Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15254 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Beate Müller-Gemmeke<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hochhalten und damit gesetzgeberische Maßnahmen ab- (C)<br />
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der lehnen.<br />
LINKEN)<br />
Ich komme zum Schluss. Mit unserem Antrag wollen<br />
Eine Entwicklung beschäftigt mich ganz besonders. wir den Arbeitgebern nicht jegliche Flexibilität nehmen.<br />
Die Befristungsmöglichkeit, aber auch die Personalpoli- Sie haben weiterhin die Möglichkeit, befristet einzusteltik<br />
der Arbeitgeber treiben eine ganze Generation – ich len, sofern ein Grund vorliegt. Unser Ziel ist aber, eine<br />
meine die Jungen – in unsichere Jobs. Die Arbeitgeber neue, eine gerechte Balance herzustellen, die den Interes-<br />
begnügen sich nicht mehr mit einer Probezeit von sechs sen der Arbeitgeber und der Beschäftigten gleichermaßen<br />
Monaten. Mit befristeten Arbeitsverträgen werden junge gerecht wird. Wir wollen keine Spaltung zwischen regu-<br />
Menschen zwei Jahre hingehalten. Nur noch 25 Prozent lär und prekär Beschäftigten; denn die Menschen brau-<br />
haben Glück und werden übernommen, die anderen chen soziale Sicherheit.<br />
75 Prozent müssen wieder von vorne beginnen. Wir haben<br />
nicht nur eine Generation Praktikum, sondern wir<br />
Vielen Dank.<br />
haben mittlerweile auch die Generation Probezeit.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])<br />
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der<br />
LINKEN)<br />
Für junge Menschen wird der Schwebezustand damit Vizepräsident Eduard Oswald:<br />
zum Dauerzustand, und das Fehlen von Zukunftsplänen<br />
wird zur Normalität. Lebensplanung ist ein Begriff, über<br />
den viele jüngere Beschäftigte nur noch müde lächeln<br />
können. Befristung bedeutet beim Berufseinstieg aber<br />
auch weniger Lohn. Es dauert sehr lange, bis diese Ver-<br />
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Gemmeke.<br />
Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Fraktion<br />
der CDU/CSU unser Kollege Ulrich Lange. Bitte<br />
schön, Kollege Ulrich Lange.<br />
dienstlücke zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten<br />
wieder geschlossen ist. Laut einer Studie brauchen<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Männer dafür zwölf Jahre. Bei Frauen geht es schneller.<br />
Sie brauchen nur sechs Jahre, aber sie verdienen auch<br />
weniger als die Männer.<br />
Ulrich Lange (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!<br />
Zum wiederholten Male in diesem Haus beschäftigen<br />
Viel zu viele junge Menschen haben also einen langen wir uns heute mit dem Thema der sachgrundlosen Be-<br />
und unsicheren Berufseinstieg. Das ist nicht nur ungefristung. Es ist ein wiederholter Versuch, ein bewährtes,<br />
(B) recht, sondern vor allem auch unverantwortlich. inzwischen fest eingeführtes Instrumentarium im Kanon (D)<br />
(Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])<br />
des deutschen Arbeitsrechtes – ich sage es so deutlich –<br />
zu schleifen. Dabei waren Sie es zu mutigen rot-grünen<br />
Es muss also damit Schluss sein, dass Arbeitgeber das<br />
unternehmerische Risiko auf die Beschäftigten übertra-<br />
Zeiten – dies ist heute schon mehrfach angesprochen<br />
worden –,<br />
gen, auf billigere Löhne spekulieren und mithilfe von<br />
Befristungen den Kündigungsschutz umgehen. Deshalb<br />
fordern wir in unserem Antrag auch die Streichung im<br />
Teilzeit- und Befristungsgesetz.<br />
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN]: Aber deswegen brauchen Sie es nicht<br />
noch einmal anzusprechen! – Beate Müller-<br />
Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der<br />
Wir haben dazu schon öfter etwas gesagt! Einfach<br />
zuhören!)<br />
LINKEN)<br />
die das TzBfG eingeführt haben. Wir hatten vorher keine<br />
Wenn der Blick auf die Beschäftigten und auf die unsichere<br />
Lebenssituation die Regierungsfraktionen nicht<br />
überzeugen kann, dann hätte ich abschließend noch ein<br />
weiteres Argument für unseren Antrag: Zu viele befristete<br />
Jobs schwächen auch die Gewerkschaften; denn be-<br />
echte Regelung für Befristungen. Wir haben uns bis zum<br />
1. Januar 2001 immer wieder durch viel Rechtsprechung<br />
gearbeitet. Trotz aller Kritik am Anfang gilt das TzBfG<br />
aus dem Jahre 2001 in der Fachwelt heute, auch wenn<br />
Sie es nicht hören mögen, durchaus als gelungen.<br />
fristet Beschäftigte sind weniger organisiert.<br />
(Klaus Barthel [SPD]: Bei den Professoren,<br />
die alle eine lebenslange Beschäftigung haben!)<br />
(Klaus Barthel [SPD]: Das wollen die da<br />
drüben ja!)<br />
Wenn die Fluktuation im Betrieb groß ist, dann haben<br />
die Gewerkschaften und Betriebsräte weniger Möglichkeiten,<br />
neue Mitglieder zu werben. Mit unserem Antrag<br />
wollen wir also auch die Gewerkschaften stärken.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Dieses Argument müsste eigentlich auch die Regierungsfraktionen<br />
überzeugen, die stets die Tarifautonomie<br />
Gleiches hat die Anhörung am 4. Oktober letzten Jahres<br />
deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich möchte in diesem<br />
Zusammenhang an den Beitrag von Professor Thüsing<br />
erinnern, der ganz klar gesagt hat, dass die Abschaffung<br />
der sachgrundlosen Befristung ein Schritt zur Verkomplizierung<br />
des deutschen Befristungsrechtes sei. Auch<br />
hat er das Thema der Zuvor-Arbeitsverhältnisse, die in<br />
keinem sachlichen Zusammenhang stehen, angesprochen.