Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
15440 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) In den Krisenländern müssen dafür die Arbeiterinnen Arnold Vaatz (CDU/CSU): Der Haushaltsausschuss (C)<br />
und Arbeiter, Angestellte, Rentnerinnen und Rentner hat in seiner Beschlussempfehlung vom 22. September<br />
Lohn- und Rentenkürzungen und den größten Sozialab- 2011 – Drucksache 17/7067 – den Mitgliedern des Deutbau<br />
der europäischen Nachkriegsgeschichte hinnehmen. schen <strong>Bundestag</strong>es empfohlen, den Antrag der Fraktio-<br />
Auch in Deutschland haften die Steuerzahlerinnen und nen CDU/CSU und FDP „Entwurf eines Gesetzes zur<br />
Steuerzahler für die milliardenschweren Garantien. Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleis-<br />
Die Alternativen zu diesem schwarz-gelben Rettungsschirm<br />
liegen längst auf dem Tisch. Die Ursachen der<br />
Krise müssen bekämpft werden – und zwar europaweit.<br />
tungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“<br />
– Drucksache 17/6916 – in geänderter<br />
Fassung anzunehmen. Ich folge dieser Empfehlung.<br />
Ohne wirksame Regulierung des Finanzmarktes wird es Meine Zustimmung zur vorgenannten Beschlussemp-<br />
nicht gehen. Schädliche Finanzinstrumente wie Leerverfehlung verknüpfe ich mit folgender persönlicher Erkläkäufe<br />
und hochspekulative Strukturen wie Hedgefonds rung:<br />
oder Schattenbanken gehören verboten. Zur Sicherung<br />
einer finanzunabhängigen Staatsfinanzierung sollte eine<br />
europäische Bank für öffentliche Anleihen errichtet werden.<br />
Die Ertüchtigung und Flexibilisierung der Europäischen<br />
Finanzstabilisierungsfazilität – EFSF – ist zwar<br />
notwendig, um die konkrete Gefahr einer ungeordneten<br />
Insolvenz Griechenlands und die möglichen Zuspitzun-<br />
Das europäische Projekt hat nur eine Zukunft, wenn gen von Zahlungsschwierigkeiten auch anderer Krisen-<br />
es demokratisch, sozial gerecht und wirtschaftlich geländer ohne weitere Anleihekäufe durch die Europäische<br />
recht gestaltet wird. Dazu braucht es dringend ein euro- Zentralbank – EZB – zu gewährleisten. Diese Befugnispäisches<br />
Konjunkturprogramm und eine koordinierte erweiterung reicht aber nicht aus, um die Krise dauerhaft<br />
Wirtschafts- und Sozialpolitik innerhalb der EU. Der er- einzudämmen.<br />
weitere Euro-Rettungsschirm zielt in die entgegengesetzte<br />
Richtung und gefährdet so das Projekt Europa. Ein<br />
so untaugliches Gesetz muss ich ablehnen.<br />
Die Unabhängigkeit der EZB ist gegeben. Dennoch<br />
kam es – und kommt es noch immer – zu Anleihekäufen<br />
durch die EZB, die dadurch bereits beträchtliche Risiken<br />
Alexander Ulrich (DIE LINKE): Ja zu Europa heißt<br />
für mich ganz klar: Nein zur Ausweitung und Aufstockung<br />
des Rettungsschirms. Daher habe ich heute gegen<br />
die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms gestimmt.<br />
in ihre Bücher genommen hat. Es ist sehr zweifelhaft, ob<br />
die EZB dafür die notwendige Legitimation besitzt, da<br />
letztlich die einzelnen Nationalstaaten entsprechend ihrer<br />
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür haften. Die<br />
Gefahr besteht, dass die EZB auch nach Ertüchtigung<br />
(B)<br />
Der Rettungsschirm rettet nicht den Euro, er rettet<br />
nicht die EU – er rettet Banken und Spekulanten.<br />
Bezahlen müssen hierfür die Beschäftigten: die Beschäftigten<br />
hier, die einen Großteil der Steuergelder zahlen,<br />
und die Beschäftigten in Griechenland, Irland und<br />
Portugal, die unter sozial verheerenden und ökonomisch<br />
völlig unsinnigen Kürzungsprogrammen leiden, die<br />
durch den Rettungsschirm diktiert werden.<br />
Steuergelder für Bankprofite – nicht mit uns!<br />
der EFSF an ihrer Politik festhält und dass sich dieser<br />
ordnungspolitische Sündenfall insbesondere auf Kosten<br />
Deutschlands perpetuiert. Daher ist es zwingend notwendig,<br />
der EZB die Grundlage für weitere Anleihekäufe<br />
zu entziehen, ohne ihre Unabhängigkeit anzutasten.<br />
Dies sollte durch zweierlei Maßnahmen geschehen:<br />
Die Zielformulierung der Zentralbankpolitik muss<br />
sich ausschließlich auf die Gewährleistung der Preisstabilität<br />
reduzieren. Die Erfolgsgeschichte der Deutschen<br />
Bundesbank lässt sich insbesondere darauf zurückfüh-<br />
(D)<br />
Ich habe gegen den ausgeweiteten Euro-Rettungsren.schirm gestimmt, weil ich glaube, dass die EU nur auf<br />
anderen Wegen aus der Krise herauskommt: Die Verursacher<br />
und Profiteure der Krise müssen zur Kasse gebeten<br />
werden, die Spekulanten müssen an die Kette gelegt<br />
werden und die Banken unter öffentliche Kontrolle. Wir<br />
brauchen eine Finanztransaktionsteuer, eine europaweite<br />
Vermögensabgabe und eine wirkliche Bankenabgabe.<br />
Die Stimmrechte im EZB-Zentralbankrat sind nach<br />
Kapitalanteilen zu gewichten. Andernfalls besteht weiterhin<br />
die Gefahr, dass die Länder, die insbesondere für<br />
risikoreiche Anleihen haften, von kleineren Ländern<br />
überstimmt werden und weiterhin Risiken auf Deutschland<br />
und andere kapitalstarke Staaten abgewälzt werden.<br />
Die EU kann nur gerettet werden, wenn sie zu einem<br />
Projekt für sozialen Frieden wird. Dazu muss die Lage<br />
Beides macht eine Änderung der Satzung der EZB<br />
dringend erforderlich.<br />
der Beschäftigten und der sozial Schwachen in der ge- Zudem sind mögliche Regeln einer geordneten Insolsamten<br />
EU verbessert werden. Damit müssen wir in venz eines Staates auszuloten. Diese müssen einen auto-<br />
Deutschland anfangen: Weg mit Hartz IV, her mit dem matischen Schuldenschnitt unter Beteiligung privater<br />
gesetzlichen Mindestlohn! Auf diese Weise bauen wir Gläubiger beinhalten, sobald ein Staat über eine be-<br />
die hohen Exportüberschüsse ab und setzen so an den stimmte Zeit hinaus nicht in der Lage ist, seine Schulden<br />
Ursachen der Krise an. Ein EU-weites Investitionspro- zu bedienen.<br />
gramm und eine stärkere, sozial ausgerichtete Politikkoordination<br />
sollen den sozial-ökologischen Umbau in<br />
der EU vorantreiben.<br />
Den derzeitigen Gefahren für die Realwirtschaft, die<br />
mit möglichen Insolvenzen von Banken einhergehen,<br />
müssen wir entschieden entgegentreten. Kurzfristig<br />
Europa muss sozial sein, oder es wird nicht sein. sollte das durch höhere Eigenkapitalquoten geschehen.