm für<br />
den Wiederaufbau beinhalten. Die Feststellung mangelnder<br />
Schuldentragfähigkeit ist ohne politisches Ermessen<br />
ausschließlich anhand objektiv nachprüfbarer Kriterien<br />
Der Konstruktionsfehler der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität<br />
liegt darin, dass dieser Rettungsschirm<br />
einseitig auf die Gewährung von Finanzhilfen<br />
ausgerichtet ist. Solange aber die politische Zielsetzung<br />
aufrechterhalten bleibt, den Zahlungsausfall eines Euro-<br />
Mitglieds unter allen Umständen zu vermeiden, wird In-<br />
zu treffen. Schließlich muss im Rahmen dieses Sanierungsverfahrens<br />
– gewissermaßen als letzter denkbarer<br />
Schritt zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit –<br />
die Mitgliedschaft des überschuldeten Staates in der<br />
Euro-Zone zeitweise ausgesetzt werden können, um diesem<br />
eine Abwertung zu ermöglichen.<br />
vestoren die Möglichkeit eröffnet, weiter gegen einzelne<br />
Staaten der Euro-Zone zu wetten, weil das Risiko solcher<br />
Wetten die Steuerzahler tragen. Der Rettungsschirm<br />
setzt damit eine Ursache für spekulative Attacken gegen<br />
Euro-Staaten.<br />
Ich bin mir darüber im Klaren, dass eine solche Vorgehensweise<br />
nicht nur die sofortige Realisierung von Verlusten<br />
mit sich bringt, sondern zusätzlich den Einsatz erheblicher<br />
finanzieller Mittel erfordert. Doch nachdem es<br />
eine günstige Lösung ohnehin nicht gibt, ist die schiere<br />
Das Kalkül solcher Investoren muss gezielt durch- Größe der Garantiesumme und des Ausleihvolumens des<br />
(B) kreuzt werden, damit die Staaten nicht zum Spielball der<br />
Finanzmärkte werden. Andernfalls droht der Dominoeffekt,<br />
dass immer mehr Mitglieder der Euro-Zone unter<br />
den Rettungsschirm flüchten müssen – und wegen der<br />
niedrigeren Kreditzinsen auch flüchten wollen. Im Gegenzug<br />
setzen die Geberländer – und in letzter Konsequenz<br />
die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität<br />
Rettungsschirms sowie des deutschen Haftungsanteils<br />
zwar von hoher Bedeutung, aber nicht entscheidend.<br />
Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Bemühungen<br />
zur Stabilisierung des Euro – wenn sie denn<br />
schon enorme Anstrengungen erfordern – tatsächlich<br />
greifen und nicht erneut von der Wirklichkeit überholt<br />
werden.<br />
(D)<br />
selbst – ihre eigene Bonität aufs Spiel. Der politische<br />
Preis dieses „Euro-Rettungswesens“ wird sehr hoch sein:<br />
Die Empfängerländer werden auf Jahre hinaus ihre politische<br />
Handlungsfreiheit weitgehend verlieren. Den Geberländern<br />
droht die finanzielle Überforderung.<br />
Eine nachhaltige Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise<br />
erfordert Solidarität unter allen Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union, namentlich unter den<br />
Mitgliedern der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.<br />
Notmaßnahmen dürfen jedoch nicht die Ret-<br />
Die Staaten der Europäischen Wirtschafts- und Wähter selbst in Not bringen, sondern müssen Hilfe zur<br />
rungsunion müssen ihre Gestaltungshoheit wahrnehmen Selbsthilfe bleiben. Die verschuldeten Staaten müssen<br />
und ihre Handlungsfähigkeit wiedergewinnen. Das erfor- mit vereinten Kräften in die Lage versetzt werden, zu eidert<br />
zum Einen eine Regulierung der Finanzmärkte, die genverantwortlichem Handeln zurückzukehren. Die vor-<br />
deren dienende Funktion für die volkswirtschaftliche geschlagene Erweiterung und Aufstockung der Europäi-<br />
Wertschöpfung zum Tragen bringt. Zum anderen müssen schen Finanzstabilisierungsfazilität geht darüber weit<br />
Leistungsbilanzdefizite innerhalb der Euro-Zone redu- hinaus, weil sie keine wirksame Begrenzung von Finanzziert<br />
werden, indem die nationalen Haushalte entschuldet hilfen ermöglicht, sondern Anreize zur Sozialisierung<br />
und wettbewerbsfähige Wirtschafts- und Verwaltungs- privater Verluste und zur Vergemeinschaftung nationaler<br />
strukturen geschaffen werden.<br />
Schulden setzt. Dies kann ich nicht mitverantworten. Die<br />
Ziel muss es sein, unter den Euro-Staaten eine gemeinsame<br />
Stabilitätskultur zu entwickeln, die im Vertrag von<br />
Maastricht angelegt ist, zu der bislang aber der politische<br />
Wille gefehlt hat. Dazu gehört die Reform des Stabilitätsund<br />
Wachstumspakts mit früheren und schärferen Sank-<br />
wirtschafts- und finanzpolitische Handlungsfähigkeit der<br />
verschuldeten Staaten muss wiederhergestellt werden,<br />
wenn die Stabilität des Euro dauerhaft erhalten bleiben<br />
soll.<br />
tionen bei Regelverstößen, deren Ahndung allerdings Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜpolitischem<br />
Ermessen entzogen werden muss. Des Wei- NEN): Dem Gesetz, mit dem für Notmaßnahmen zuteren<br />
ist die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralgunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungs-