Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15489<br />
(A) Mit dem vorliegenden Gesetz leistet der Bund einen Seit Jahren sind wir mit der Problematik konfrontiert, (C)<br />
großen Beitrag zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der dass afrikanische Flüchtlinge versuchen, über das Mit-<br />
Kommunen. Bereits in der Großen Koalition haben wir telmeer nach Europa zu gelangen. Bis Mitte des Jahres<br />
diesen Weg eingeschlagen. Jetzt gehen wir ihn in der sind 32 000 Menschen auf diesem Weg aus Nordafrika<br />
christlich-liberalen Koalition konsequent weiter. nach Italien gekommen, vorwiegend Wirtschaftsmigranten.<br />
Migration kann jedoch nicht die Lösung für die Probleme<br />
der Herkunftsländer sein. Die Regierungen der<br />
Anlage 14<br />
Staaten sind ebenfalls und in erster Linie in der Pflicht.<br />
Zu Protokoll gegebene Reden<br />
Die Flüchtlinge, die Italien erreichen, wollen nicht dort<br />
bleiben, sondern in andere Länder Europas weiterreisen,<br />
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des<br />
<strong>Bericht</strong>s: Seenotrettung im Mittelmeer konsequent<br />
durchsetzen und verbessern (Tagesord-<br />
um Arbeit aufzunehmen. Die Weiterreise ist mit den von<br />
italienischen Behörden ausgestellten temporären Aufenthaltsgenehmigungen<br />
möglich.<br />
nungspunkt 16)<br />
Deutschland hat im vergangenen Jahr 41 332 Flüchtlinge<br />
aufgenommen. Das ist eine Verdoppelung im Ver-<br />
Erika Steinbach (CDU/CSU): Die Welt ist in Bewegung,<br />
in einer ständigen Bewegung rund um den Globus.<br />
gleich zum Vorjahr und Platz 2 innerhalb der Europäischen<br />
Union; nur Frankreich nahm eine noch größere<br />
Unsere Aufmerksamkeit richtet sich seit Beginn des Jahres<br />
auf die Umwälzungen im arabischen Raum, den arabischen<br />
Frühling. Der Erfolg der Aufständischen in Tu-<br />
Zahl an Flüchtlingen auf. Italien steht mit 8 200 aufgenommenen<br />
Flüchtlingen im Jahr 2010 bei der Betrachtung<br />
der relativen Zahlen, dem Verhältnis der Asylbenesien<br />
und Ägypten steckte junge Menschen in der<br />
gesamten Region, von Marokko bis Saudi-Arabien geradezu<br />
an, für ihre Freiheit auf die Straße zu gehen. Die zu<br />
werber zur Bevölkerungszahl, auf Platz 17. Die<br />
Aufnahmeleistung Italiens entspricht einem Anteil von<br />
0,01 Prozent Asylbewerber pro Einwohner. Zweifels-<br />
befürchtenden Repressionen der seit Jahrzehnten herrschenden<br />
autokratischen Regime hielten die Menschen<br />
nicht mehr auf.<br />
ohne steht Italien vor einer großen Herausforderung,<br />
nicht aber von einer Überforderung. Hilfe, die Deutschland<br />
angeboten hat, wurde von italienischer Seite nicht<br />
Deutschland leistete im Rahmen der Transformations-<br />
angenommen.<br />
(B)<br />
partnerschaften mit Tunesien und Ägypten unter anderem<br />
flankierende Hilfe, um die Entwicklung hin zu Demokratie<br />
und Rechtstaatlichkeit zu ermöglichen. Eine<br />
möglichst breite Beteiligung der Menschen am Übergangsprozess<br />
in ihren Ländern war das Ziel. Deutschland<br />
hat zahlreiche Projekte für Demokratieförderung,<br />
Berufsbildung und Jugendbeschäftigung sowie für Kredite<br />
an kleinere und mittlere Unternehmen auf den Weg<br />
gebracht. Nachhaltiger Stabilität den Weg zu bahnen, ist<br />
die Absicht.<br />
Schlepperbanden finden in Situationen der Instabilität<br />
den größten Markt für ihr verbrecherisches Treiben. Genau<br />
diese Situation beobachten wir mit großer Sorge verstärkt<br />
in den vergangenen Monaten. Auf seeuntüchtigen<br />
und völlig menschenüberladenen Booten schicken<br />
Schlepperbanden Flüchtlinge auf illegalem Weg von<br />
Nordafrika nach Europa. Doch seit Jahren erreichen uns<br />
Meldungen, dass Menschen dabei auf See den Tod finden.<br />
Jedes Jahr ertrinken mehrere Hundert Menschen bei<br />
dem Versuch, als illegale Einwanderer das Mittelmeer<br />
(D)<br />
Erste humanitäre Hilfsmaßnahmen, wie medizinische<br />
Notversorgung für die Libyer, leistete Deutschland be-<br />
von Nordafrika in Richtung Italien oder Spanien zu<br />
überqueren.<br />
reits im Februar. Für die Betroffenen der Auseinandersetzungen<br />
wurden rund 15 Millionen Euro in den Monaten<br />
Februar bis August bereitgestellt. Das ist Hilfe, die<br />
dazu beiträgt, Situationen zu entschärfen und stabilisieren.<br />
Oberste Priorität muss es sein, die Menschen in ihren<br />
Heimatländern zu unterstützen und Flucht verhindern<br />
zu helfen. Doch sind die Zahlen der Vertriebenen<br />
Die Antwort kann nur lauten, dass Migration konsequenter<br />
Kontrolle bedarf. Die Überwachung der Seeaußengrenzen<br />
der Europäischen Union trägt dazu bei, im<br />
positiven Sinn. Sie verhindert oder verringert nicht Migration,<br />
sondern ihre Wege, die – wie wir sorgenvoll<br />
feststellen müssen – auf hoher See lebensgefährlich sind.<br />
und Flüchtlinge allein in Libyen in der Tat erschreckend Wem also keine Hintertür geöffnet werden darf, ist<br />
hoch. Rund 970 000 Menschen waren im Mai den Schät- der organisierten Kriminalität, den Schleppern und Menzungen<br />
OCHAs zufolge auf Hilfe angewiesen, schenhändlern. Sie passen die Wege und Mittel ihres<br />
330 000 Binnenvertriebene unter ihnen.<br />
menschenverachtenden Geschäfts so rasant den vorzu-<br />
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass gerade Libyen<br />
durchaus ein Land ist, das ohne unsere finanzielle<br />
Hilfe sprichwörtlich „auf die Beine kommen“ wird. Die<br />
UNO hatte bereits Ende August 1,5 Milliarden US-Dollar<br />
freigegeben, die an libyschen Geldern eingefroren<br />
waren. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy künfindenden<br />
Rahmenbedingungen an, dass es ihnen ein<br />
Leichtes ist zu behaupten, sie würden seenotrettend unterwegs<br />
sein. Deshalb ist ein genereller, grundsätzlicher<br />
Schutz vor Strafverfolgung und die Forderung des finanziellen<br />
Ausgleichs für „Seenotrettende“ nicht ansatzweise<br />
zielführend.<br />
digte schon Anfang des Monats an, dass rund Die Rettung Schiffbrüchiger ist in der Tat ist ein<br />
15 Milliarden Euro sofort freigegeben würden. In der wichtiges Anliegen. Die Forderung jedoch, jederzeit ei-<br />
Zentralbank in Tripolis fanden sich 16 Milliarden Euro; nen Raum wie das Mittelmeer dahin gehend zu überwa-<br />
die Opposition fordert die Freigabe weiterer 170 Milliarchen und abzusichern, ist schlichtweg unrealistisch und<br />
den Euro.<br />
nicht zu leisten. Hier lautet die Antwort wiederum, die