Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15230 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Gerda Hasselfeldt<br />
Nun wissen wir alle, dass sich keiner und keine von rung der Laufzeit des Euro-Schuldenschirms ist, die der (C)<br />
uns heute die Entscheidung leicht macht. Wir haben viel <strong>Bundestag</strong> nie wollte, und drittens ein Weg zur qualitati-<br />
diskutiert, nicht nur in vielen Gremien des Parlaments, ven Veränderung der europäischen Wirtschaftsverfas-<br />
sondern darüber hinaus mit vielen Fachleuten, die uns sung ist, die der <strong>Bundestag</strong> nie wollte.<br />
im Übrigen ganz unterschiedliche Ratschläge gegeben<br />
haben. Die einzige Bemerkung, die bei all diesen Ratschlägen<br />
einhellig fiel, lautete: Aber die Verantwortung<br />
habt ihr.<br />
Allen Bekundungen zum Trotz hat bereits die erste<br />
Griechenlandhilfe die Situation für Griechenland nicht<br />
entschärft, sondern verschärft. Griechenland nimmt weniger<br />
Steuern ein als 2010 und gibt – absolut und prozen-<br />
Für mich ist klar, dass der vorgesehene Weg besser tual, auch ohne Zinsen – mehr Geld aus. Allen Be-<br />
verantwortbar ist als jeder andere Weg, der bisher diskukundungen zum Trotz hat der Schuldenschirm die<br />
tiert wurde. Er gibt uns Instrumente, um einen mögli- Überschuldungskrise von Staaten und Banken nicht entchen<br />
Flächenbrand einzugrenzen. Er stärkt der Regieschärft, sondern verschärft. Es wird nur teure Zeit gerung<br />
bei den schwierigen Verhandlungen auf EU-Ebene kauft. Doch Griechenland kann aus seiner Überschul-<br />
den Rücken. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies in dung nicht herauswachsen, erst recht nicht mit noch<br />
der schwierigen Situation, die wir zu bewältigen haben, mehr Schulden.<br />
der richtige Weg ist. Deshalb empfehle ich Ihnen die Zustimmung<br />
zu diesem Gesetz.<br />
Die angeforderten Hilfen und die Aufstockung des<br />
Schuldenschirms werden die Lage noch weiter verschär-<br />
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fen. Am 17. März und am 10. Juni dieses Jahres haben<br />
wir hier in diesem Hohen Hause beschlossen:<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Der Deutsche <strong>Bundestag</strong> erwartet aus verfassungs-<br />
Das Wort hat nun der Abgeordnete Frank Schäffler. rechtlichen, europarechtlichen und ökonomischen<br />
Gründen, dass gemeinsam finanzierte oder garan-<br />
Frank Schäffler (FDP):<br />
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Hertierte<br />
Schuldenaufkaufprogramme ausgeschlossen<br />
werden.<br />
(B)<br />
ren! Am 11. Februar 2010 haben sich die Staats- und Regierungschefs<br />
der Europäischen Union zum kollektiven<br />
Rechtsbruch verabredet. Griechenland sollte auf jeden<br />
Fall finanziell geholfen werden. Damit haben die Staatsund<br />
Regierungschefs nichts anderes verkündet als den<br />
Bruch der Nichtbeistandsklausel in den europäischen<br />
Verträgen.<br />
Genau diese Schuldenaufkaufprogramme sind Gegenstand<br />
des heutigen Gesetzes. Not bricht nicht jedes<br />
Gebot. Der Verfassungsbruch ist nicht alternativlos!<br />
Papst Benedikt XVI. zitierte in seiner großen Rede vor<br />
dem Deutschen <strong>Bundestag</strong> den Heiligen Augustinus mit<br />
den Worten: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein<br />
Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“<br />
(D)<br />
Uns wurde im Deutschen <strong>Bundestag</strong> versprochen,<br />
dass die Griechenland-Hilfe eine einmalige Hilfe ist, die<br />
absolute Ausnahme, und sonst nichts. Die Tinte war<br />
noch nicht trocken, schon wurde einen Tag später in<br />
Brüssel der jetzige Schuldenschirm, die Einrichtung der<br />
EFSF, vereinbart. Als der Deutsche <strong>Bundestag</strong> das sogenannte<br />
Euro-Rettungspaket verabschiedete, wurde hier<br />
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Räuberbandenkoalition!)<br />
Nun wird beim Internationalen Währungsfonds, bei<br />
der Zentralbank und bei der Kommission in Brüssel bereits<br />
über die Vervierfachung des Schuldenschirms gesprochen.<br />
Sie wollen ihn hebeln.<br />
erklärt, dass ohnehin niemand unter diesen Schirm<br />
flüchten wird. Bereits wenige Monate später drängten<br />
sich erst Irland, dann Portugal und bald auch Griechenland<br />
unter den Schirm.<br />
Am 27. Oktober 2010 erklärten Sie, Frau Bundeskanzlerin,<br />
hier im Hohen Hause:<br />
(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist<br />
die Zukunft der FDP! Das ist die Zukunft der<br />
Regierung!)<br />
Die Wirkung wird dann jedoch sein, dass der Schuldenschirm<br />
dieselben Risiken ermöglicht wie ein Hedgefonds.<br />
Er wird auf Kredit spekulieren. Die europäischen<br />
Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so ge-<br />
Steuerzahler aber haften für diese Spekulationen.<br />
wollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist<br />
kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil die FDP! Das ist Teil Ihrer Regierung! Eine<br />
der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instru- Schande!)<br />
ment taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten<br />
falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche<br />
Erwartungshaltung fördert.<br />
Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber. Aber<br />
mit Angst wird seit September 2007 eine Politik gemacht,<br />
die Recht und Freiheit schleift. Sie fördert die<br />
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Angst vor dem Zusammenbruch unseres Finanzsystems.<br />
keine vier Wochen später galt all dies nichts mehr.<br />
Das vereinte Europa ist von seinen Gründervätern als<br />
Am 11. März 2011 wurde dann in Brüssel sogar ein ein Ort der Freiheit gegen alle Formen der Diktatur, Un-<br />
Weg zur Änderung der europäischen Verträge eingefreiheit und Planwirtschaft erträumt worden. Das heutige<br />
schlagen, der erstens ein Weg zur Ausweitung des beste- Europa ist auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft<br />
henden Euro-Schuldenschirms ist, die der <strong>Bundestag</strong> nie und in den politischen Zentralismus. Wir sind auf dem<br />
wollte, der zweitens ein Weg zur unbefristeten Verlänge- Weg in die Knechtschaft, weil wir uns aus Angst vor ei-