Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15461<br />
(A) Natürlich begrüßen wir dieses Ziel. Allerdings zeigen Kriminalität zu ersetzen und sich nicht ausschließlich (C)<br />
uns die <strong>Bericht</strong>e der letzten Jahre, beispielsweise der In- auf die zwar leicht erhebbaren, aber allein wenig aussadikatorenbericht<br />
des Jahres 2010, dass wir diese Entgekräftigen Wohnungseinbruchsdiebstähle zu beschränwicklung<br />
bisher kaum vollzogen haben. Die Politik ist ken.<br />
dringend gefordert, die bisherigen Defizite schnell anzugehen:<br />
Wir verfehlen regelmäßig die selbst auferlegten<br />
Ziele im Artenschutz, wir versiegeln unsere Umgebung<br />
mit Beton und wir leben immer mehr auf Kosten der<br />
kommenden Generationen, in dem wir gigantische<br />
Schuldenberge auftürmen. Uns mag all dies aus dem<br />
Moment heraus notwendig erscheinen, lange werden wir<br />
uns dieser Illusion aber nicht mehr hingeben können.<br />
Der Fortschrittsbericht 2012 spricht gerade die eben genannten<br />
Handlungsfelder leider nur oberflächlich an. Ich<br />
betone es deshalb noch einmal: Wir stehen unter internationaler<br />
Beobachtung, unsere Glaubwürdigkeit ist ein<br />
Pfand in internationalen Verhandlungen im Rahmen einer<br />
globalen Umstrukturierung unserer Wirtschaftsweise.<br />
Machen wir nicht zunächst unsere eigenen Hausaufgaben<br />
richtig, verlieren wir dieses Pfand. Es sollte<br />
uns also ein doppeltes Anliegen sein, nicht nur wohlklingende<br />
<strong>Bericht</strong>e zu verfassen, sondern unser Handeln an<br />
Tatsachen zu messen.<br />
Neben der Diskussion um die Messung nachhaltiger<br />
Entwicklung auf Bundesebene müssen wir in einem föderalen<br />
Staat auch ein Augenmerk auf die vertikale Integration<br />
bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele legen.<br />
Bislang verfügen die Bundesländer teilweise über<br />
eigene Nachhaltigkeitsstrategien, aber von unterschiedlicher<br />
Qualität und politischer Gewichtung. Eine bessere<br />
Vernetzung der Bundes- mit den Länderstrategien ist<br />
wichtig, um die Nachhaltigkeitsziele konsequent zu verfolgen.<br />
Parallel zur Anbindung der Nachhaltigkeitsstrategie<br />
im Bundeskanzleramt sollten die Nachhaltigkeitsstrategien<br />
der Länder im unmittelbaren Umfeld der<br />
Regierungschefs angesiedelt werden. Zudem wäre eine<br />
eigenständige und themenübergreifende Querschnittsarbeitsgruppe<br />
in der Ministerpräsidentenkonferenz wünschenswert.<br />
Dies würde dem Thema auf Länderebene<br />
eine größere Bedeutung beimessen und der Querschnittsaufgabe<br />
gerecht werden.<br />
(B)<br />
Der Fortschrittsbericht schlägt in Bezug auf die UN-<br />
Konferenz in Rio vor, den Schwung der Konferenz für<br />
die Weiterentwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie<br />
im nächsten Jahr zu nutzen. Ich wünsche mir,<br />
dass die Bundesregierung dieses Vorgabe ernst nimmt.<br />
Wir werden dafür sorgen, dass dieser Regierung beim<br />
Schwungholen für Nachhaltigkeit nicht die Puste ausgeht.<br />
Wir debattieren heute neben der Unterrichtung des<br />
Beirats den interfraktionellen Antrag zur UN-Konferenz<br />
in Rio de Janeiro im nächsten Jahr, auf der es zwei<br />
Schwerpunkte gibt: die Reform der Umwelt- und Nachhaltigkeitsinstitutionen<br />
bei den Vereinten Nationen<br />
sowie die Frage, wie man eine Weiterentwicklung der<br />
nationalen Volkswirtschaften hin zu nachhaltigen Wirtschaftsmodellen<br />
voranbringen kann. In Deutschland sind<br />
wir hier auf einem guten Weg. Wir haben erkannt, dass<br />
eine umweltverträgliche Wirtschaft in keinem Widerspruch<br />
zu Wachstum steht, sondern ganz im Gegenteil<br />
zum Wachstumsmotor werden kann. Diese Entwicklung<br />
sollte auch in Entwicklungs- und Schwellenländern angestoßen<br />
werden, allerdings ohne dabei neue Formen<br />
des Protektionismus zu etablieren.<br />
(D)<br />
Michael Kauch (FDP): Politik für Nachhaltigkeit ist<br />
Politik für kommende Generationen. Mit der nationalen<br />
Nachhaltigkeitsstrategie hat Deutschland einen Politikansatz,<br />
mit dem über Wahlperioden und Fraktionsgrenzen<br />
hinweg Ziele gesteckt werden. Diese Ziele – und das<br />
ist bedeutsam – werden regelmäßig durch Indikatoren<br />
überprüft: Sind wir auf dem richtigen Weg, oder muss<br />
nachgesteuert werden?<br />
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung<br />
hat in seiner Stellungnahme zum Indikatorenbericht<br />
2010 verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Nachhaltigkeitsindikatoren<br />
weiterentwickelt werden können.<br />
Weiterhin hat er allgemeine Erwartungen an den Fortschrittsbericht<br />
2012 formuliert. Der Entwurf des Fortschrittsberichts<br />
2012 liegt nun vor, und ich freue mich,<br />
dass die Bundesregierung wieder in einem öffentlichen<br />
Konsultationsverfahren allen interessierten Bürgerinnen<br />
und Bürgern, Verbänden und Institutionen die Möglichkeit<br />
gibt, ihre Anregungen einzubringen.<br />
Dass bei Änderungen im Indikatorensatz behutsam<br />
vorgegangen werden muss, ist klar. Gerade wenn längere<br />
Zeiträume betrachtet werden sollen, ist eine gewisse<br />
Kontinuität geboten. Wenn sich allerdings bestimmte Indikatoren<br />
als offensichtlich ungenügend erweisen, sollte<br />
auch der Mut aufgebracht werden, diese zu ändern. Ich<br />
freue mich deshalb, dass die Bundesregierung signalisiert<br />
hat, den seit Jahren vom Parlamentarischen Beirat<br />
für nachhaltige Entwicklung kritisierten Indikator zur<br />
Bei der UN-Institutionenreform stehen wir vor der<br />
Herausforderung, die stark fragmentierten Umwelt-Governance-Strukturen<br />
effizienter und effektiver zu gestalten.<br />
Der Vorschlag der Aufwertung des United Nations<br />
Environment Programmes, UNEP, zu einer United Nations<br />
Environment Organization, UNEO, scheint hier der<br />
Vielversprechendste zu sein. Bei der Nachhaltigkeitsgovernance<br />
gilt es, eine Alternative zu der weitgehend ergebnislos<br />
arbeitenden Commission on Sustainable Development,<br />
CSD, zu finden. Hier stehen verschiedene<br />
Vorschläge im Raum. Die Bundesregierung sollte sich<br />
im Verhandlungsprozess in Rio dafür einsetzen, dass in<br />
einer neuen Governance-Struktur die Bereiche Wirtschaft,<br />
Umwelt und Soziales besser vernetzt werden und<br />
eine wirkungsvolle Koordination der entsprechenden<br />
Arbeitseinheiten der Vereinten Nationen stattfindet.<br />
Ralph Lenkert (DIE LINKE): Nachhaltigkeit in Zeiten<br />
der Kapitalkrise und enthemmter Finanzmärke, das<br />
ist nicht mehr als die Quadratur des Kreises. Die Bundesregierung<br />
hat sich das Gleichgewicht von Mensch,<br />
Natur und Wirtschaft als Leitprinzip des politischen<br />
Handelns auf die Fahne geschrieben. Nachhaltigkeit soll