Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15379<br />
(A)<br />
Burkhard Lischka<br />
nen guten Interessenausgleich selbst vereinbaren könsagt, das ist heute schon so. Vielleicht ist es vor diesem (C)<br />
nen.<br />
Hintergrund aber ganz gut, dass die Fallzahlen vor den<br />
Wenn aber große Unternehmen ihre Streitigkeiten privat<br />
schlichten, wollen wir den privaten Schiedsgerichten<br />
Kammern für Handelssachen seit Jahren sinken, sodass<br />
keine Überforderung stattfindet.<br />
offenbar Konkurrenz machen. Wozu? Gibt es einen<br />
Schrei der Wirtschaft nach der staatlichen Gerichtsbarkeit?<br />
Gibt es Beschwerden von großen Unternehmen,<br />
weil sie zu privaten Schiedsgerichten gezwungen werden?<br />
Mir wäre das nicht bekannt. Ich vermute, dass dafür<br />
kein echter Bedarf besteht.<br />
Ich halte es aber für insgesamt sehr kühn, wenn die<br />
Bundesländer diese Verfahren gezielt und in großen<br />
Fallzahlen an unsere Gerichte ziehen wollen. Wäre es<br />
nicht wichtiger, dass wir für den ganz normalen Bürger,<br />
für unseren Mittelstand und unsere Handwerksbetriebe<br />
schnellere Gerichtsverfahren gewährleisten könnten<br />
Denn die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit<br />
hat einige Vorteile, die die staatlichen Gerichte so<br />
nicht bieten können und auch nicht unbedingt bieten<br />
und hierfür die Richterkapazitäten verstärken würden?<br />
Die Beschwerden über die langen Verfahrensdauern<br />
kennen wir alle.<br />
wollen. Ich will sie nur kurz aufzählen: Die Beteiligten<br />
können sich das anwendbare materielle Recht aussuchen<br />
und sich auch auf private Regelwerke verständigen.<br />
Die Beteiligten können sich ihre Schiedsrichter<br />
aussuchen. Sie können sich darüber verständigen, ob sie<br />
einen oder mehrere Schiedsrichter brauchen. Sie können<br />
den Ort des Schiedsverfahrens bestimmen. Das Schieds-<br />
Fazit: Meine Skepsis ist da. Wir werden aber alle Argumente<br />
wägen und sicher auch berücksichtigen, dass<br />
die Länder ja nur eine Experimentierklausel wollen.<br />
Vielleicht sollten wir sie am Experimentieren nicht hindern.<br />
Ich freue mich jedenfalls auf weiterführende und<br />
interessante Beratungen.<br />
verfahren geht schnell. Es gibt nur eine Instanz. Die Verfahren<br />
sind nicht öffentlich und damit diskret.<br />
Marco Buschmann (FDP):<br />
Alles das können die staatlichen Gerichte entweder<br />
gar nicht oder nicht vollständig oder nur mit erheblichem<br />
Aufwand bieten. Warum sollten wir diesen Aufwand<br />
betreiben, obwohl die Dienstleistung gar nicht benötigt<br />
wird?<br />
Wir debattieren heute über einen vom Bundesrat eingebrachten<br />
Gesetzentwurf zur Einführung von Kammern<br />
für internationale Handelssachen. Lassen Sie mich<br />
kurz einführen, warum ich es als wichtig erachte, diesen<br />
Gesetzentwurf hier im Deutschen <strong>Bundestag</strong> zu diskutieren.<br />
(B)<br />
Aber unterstellt, es wäre für unsere Unternehmen<br />
ein Vorteil, wenn sich internationale Vertragspartner in<br />
Zukunft vermehrt auf deutsches Recht oder zumindest<br />
auf den Gerichtsstandort Deutschland verständigen<br />
würden – was wäre der Preis dafür, dass uns das überhaupt<br />
gelingen könnte?<br />
In einer globalisierten Handelswelt begegnen wir<br />
dem Wettbewerb nicht nur auf rein ökonomischer Ebene.<br />
Ebenso muss sich unser Rechtssystem im Vergleich zu<br />
anderen Rechtskreisen behaupten. Insbesondere in der<br />
internationalen Geschäftswelt ist das angelsächsische<br />
Recht auf dem Vormarsch.<br />
(D)<br />
Ich sage, das wird teuer. Wer eine echte Konkurrenz<br />
zur privaten Schiedsgerichtsbarkeit aufbauen will, der<br />
muss dies konsequent, exzellent, langfristig und verlässlich<br />
tun. Das ist harte Arbeit.<br />
Zur Konsequenz würde zum Beispiel gehören, dass<br />
der Instanzenzug durchgängig bis zum Bundesgerichtshof<br />
in englischer Sprache durchgezogen werden kann.<br />
Der Entwurf möchte für den BGH nur als Kannbestimmung<br />
die englische Verhandlungsführung ermöglichen.<br />
Das wäre ein merkwürdiger Bruch im Angebot.<br />
Das liegt nicht an der Überlegenheit des Common<br />
Law. Vielmehr herrscht in der juristischen Fachwelt die<br />
Auffassung vor, dass das deutsche Recht im internationalen<br />
Vergleich einen sehr hohen Qualitätsstandard für<br />
sich beanspruchen kann. Dieser hohe Qualitätsstandard<br />
setzt sich in der Rechtspflege fort; deutsche Gerichtsverfahren<br />
führen in der Regel schnell und mit vergleichsweise<br />
niedrigen Kosten zu einem für die Rechtsuchenden<br />
befriedigenden Ergebnis. Somit eignen sich nicht nur<br />
unsere Waren als Exportschlager. Auch unser Rechtssys-<br />
Mit ein paar guten internationalen Handelskammern tem könnte einer werden.<br />
an einigen Landgerichten und entsprechenden Senaten<br />
bei den Oberlandesgerichten wäre es ebenfalls nicht getan.<br />
Diese Spruchkörper müssten personell so gut ausgestattet<br />
sein, dass sie wirklich alle Verfahren schnell<br />
erledigen können. Es müssten genügend Richterinnen<br />
Jedoch ist das deutsche Recht im Vergleich zum Common<br />
Law einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Unser<br />
Rechtskreis könnte durch Abbau dieses Wettbewerbsnachteils<br />
attraktiver werden.<br />
und Richter beschäftigt werden, die sich dieser Aufgabe Der angelsächsische Rechtskreis spielt bislang den<br />
widmen, und sie müssten nicht nur sprachlich gewandt Vorteil der englischen Sprache als internationale Han-<br />
sein, sondern auch ständig fachlich qualifiziert werden. delssprache voll aus. Unternehmen weichen häufig auf<br />
Es stimmt zwar, dass sich international agierende Ver- englischsprachige Gerichtsstände aus oder vereinbaren<br />
tragspartner heute schon auf irgendein anzuwendendes Schiedsklauseln unter Verwendung der Verfahrensspra-<br />
nationales Recht verständigen können. Das sagt die euche Englisch, weil Englisch meist allen Beteiligten<br />
ropäische Rom-I-Verordnung. Das vereinbarte Recht geläufig ist. Die Einführung von Kammern für interna-<br />
muss dann von den Richtern in den europäischen Mittionale Handelssachen, in denen Englisch als Gerichtsgliedstaaten<br />
angewandt werden – eine enorme fachliche sprache zugelassen werden soll, kann dazu beitragen,<br />
Herausforderung für die nationalen Gerichte. Wie ge- die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts interna-<br />
Zu Protokoll gegebene Reden