Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15423<br />
(A) Das Risiko für die deutsche Volkswirtschaft ist bei eigenden Wohlstand nach der auch wirtschaftlichen (C)<br />
ner Verweigerung der Zustimmung nach meiner Ein- „Stunde null“ nach 1945 vor allem den Prinzipien der<br />
schätzung deutlich größer als bei einer Zustimmung. Die Sozialen Marktwirtschaft zu verdanken. Das wohl wich-<br />
genannten Zahlen sind angsteinflößend, 211 Milliarden tigste dieser Prinzipien ist der Zusammenhang zwischen<br />
sind fast die Hälfte des Volumens des Bundeshaushalts. Rendite und Verlustrisiko. Wer das Risiko trägt, fährt zu<br />
Doch für eine Exportnation wie Deutschland ist die Zah- Recht den Gewinn ein. Und wer den Gewinn erhält, erlungsfähigkeit<br />
der Kunden ein hohes Gut. Unsere Bereithält ihn für ein getragenes Risiko. Diese Gesetzmäßigschaft<br />
zur Solidarität verbunden mit den Forderungen keiten haben sich über Jahrzehnte in Deutschland, aber<br />
nach Konsolidierung der Haushalte, Reformen der Ver- auch anderswo in der Welt mehr als bewährt. Hingegen<br />
waltung, Privatisierungen hat in den verschuldeten Län- sind alle staatlichen Versuche, davon abzuweichen und<br />
dern bereits Wirkung gezeigt.<br />
marktwirtschaftliche Prinzipien außer Kraft zu setzen,<br />
Mir ist das „gemeinsame Haus Europa“ sehr wichtig.<br />
Ich habe als Schülerin bereits im ersten Jahr am deutschfranzösischen<br />
Austauschprogramm teilgenommen und<br />
grandios gescheitert. Gerade für mich als ehemaligen<br />
DDR-Bürger ist die Soziale Marktwirtschaft daher nicht<br />
verhandelbar.<br />
dieses Programm begleitete mich während der Sommer- Diese beiden elementaren Grundsätze, die No-Bailferien<br />
in allen weiteren Jahren auf dem Gymnasium. Ich<br />
fühle mich meiner damaligen französischen Freundin<br />
out-Klausel und der Zusammenhang zwischen Rendite<br />
und Verlustrisiko, werden mit den Milliardenhilfen für<br />
noch immer verbunden. Mein Vater war Soldat in beiden Griechenland, Rettungsschirmen und Stabilitätsmecha-<br />
Weltkriegen. Von ihm habe ich gelernt, dass die deutschfranzösische<br />
Freundschaft ein sehr hohes Gut ist, die<br />
Überwindung der sogenannten Erbfeindschaft eine<br />
große politische Leistung und ein Gewinn für die Menschen.<br />
Bei der Entscheidung zum vorliegenden Gesetzentwurf<br />
sind die eventuellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt<br />
wichtig. Es sind aber mindestens genauso<br />
wichtig die volkswirtschaftlichen und außenpolitischen<br />
Folgen zu bedenken. In diesem Bewusstsein werde ich<br />
für den Gesetzentwurf stimmen.<br />
nismen ausgehebelt.<br />
Selbstverständlich gibt es eine Solidarität innerhalb<br />
der EU. Das erkenne ich nicht nur an, sondern unterstütze<br />
es ausdrücklich. Und selbstverständlich gibt es<br />
eine Notwendigkeit zu staatlicher Intervention bei systemrelevanten<br />
Gefährdungen, also solchen Schwierigkeiten<br />
Einzelner, die das ganze System gefährden. Auch<br />
dies ist selbstverständlich.<br />
Doch beides, Solidarität und Systemgefährdung, darf<br />
nicht dazu führen, dass Grundprinzipien unserer Wirtschaft<br />
und geltender Verträge außer Kraft gesetzt werden.<br />
Heinz-Peter Haustein (FDP): Meine Kritik an der<br />
Politik der Bundesregierung in der Euro-Krise ist elementar.<br />
Meine Bedenken sind grundlegender Art und<br />
durch kein einziges der Argumente der Befürworter der<br />
diversen Hilfsprogramme und Rettungsschirme für<br />
schwächelnde Euro-Staaten ausgeräumt.<br />
Einzig die Gefahr, dass bei Fehlen einer eigenen<br />
Mehrheit der Bundesregierung bei dem Gesetzesvorhaben<br />
die christlich-liberale Koalition zerbrechen und nach<br />
Neuwahlen eine neue – potenziell rot-grüne – Bundesregierung<br />
gebildet werden könnte, die Euro-Bonds den<br />
Weg ebnet, lässt mich dem Gesetz zustimmen. Denn<br />
Euro-Bonds wären ein noch größeres Übel als der erweiterte<br />
EFSF.<br />
Im Einzelnen:<br />
Aus gutem Grund wurde in der Europäischen Union<br />
vertraglich die sogenannte No-Bail-out-Klausel festgehalten,<br />
also das Verbot, dass weder die EU als Ganzes<br />
noch einzelne Staaten für die Schulden anderer Staaten<br />
aufkommen dürfen.<br />
Hiermit und mit den Stabilitätskriterien sollte gewährleistet<br />
werden, dass die Mitgliedstaaten sorgfältig haushalten<br />
und die Staatsverschuldung nicht zu einer Staatsüberschuldung<br />
wird, mithin solide Finanzpolitik den<br />
Grundstein legt für ein wirtschaftlich starkes und prosperierendes<br />
Europa.<br />
Die Bundesrepublik Deutschland hat ihr Wirtschaftswunder<br />
und den daraus resultierenden und bis heute tra-<br />
Das ist mit den bereits beschlossenen Maßnahmen der<br />
Fall und es ist auch bei der Erweiterung des Rettungsschirmes<br />
nun wieder der Fall.<br />
Immer springen die wirtschaftlich starken Staaten für<br />
die wirtschaftlich schwachen Staaten ein. Das bedeutet,<br />
dass, wer solide gewirtschaftet, in Krisenzeiten den Konsum<br />
gedrosselt und sparsam gehaushaltet hat, bestraft<br />
wird und derjenige, der jahre- und teilweise jahrzehntelang<br />
über die eigenen Verhältnisse gelebt hat, nun insofern<br />
belohnt wird, als dass andere für die entstandenen<br />
Schulden wenigstens indirekt oder teilweise aufkommen.<br />
Dadurch geht der Leistungsanreiz verloren. Wo aber<br />
der Leistungsgedanke untergraben wird, soll Wohlstand<br />
auf Kosten der Allgemeinheit möglich sein. Das hat weder<br />
in der DDR noch in irgendeinem anderen Land der<br />
Welt jemals funktioniert.<br />
Wer also von marktwirtschaftlichen Grundprinzipen<br />
abweicht, muss diese Abweichung sehr gut begründen.<br />
Abweichungen können nur in absoluten Notfällen erfolgen.<br />
Insofern ist auch nicht derjenige unter Legitimationszwang,<br />
der – wie ich – die Hilfsmaßnahmen ablehnt. Generell<br />
müsste die Beweislast bei den Befürwortern der<br />
Außerkraftsetzung der Marktwirtschaft liegen. Sie müssen<br />
alle Gegenargumente entkräften und erklären, warum<br />
hier ausnahmsweise anders verfahren werden soll.<br />
(D)