Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15421<br />
(A) die Regelungen zur Währungsunion verändern und in und Spekulationen zur Kasse gebeten werden. Mir ist (C)<br />
Ordnung bringen. Beispielsweise brauchen wir klare klar, dass die Millionäre in Griechenland, die keine Steu-<br />
Stabilitätsregeln, echte und automatische Sanktionen ern zahlen, eng verbunden sind mit den Millionären und<br />
und spürbare Konsequenzen bei Verstößen gegen die Bankspekulanten in Deutschland. Ich meinerseits bin<br />
Stabilitätskriterien sowie Schuldenbremsen in den Ver- eng verbunden den Menschen in Griechenland, die sich<br />
fassungen der Mitgliedsländer. Es muss klar sein: Wer zu gegen diese Politik wehren.<br />
hohe Schulden macht, kommt um Anpassungen nicht<br />
herum.<br />
Hingegen entspricht es nicht meiner Vorstellung, dass<br />
wir für die Staatsschulden anderer Länder dauerhaft einstehen.<br />
Deshalb lehne ich entschieden sogenannte Euro-<br />
Bonds, das heißt die Vergemeinschaftung der Schulden<br />
im Euro-Raum als Regelfall, ab. Wir würden permanent<br />
für die Schulden, die andere machen, haften, ohne dass<br />
wir die Politik, die zu diesen Schulden führt, maßgeblich<br />
beeinflussen können – dies kann auf Dauer nicht gut gehen.<br />
Die Menschen werden dies, so meine Einschätzung,<br />
nicht akzeptieren. Die Zustimmung der Bevölkerung<br />
zum europäischen Integrationsprojekt würde weiter<br />
schwinden, und Europa könnte am Ende großen Schaden<br />
nehmen.<br />
Bei der Abstimmung heute geht es um den temporären<br />
Euro-Rettungsschirm, der ertüchtigt werden soll. Es<br />
ist unabdingbar, dass die Mitgliedsländer die Zeit, die sie<br />
dadurch gewinnen, nutzen, um ihre Haushalte nachhaltig<br />
zu konsolidieren. Die Zeit muss zudem genutzt werden,<br />
Zweitens. Ich befürchte, dass mit einer solchen Politik<br />
die Europäische Union und damit Europa immer<br />
mehr in einen schlechten Ruf gerät. Mir ist es unerträglich,<br />
dass Rechtsextreme und Rechtspopulisten in Europa<br />
an Terrain gewinnen. Ich sage Nein zum Gesetz der<br />
Bundesregierung, weil ich Ja sage zu Europa, Ja zu einem<br />
anderen Europa der sozialen Gerechtigkeit und des<br />
sozialen Ausgleichs. Ja zu einer anderen Europäischen<br />
Union.<br />
Drittens. Ich sage Nein zum Gesetz der Bundesregierung,<br />
weil die deutsche Politik durch ihren Druck auf das<br />
Lohnniveau, durch die Aufweichung sozialer Stabilität,<br />
wie es die Hartz-Gesetze deutlich gemacht haben, durch<br />
eine fast ausschließlich auf den Export orientierte Wirtschaftspolitik<br />
den Boden für die heutigen Probleme wesentlich<br />
mit geschaffen hat. Heute beweist sich, dass die<br />
Haltung der PDS richtig war, die Einführung des Euro<br />
als Gemeinschaftswährung an eine Harmonisierung der<br />
europäischen Sozial- und Steuerpolitik zu binden.<br />
(B)<br />
um in dem oben beschriebenen Sinne die Regelungen<br />
zur Währungsunion zu verbessern. Es ist zu begrüßen,<br />
und es ist notwendig, dass der Deutsche <strong>Bundestag</strong> künftig<br />
bei Entscheidungen über die Vergabe von Hilfen im<br />
Rahmen des Rettungsschirms umfassend beteiligt wird.<br />
Hilfsmaßnahmen kann es jeweils nur mit Zustimmung<br />
des <strong>Bundestag</strong>es geben, sodass es das Parlament künftig<br />
selbst immer wieder in der Hand haben wird, zu entscheiden,<br />
ob sich Hilfen im konkreten Fall rechtfertigen<br />
lassen oder nicht.<br />
Würden wir den Rettungsschirm nicht ertüchtigen, so<br />
die Warnungen, besteht die Gefahr, dass es zu unkontrollierten<br />
Kettenreaktionen kommen könnte, mitunter mit<br />
der Folge erheblicher wirtschaftlicher und sozialer Verwerfungen.<br />
Dies in Kauf zu nehmen, scheint nur schwer<br />
verantwortbar. Der ertüchtigte Rettungsschirm soll künftig<br />
vorübergehend gerade besser als bisher ermöglichen,<br />
Nicole Gohlke (DIE LINKE): Heute stimme ich gegen<br />
die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms. Gerettet<br />
werden die Banken, nicht die Menschen. Die Banken<br />
können weiter zocken, den Menschen in Griechenland,<br />
Portugal und Irland werden Sozialleistungen und Löhne<br />
gekürzt. Die Europäische Kommission erzwingt über<br />
den Rettungsschirm auch die Privatisierung öffentlichen<br />
Eigentums in diesen Ländern. Gegen das Kürzungsdiktat<br />
bin ich nicht nur aus Solidarität mit den Menschen in<br />
den betroffenen Ländern, die oft ohnehin nur sehr niedrige<br />
Löhne und Sozialleistungen bekommen. Die Kürzungspolitik<br />
verschärft auch die Krise insgesamt. Außerdem<br />
löst sie einen neuen Dumping-Wettbewerb in<br />
Europa aus. Der Sozialabbau in den betroffenen Ländern<br />
droht wie ein Bumerang zu uns zurückkehren und auch<br />
bei uns Renten, Löhne usw. unter Kürzungsdruck setzen.<br />
(D)<br />
im Falle kritischer Situationen einzelner Länder Anste- Die öffentlichen Schulden sind Ergebnis einer Steuerckungsgefahren<br />
für die restliche Euro-Zone entgegenzusenkungspolitik für die Reichen und der Rettungspakete<br />
treten.<br />
für die Banken. Öffentlichen Schulden stehen gewaltige<br />
Nimmt man all dies zusammen, komme ich in der Abwägung<br />
zu dem Ergebnis, dem Gesetzentwurf, trotz Bedenken,<br />
zuzustimmen. Gleichwohl erwarte ich, und ich<br />
halte es für notwendig, dass die durch die temporären<br />
Hilfsmöglichkeiten gewonnene Zeit genutzt wird, um<br />
den Weg hin zu einer nachhaltigen Finanzpolitik in der<br />
Euro-Zone zu beschreiten und die währungspolitischen<br />
Regelungen zur Euro-Zone nachhaltig zu verbessern.<br />
private Vermögen gegenüber, die sich in den Händen<br />
weniger konzentrieren. Die Schuldenkrise kann letztlich<br />
nur durch die Umverteilung von Reichtum gelöst werden.<br />
Die aktuelle Krise der Staatsfinanzen kommt nicht aus<br />
dem Nichts. Sie ist eine neue Phase der tiefen Weltwirtschaftskrise,<br />
die 2008 offen ausgebrochen ist. Sie ist<br />
Folge eines Wirtschaftssystems, das darauf basiert, dass<br />
das eingesetzte Kapital sich beständig vermehrt. Ser<br />
wachsende Kapitalstock stellt immer größere Profitansprüche<br />
an die Gesellschaft. Die Profitansprüche müssen<br />
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Erstens. Ich wün- aus der gesellschaftlichen Wertschöpfung bezahlt wersche<br />
nicht, dass Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner, den. Deshalb entsteht ein Konflikt zwischen den Profitan-<br />
Geringverdienende in Griechenland, möglicherweise sprüchen einerseits und den Löhnen und der Finanzie-<br />
später auch in Spanien, Portugal, Italien oder in anderen rung öffentlicher Leistungen andererseits. Notwendig ist<br />
europäischen Ländern für falsches Regierungshandeln eine Demokratisierung der Wirtschaft, damit nicht mehr