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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15431<br />

(A) Zweitens. Den Menschen in den Ländern, die Mittel in ihre Bücher genommen hat. Es ist sehr zweifelhaft, ob (C)<br />

von der EFSF erhalten, wird nicht geholfen: Die diesen die EZB dafür die notwendige Legitimation besitzt, da<br />

Ländern aufgegebenen strengen Sparauflagen treffen letztlich die einzelnen Nationalstaaten entsprechend ih-<br />

dort vor allem die Geringverdiener, die Arbeitnehmerinrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür haften. Die<br />

nen und Arbeitnehmer und die Rentnerinnen und Rent- Gefahr besteht, dass die EZB auch nach Ertüchtigung<br />

ner. Die Binnennachfrage bricht ein, Wirtschaftswachs- der EFSF an ihrer Politik festhält und dass sich dieser<br />

tum und Steuereinnahmen sinken. Die Fähigkeit zur ordnungspolitische Sündenfall insbesondere auf Kosten<br />

Rückzahlung der gewährten Kredite wird immer weiter Deutschlands perpetuiert. Daher ist es zwingend not-<br />

eingeschränkt. Das zeigt die Entwicklung in Griechenwendig, der EZB die Grundlage für weitere Anleiheland.käufe<br />

zu entziehen, ohne ihre Unabhängigkeit anzutas-<br />

Drittens. Die demokratische Kontrolle des Bundesten.<br />

Dies sollte durch zweierlei Maßnahmen geschehen:<br />

haushalts durch das Parlament wird mit dem Änderungs- Die Zielformulierung der Zentralbankpolitik muss<br />

gesetz ausgehöhlt. Die Unterrichtung des Haushaltsaus- sich ausschließlich auf die Gewährleistung der Preisstaschusses<br />

ersetzt die parlamentarische Beteiligung nicht. bilität reduzieren. Die Erfolgsgeschichte der Deutschen<br />

Mit der EFSF findet eine Unterordnung demokratischer Bundesbank lässt sich insbesondere darauf zurückfüh-<br />

Verfassungsprinzipien unter das Diktat der Finanzmärkte ren.<br />

statt.<br />

Es braucht einen völlig anderen politischen Weg zur<br />

Lösung der Krise: Notwendig ist eine strikte Regulierung<br />

der Finanzmärkte und eine Vergesellschaftung der<br />

privaten Banken. Die Riesenvermögen in der EU, die in<br />

etwa den gesamten Staatsschulden in der EU entsprechen,<br />

müssen für die Schuldentilgung herangezogen<br />

werden. Es braucht eine konstruktive Unterstützung für<br />

die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland und an-<br />

Die Stimmrechte im EZB-Zentralbankrat sind nach<br />

Kapitalanteilen zu gewichten. Andernfalls besteht weiterhin<br />

die Gefahr, dass die Länder, die insbesondere für risikoreiche<br />

Anleihen haften, von kleineren Ländern überstimmt<br />

werden und weiterhin Risiken auf Deutschland<br />

und andere kapitalstarke Staaten abgewälzt werden.<br />

Beides macht eine Änderung der Satzung der EZB<br />

dringend erforderlich.<br />

(B)<br />

deren betroffenen Ländern. Dazu gehört auch, dass<br />

Deutschland durch nachhaltige Lohnerhöhungen, unter<br />

anderem durch Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden<br />

Mindestlohns, die eigene Binnennachfrage<br />

stärkt und so Exportüberschüsse, die Teil der Ursachen<br />

für die Krise in Europa sind, abbaut.<br />

Zudem sind mögliche Regeln einer geordneten Insolvenz<br />

eines Staates auszuloten. Diese müssen einen automatischen<br />

Schuldenschnitt unter Beteiligung privater<br />

Gläubiger beinhalten, sobald ein Staat über eine bestimmte<br />

Zeit hinaus nicht in der Lage ist, seine Schulden<br />

zu bedienen.<br />

(D)<br />

Zuletzt möchte ich sagen, dass der Widerstand der<br />

griechischen Bevölkerung gegen die soziale Barbarei<br />

und wirtschaftliche Unvernunft meine Solidarität hat.<br />

Den derzeitigen Gefahren für die Realwirtschaft, die<br />

mit möglichen Insolvenzen von Banken einhergehen,<br />

müssen wir entschieden entgegentreten. Kurzfristig<br />

sollte das durch höhere Eigenkapitalquoten geschehen.<br />

Mittelfristig ist es notwendig, sogenannte systemrelevante<br />

Banken in kleinere Institute zu zerschlagen, sodass<br />

diese einzeln insolvent gehen können, ohne die gesamte<br />

Realwirtschaft mitzureißen.<br />

Diese Forderungen stellen nichts anderes als eine<br />

Rückkehr zu grundlegenden Prinzipien der Begründer<br />

der Sozialen Marktwirtschaft dar. Insbesondere das Primat<br />

der Währungspolitik wurde missachtet und das Prinzip<br />

der Haftung grob verletzt. Unter der Voraussetzung,<br />

dass die Wiederherstellung dieser Prinzipien eisern verfolgt<br />

wird, stimme ich für den Gesetzentwurf. Ich bin zuversichtlich,<br />

dass dieser Weg von der Koalition weiter<br />

verfolgt wird.<br />

Jan Mücke (FDP): Der Haushaltsausschuss hat in<br />

seiner Beschlussempfehlung vom 22. September 2011<br />

– Drucksache 17/7067 – den Mitgliedern des Deutschen<br />

<strong>Bundestag</strong>es empfohlen, den Antrag der Fraktionen<br />

CDU/CSU und FDP „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung<br />

des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen<br />

im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“<br />

– Drucksache 17/6916 – in geänderter<br />

Fassung anzunehmen. Ich folge dieser Empfehlung.<br />

Meine Zustimmung zur vorgenannten Beschlussempfehlung<br />

verknüpfe ich mit folgender persönlicher Erklärung:<br />

Die Ertüchtigung und Flexibilisierung der Europäischen<br />

Finanzstabilisierungsfazilität – EFSF – ist zwar<br />

notwendig, um die konkrete Gefahr einer ungeordneten<br />

Insolvenz Griechenlands und die möglichen Zuspitzungen<br />

von Zahlungsschwierigkeiten auch anderer Krisenländer<br />

ohne weitere Anleihekäufe durch die Europäische<br />

Zentralbank – EZB – zu gewährleisten. Diese Befugniserweiterung<br />

reicht aber nicht aus, um die Krise dauerhaft<br />

einzudämmen.<br />

Die Unabhängigkeit der EZB ist gegeben. Dennoch<br />

kam es – und kommt es noch immer – zu Anleihekäufen<br />

durch die EZB, die dadurch bereits beträchtliche Risiken<br />

Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Die Lösungen<br />

der Koalition in der europäischen Haushalts- und Finanzpolitik<br />

sollen die derzeitigen Turbulenzen an den<br />

Finanzmärkten eindämmen und neues Vertrauen etablieren.<br />

Nicht alle der bisherigen und geplanten Maßnahmen<br />

finden meine Zustimmung.<br />

In verschiedenen Punkten bleiben bei mir auch weiterhin<br />

Zweifel. Einer geordneten Insolvenz zum Beispiel<br />

für Griechenland hätte ich dem anstrebten Verfahren den<br />

Vorzug gegeben und vertrete die Auffassung, dass diese

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