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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15267<br />

(A)<br />

Stefan Rebmann<br />

der Befristung ohne Sachgrund zu nutzen, um auf Auf- Ich sage Ihnen eines: Im Gegensatz zu Ihren Kreiß- (C)<br />

tragsschwankungen reagieren zu können. Eine Studie saal-Hörsaal-und-Plenarsaal-Politikern weiß ich, wovon<br />

des IAB aus 2010 kommt genau zu dem gleichen Ergeb- ich rede.<br />

nis.<br />

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich auch!)<br />

Die Arbeitskraft, das Wissen und die Fähigkeit der<br />

befristet Beschäftigten werden gerne angenommen und<br />

gewinnbringend genutzt, am liebsten sogar als billige<br />

Arbeitskraft. Wenn die Menschen wegen ihrer befristeten<br />

Arbeitsverträge dazu noch gefügig sind und auf<br />

Rechte verzichten, zum Beispiel auf die Bezahlung von<br />

Überstunden, dann ist das für manche umso besser. Faktisch<br />

heißt dies: Das viel zitierte Unternehmerrisiko wird<br />

komplett auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

Ich war einmal arbeitslos, und ich habe in drei Schichten<br />

gearbeitet. Ich war auch einmal befristet beschäftigt. Ich<br />

habe nur deshalb einen unbefristeten Arbeitsplatz bekommen,<br />

weil wir einen guten Betriebsrat hatten, der gegen<br />

diese Dauerbefristungen angegangen ist. So sieht es<br />

aus.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der LINKEN)<br />

verlagert und wird zum Arbeitnehmerrisiko. Eine solche<br />

Praxis darf der Gesetzgeber meines Erachtens nicht zulassen.<br />

Befristet beschäftigt zu sein, heißt: oft deutlich<br />

schlechter bezahlt als Unbefristete, meist ausgeschlossen<br />

von Weiterbildungsmaßnahmen, kaum Planungssicher-<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

heit, nicht kreditwürdig. Ich sage Ihnen: Als junger<br />

Mensch unter diesen Rahmenbedingungen Zukunfts-<br />

Wenn ein Arbeitgeber auf Konjunkturschwankungen pläne zu schmieden, zu heiraten, Kinder in die Welt zu<br />

reagieren will, dann sagen wir: nicht über den Weg der setzen, ein Auto zu kaufen, sich vielleicht um Eigentum<br />

sachgrundlosen Befristung. Dann soll er eben Kurzarbeit zu kümmern, ist schlichtweg nicht möglich.<br />

beantragen oder den Weg einer ordentlichen Kündigung<br />

gehen – mit allen Konsequenzen. Dann kann sich der<br />

Arbeitnehmer entsprechend wehren. Wir wollen keinen<br />

Freifahrtschein für kurzfristige Einsparungen auf Kosten<br />

der Arbeitnehmer, und wir wollen schon gar keine Hireand-fire-Kultur.<br />

Die Menschen in Unsicherheit lassen, prekär beschäftigen<br />

und schlecht bezahlen, gleichzeitig aber erwarten,<br />

dass sich diese Menschen in Staat und Gesellschaft voll<br />

einbringen, das funktioniert nicht. Ich sage Ihnen: Sie<br />

können nicht die eine Hälfte des Huhns kochen und von<br />

der anderen Hälfte das Eierlegen erwarten. Das funktio-<br />

(Zurufe von der CDU/CSU: Oje!)<br />

niert nicht.<br />

(B)<br />

Jetzt werden Sie sagen – das haben Sie schon getan –:<br />

Es ist doch besser, jemanden ohne Begründung befristet<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Wir wissen sehr wohl, dass gute Arbeitsmarktpolitik (D)<br />

einzustellen als überhaupt nicht. Damit sind Sie bei auch Gesellschaftspolitik ist. Mehr Flexibilität für die<br />

Norbert Blüm bzw. in den 80er-Jahren stehen geblieben. Arbeitgeber gibt es nur mit mehr Sicherheit für die Ar-<br />

Sie haben sich nicht weiterentwickelt. Ich sage Ihnen: beitnehmerinnen und Arbeitnehmer.<br />

Sie haben ein Problem. Bei Gelegenheit müssten Sie einmal<br />

nachweisen, dass befristete Beschäftigungen überhaupt<br />

Arbeitslosigkeit verhindern. Das können Sie nicht.<br />

Sie verweisen auf steigende Beschäftigungszahlen aus<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, der<br />

Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern<br />

kann.<br />

Zeiten der Hochkonjunktur. Mit dieser Methode kann<br />

man natürlich alles erklären. Deshalb ist es auch kein<br />

Wunder, dass diejenigen, die sich damit wissenschaftlich<br />

beschäftigt haben, zu einem anderen Schluss als Sie<br />

kommen.<br />

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wenn man<br />

denken kann! Das ist die Voraussetzung!)<br />

Sie haben in den vergangenen Wochen und Monaten<br />

mehrfach bewiesen, dass Sie dazu in der Lage sind und<br />

auch für gute Argumente zugänglich sind. Geben Sie Ihren<br />

Gedanken die Freiheit, die Richtung zu ändern!<br />

Herzlichen Dank.<br />

(Beifall bei der SPD)<br />

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung<br />

und das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik<br />

haben 2006 eindeutig festgestellt: Es<br />

gab keine positiven Beschäftigungseffekte durch befristete<br />

Arbeitsverträge. 96 Prozent der befragten Unternehmen<br />

gaben an, dass diese Regelung bei ihnen zu keinerlei<br />

Veränderungen geführt hat. Das wurde durch ihre<br />

Einstellungspraxis belegt.<br />

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: 2006! Das<br />

ist doch fünf Jahr her! Neue Zahlen!)<br />

Es gibt also keine belegbaren positiven Auswirkungen.<br />

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />

der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: IAB!<br />

Aktuell!)<br />

Vizepräsident Eduard Oswald:<br />

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nun für die Fraktion<br />

der FDP unser Kollege Sebastian Blumenthal. Bitte<br />

schön, Kollege Blumenthal.<br />

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />

Sebastian Blumenthal (FDP):<br />

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber<br />

Herr Kollege Rebmann, Sie haben uns gerade in einer<br />

Art angesprochen, auf die ich eine Replik nicht schuldig<br />

bleiben möchte. Bei Ihnen hörte es sich so an, als ver-

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