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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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15396 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />

(A)<br />

Angelika Krüger-Leißner<br />

nem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und recht auf Gewährleistung des Existenzminimums be- (C)<br />

die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen gründet hat. Aber zu den hier maßgeblichen Regelungen<br />

oder Vermögen sichern können, auch das Einkommen hat sich das Gericht explizit nicht geäußert – also auch<br />

und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und des- deren Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt.<br />

sen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden<br />

Partners zu berücksichtigen sind. Gerade Letzteres<br />

stößt bei Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen<br />

der Linken, auf verfassungsrechtliche Bedenken.<br />

Ich weiß, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

der Linken, das anders sehen. Ihre Auffassung ist aber<br />

das Ergebnis einer Auslegung des Bundesverfassungsgerichtsurteils,<br />

die natürlich in diesem Sinne zulässig,<br />

Richtig ist insoweit, dass das hilfebedürftige Kind in jedoch nicht zwingend ist. Man kann das durchaus auch<br />

einer Patchworkfamilie keine einklagbaren Unterhalts- anders werten – insbesondere, weil sich das Gericht<br />

ansprüche gegenüber der neuen Partnerin oder dem eben nicht mit dem konkreten Sachverhalt der Einkom-<br />

neuen Partner der leiblichen Mutter oder des leiblichen mens- und Vermögensanrechnung bei Kindern in Patch-<br />

Vaters hat. Sie fordern deshalb mit Ihrem Antrag unter workfamilien auseinanderzusetzen hatte.<br />

Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelsätzen eine<br />

Neuregelung für das SGB II und das SGB XII, nach der<br />

Einkommen und Vermögen der neuen Partnerin oder des<br />

neuen Partners des Elternteils bei der Bedarfsermittlung<br />

des Kindes nicht zu berücksichtigen sind.<br />

Insofern halte ich das mit Ihrem Antrag verfolgte Anliegen<br />

für verfrüht – wobei mir Ihre Intention schon<br />

durchaus klar ist: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende<br />

ist Ihnen ja seit eh und je ein Dorn im Auge. Es<br />

ist ja kein Geheimnis, dass Sie das SGB II am liebsten in<br />

Gänze wieder abschaffen würden. Da das nicht funktio-<br />

Zum Hintergrund verweisen Sie auf die Feststellunniert, stellen Sie nun einzelne Vorschriften auf den Prüfgen<br />

des Bundesverfassungsgerichts in der oben genannstand. Das ist legitim. Aber Sie handeln damit im vorlieten<br />

Entscheidung, wonach – ich zitiere –: „ein Hilfebegenden Fall aus meiner Sicht eindeutig vorschnell.<br />

dürftiger nicht auf freiwillige Leistungen des Staates<br />

oder Dritter verwiesen werden darf, deren Erbringung<br />

nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen<br />

Ich möchte Ihnen dazu meine Zweifel näher erläutern.<br />

gewährleistet ist“.<br />

Zweitens. Sie sagen, es sei nicht verfassungskonform,<br />

(B)<br />

Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dass die generelle<br />

Unterstellung einer Unterstützung durch den mit<br />

dem Elternteil neu zusammenlebenden Partner einen<br />

verfassungsrechtlich unzulässigen Verweis auf freiwillige<br />

Leistungen Dritter darstelle.<br />

wenn von Gesetzes wegen unterstellt wird, dass jemand,<br />

der mit einer SGB-II-leistungsberechtigten Person mit<br />

Kindern zusammenzieht, eine Bereitschaft zur Finanzierung<br />

des nicht leiblichen Kindes hat. Ich frage Sie: Ist<br />

das wirklich so realitätsfern? Ist das Zusammenziehen<br />

nicht auch ein Ausdruck dessen, künftig füreinander und<br />

(D)<br />

Ich möchte im Folgenden darauf mit drei Anmerkun- die Kinder dieser Bedarfsgemeinschaft einstehen zu<br />

gen näher eingehen:<br />

wollen – natürlich nicht im unterhaltsrechtlichen Sinne,<br />

Erstens. Es ist mir und meiner Fraktion durchaus bewusst,<br />

dass unter Umständen tatsächlich infolge des angesprochenen<br />

Urteils des Bundesverfassungsgerichts<br />

für den speziellen Bereich der Einkommens- und Vermögensanrechnung<br />

bei Kindern in einer sogenannten<br />

Patchworkfamilie eine Änderung der Rechtslage eingetreten<br />

sein kann. Die bisherige Bedarfsermittlung unter<br />

aber eben doch durch die faktische gemeinsame Lebensführung<br />

innerhalb eines Haushaltes? Ist der neue Partner<br />

des leiblichen Elternteils aufgrund von Einkommen<br />

und Vermögen in der Lage, Lebenshaltungskosten in<br />

größerem Umfang zu übernehmen, kommt das im Ergebnis<br />

auch dem nicht leiblichen Kind zugute. Das können<br />

wir an dieser Stelle nicht ausblenden.<br />

Berücksichtigung des Einkommens und des Vermögens Drittens. Aber auch vor dem Hintergrund des Urteils<br />

der neuen Partnerin oder des neuen Partners des leibli- des Bundessozialgerichts, BSG, vom 13. November 2008<br />

chen Elternteils könnte sich als nicht verfassungskon- habe ich meine Zweifel daran, ob wir es nach dem von<br />

form erweisen. Dann wäre der Gesetzgeber verpflichtet, Ihnen zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

zu handeln. Die bisherigen Regelungen im SGB II und wirklich mit einer neuen Rechtslage zu tun haben. Das<br />

im SGB XII hätten keinen Fortbestand, und wir bräuch- BSG hat doch explizit die von Ihnen angesprochene<br />

ten eine gesetzliche Neuregelung.<br />

Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu prüfen gehabt<br />

Ausschließen können wir das nicht. Jedoch ist es zurzeit<br />

keineswegs sicher, ob die von der Linken monierten<br />

– und zwar in einem Falle einer sogenannten Patchworkfamilie.<br />

Rechtsnormen einer Überprüfung durch das Bundesver- Viertens. Es kam dabei – worauf Sie ja in Ihrem Anfassungsgericht<br />

tatsächlich nicht standhalten.<br />

trag auch völlig zutreffend hinweisen – zu einer unmiss-<br />

Immerhin – und daran möchte ich in diesem Zusammenhang<br />

erinnern – standen seinerzeit nicht die hier anverständlichen<br />

Bewertung der Regelung: Sie wurde als<br />

verfassungskonform angesehen!<br />

gesprochenen Einzelnormen im SGB II und SGB XII auf Das BSG hat dargelegt, dass es 2006 der Neufassung<br />

dem Prüfstand, sondern es ging bei der zitierten Ent- des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bedurfte, da in der Verganscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts im Kern um genheit mit dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft<br />

die generelle Herleitung und Ermittlung der Regelsätze. noch nicht feststand, zwischen welchen Personen eine<br />

Dazu hat das Gericht umfassend ausgeführt. Es ist auch Einkommens- und Vermögensanrechnung stattfindet.<br />

unstreitig, dass es mit seiner Entscheidung das Grund- Erst die Neufassung hat Klarheit geschaffen, dass eine<br />

Zu Protokoll gegebene Reden

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