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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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15432 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />

(A) auch weiterhin als mögliches Instrument in Betracht ge- schwer belastet – angesichts der finanziellen Dimensio- (C)<br />

zogen werden sollte. Im Grundsatz lehne ich jedoch Hilnen und der vielen ungeklärten Fragen. Die wiederum<br />

fen für andere Euro-Staaten nicht ab, wenn diese unter wurden von der Wissenschaft nur vieldeutig und wider-<br />

den passenden Rahmenbedingungen gewährt werden. sprüchlich beantwortet. Das Orakel von Delphi wäre<br />

Ich kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht erken-<br />

hier hilfreicher gewesen.<br />

nen, welche Risiken von anderen Staaten des Euro- Medien und Opposition haben ihren zweifelhaften<br />

Raums noch zu erwarten sind. Diese Risiken konnten Beitrag dazu geleistet, die kritische Sachfrage zu einer<br />

bisher nicht benannt und meine Zweifel daher nicht voll- Machtfrage hochzustilisieren. Die Frage, ob die Koaliständig<br />

ausgeräumt werden.<br />

tion eine eigene Mehrheit hat, ist eben minder komplex<br />

Ich begrüße ausdrücklich, dass nach Angaben des<br />

Bundesministers der Finanzen die Erhöhung der Ausleihkapazitäten<br />

der EFSF für Deutschland auf 211 Milliarden<br />

Euro beschränkt ist. Die Befassung des <strong>Bundestag</strong>es<br />

bzw. in bestimmten Fällen des Haushaltsausschusses<br />

im Falle jedweder Änderung oder Erweiterung<br />

der EFSF ist für mich Grundlage meiner Zustimmung;<br />

dieses gilt insbesondere auch für den Ausschluss der so-<br />

als die vielfältigen Sachfragen, die mit der europäischen<br />

Schuldenkrise verbunden sind.<br />

Die Verunsicherung der Bürger durch eine mitunter<br />

unverantwortliche <strong>Bericht</strong>erstattung mancher Medien ist<br />

Ausdruck dafür, dass die sogenannte Vierte Gewalt sich<br />

ihrer Verantwortung für die Demokratie in unserem Staat<br />

oft nicht bewusst ist, und das nicht einmal mit Blick auf<br />

das Eigeninteresse der Pressefreiheit.<br />

genannten Hebelwirkung.<br />

Diese konstruierte Machtfrage muss man heute klar<br />

Auch das Bewusstsein, dass es, falls heute keine beantworten. Die rot-grün-dunkelrote Opposition bietet<br />

Mehrheit aus der Koalition zustande kommt, zu noch eine Alternative, die ich für katastrophal halte: Die Ver-<br />

stärkeren Unsicherheiten für die Märkte kommen wird, gemeinschaftung aller europäischen Schulden über<br />

ist ausschlaggebend für mein Abstimmungsverhalten. Euro-Bonds, die Schuldnerstaaten geradezu animiert,<br />

Die Kapitalmärkte würden entsprechend negativ reagie- zulasten unserer Bonität und mit entsprechend niedrigen<br />

ren und die Bemühungen zur Stabilisierung somit kon- Zinsen weiter Schulden zu machen. Das ist, als wolle<br />

terkarieren. Auch mit Blick auf die europäischen Nach- man einen Alkoholiker mit Freibier zur Abstinenz brinbarn<br />

und die Partner in der Welt ist es für Deutschland gen.<br />

mit dem Ziel eines stabilen Euro wichtig, ein Zeichen für<br />

eine geschlossene und entschlossene Koalition zu setzen.<br />

Die EFSF wird heute eine breite Mehrheit bekommen.<br />

Eine Gegenstimme ändert daran nicht nur nichts,<br />

sie würde dagegen den Eindruck erwecken, dass wir in<br />

(B) Das habe ich heute ebenfalls bei meinem Abstimmungsverhalten<br />

zu berücksichtigen.<br />

Aufgrund dieser Abwägung stelle ich meine persönlichen<br />

Bedenken und Zweifel zu den im Gesetzesvorhaben<br />

getroffenen Regelungen zurück und stimme den Änderungen<br />

an dem Gesetz zum europäischen Stabilisierungsmechanismus<br />

zu.<br />

einer so schwierigen Situation keinen Fonds bräuchten,<br />

um eine neuerliche Finanzkrise zu verhindern. Eine Sanierung<br />

Griechenlands halte ich persönlich für unwahrscheinlich.<br />

Die notwendigen Einsparungen im öffentlichen<br />

Bereich und der unabdingbare Reallohnverzicht<br />

sind meines Erachtens nicht durchsetzbar. Damit brauchen<br />

wir die EFSF als Brandmauer, um bei einer Insolvenz<br />

Griechenlands einen Flächenbrand zu vermeiden.<br />

Ich habe aber trotz dieser Einsicht während der Debatte<br />

innerhalb meiner Fraktion mit Nein gestimmt. Es gehört<br />

zu meinen politischen Erfahrungen der letzten neun<br />

Jahre, dass ohne diesen Druck gerade in der Europapolitik<br />

demokratieferne Lösungen gesucht werden. Wer das<br />

anzweifelt, der möge den Antrag zum Parlamentsbeteiligungsgesetz<br />

zum Lissabon-Vertrag der Union aus Oppositionszeiten<br />

mit dem vergleichen, was dann später in<br />

der Regierungsphase beschlossen wurde. Das Ergebnis<br />

ist mindestens so beschämend wie die Regelungen zur<br />

Subsidiarität im Lissabon-Vertrag selbst. Oder die Tatsache,<br />

dass wir mittlerweile das Bundesverfassungsgericht<br />

brauchen, um das durchzusetzen, was eigentlich Ehrensache<br />

für das Parlament sein müsste: parlamentarische<br />

Mitsprache. Richter zu fragen, wie weit man sich entrechten<br />

lassen darf: Zeichnet das selbstbewusste, aufrechte<br />

Volksvertreter aus?<br />

(D)<br />

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Jede Krise markiert<br />

einen Wendepunkt. Insofern kann man auch der Euro-<br />

Schulden-Krise etwas Positives abgewinnen: Ein Weiter-<br />

So kann es politisch nicht geben. Der vermeintlich einfache<br />

Weg, Politik zu machen, indem man Schulden anhäuft<br />

und Probleme fremdfinanziert und zinslastig vor<br />

sich her schiebt, endet in einer Sackgasse.<br />

Ich bin stolz darauf, dass die CSU das längst erkannt<br />

und Bayern als erstes Bundesland Haushalte ohne Neuverschuldung<br />

aufgestellt hat.<br />

Ich bin stolz darauf, dass wir im Grundgesetz eine<br />

Schuldenbremse verankert haben. Das war richtungsweisend<br />

– nicht nur für den Bund, sondern für Europa.<br />

Seither sind die Finanzkrisen allerdings dazu angetan,<br />

uns von dem Weg abzubringen. Auch die „impliziten“<br />

Schulden, beispielsweise die Pensionslasten, machen<br />

mir Sorgen.<br />

Der heutige Beschluss mag im engsten Sinne parlamentarischer<br />

Gepflogenheiten keine Gewissensentscheidung<br />

sein. Es ist aber eine Entscheidung, die mich<br />

Die, die uns einreden wollen, Europa gehe nur mit<br />

Demokratieverzicht, verraten die europäische Idee.<br />

Ohne die Rückbindung europäischer Entscheidungen an<br />

nationale Parlamente und damit an das Volk wird die geniale<br />

europäische Idee scheitern. Es ist dann schon der<br />

Gipfel der Ironie, wenn dieselben ihre Kritiker als Euro-

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