Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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15442 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) verbundene Lastenverschiebung in die Zukunft ist eine debüchern der Kreditgeber. Ohne Verschuldung gäbe es (C)<br />
schwere Bürde für die jüngeren und künftige Generatio- keine Möglichkeit zur Spekulation.<br />
nen. Auch die Möglichkeit zu gestaltender Politik sinkt<br />
mit jedem weiteren Euro Staatsschulden.<br />
Wir „kaufen“ nun bisher immerzu neue Zeit, nutzen<br />
sie aber nicht ausreichend. Die Gefahr, dass künftige Ge-<br />
Wir Deutschen erkannten erfreulicherweise früher als<br />
viele andere, dass ein „Weiter-so!“ in den Abgrund führt.<br />
Die neu im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse<br />
war die große Leistung der unionsgeführten Koalition<br />
der Jahre 2005 bis 2009.<br />
nerationen später dafür viel Geld zahlen müssen, ist<br />
nicht unerheblich. Unsere Interessen als Zahlerland müssen<br />
wir stärker betonen, und, wenn das nicht möglich ist,<br />
auch die Konsequenzen zu ziehen bereit sein. Auch<br />
diese würden aber sehr schmerzhaft sein. Die uneinheitliche<br />
Sicht der Wirtschaftswissenschaft, insbesondere<br />
Die christlich-liberale Koalition erfüllt die Schulden- was „Endszenarien“ betrifft, macht die Entscheidung<br />
bremse nun mit Leben. Wir sind auf solidem Weg, haben sehr schwierig. „Pest oder Cholera“, „Skylla oder Cha-<br />
die Chance, bereits vor 2016 die schwarze Null im Bunrybdis“ – leider sind die Szenarien genau so.<br />
deshaushalt zu erreichen. Leider sind aber auch in<br />
Deutschland noch nicht alle Bundesländer auf so solidem<br />
Pfad wie beispielsweise der Freistaat Sachsen seit<br />
Jahren und wir nun im Bund. Der Weg ist steinig, Besitzstände<br />
stehen infrage – aber wenn etwas ohne sinnvolle<br />
Alternative ist, dann das. Und es ist auch unser Erwartungsmaßstab<br />
an unsere europäischen Partner. Die Alternative<br />
heißt aufwachsende Inflation, Staatspleite, Währungsschnitt.<br />
Der anstehende ESM-Vertrag, der eine Überarbeitung<br />
der Europäischen Verträge darstellt, wird entscheidend.<br />
Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts mit<br />
früheren und schärferen Sanktionen bei Regelverstößen,<br />
deren Ahndung politischem Ermessen entzogen, automatisiert<br />
werden muss, ist die Lösung. Für Griechenland<br />
wird das alles nichts mehr helfen; hier brauchen wir eine<br />
Sonderbehandlung.<br />
(B)<br />
Schon einmal gab es eine deutsche Bundesregierung,<br />
die Stabilität für Europa suchte. Das Europabild von<br />
Helmut Kohl und Theo Waigel war eines der Stabilität.<br />
Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt und die<br />
Euro-Kriterien waren die Pfeiler einer Euro-Zone der<br />
Stabilität. Das war damals genauso wenig Selbstzweck,<br />
wie heute. Ohne Stabilität kein dauerhaftes Prosperieren.<br />
Der Fehler von damals war, nicht schärfere Instrumente<br />
der Stabilitätskultur zu schaffen. Der ehemalige<br />
Chefvolkswirt der Bundesbank und später der EZB,<br />
Issing, sagt zu Recht, dass das Mehrheitsprinzip dazu<br />
führe, dass Sünder über Sünder richten sollen, was nicht<br />
funktioniere.<br />
Auch die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank<br />
muss dringend wiederhergestellt werden, indem<br />
baldigst der Ankauf von Staatsanleihen beendet wird.<br />
Die Skepsis aufseiten der deutschen Regierungsfraktionen<br />
in den letzten Monaten, die auch mich betrifft, hat<br />
bereits zu spürbaren Verbesserungen geführt. Wir streiten<br />
dabei nicht mit unserer Regierung, sondern mit ihr<br />
gemeinsam in Europa. Die Beteiligungsrechte des <strong>Bundestag</strong>es<br />
werden nun erheblich gestärkt, sind einzigartig<br />
in Europa. Keine neuen Länderprogramme mehr ohne<br />
vorherige Zustimmung des <strong>Bundestag</strong>es. Kein „konkretes“<br />
Geld mehr ohne vorherige Zustimmung des <strong>Bundestag</strong>es.<br />
Dies wird aber gerade erst wirksam mit dem heutigen<br />
Gesetz.<br />
(D)<br />
Die ersten Jahre gingen gleichwohl in die richtige Die von SPD und Grünen neben dem Weg in die of-<br />
Richtung. Die niedergelegten Grundsätze wurden beachfene Transferunion geforderten Euro-Bonds, die Vergetet.<br />
Der erste Sündenfall war der Griechenland-Beitritt. meinschaftung von fremden Schulden zu unseren Las-<br />
Griechenland war zu keinem Zeitpunkt beitrittsreif, alle ten, wären ein katastrophales Instrument für unser Land.<br />
wussten es. Darüber hinaus waren die schon schlechten Sie kosteten uns Jahr für Jahr Milliarden und hätten kei-<br />
Bilanzen noch „geschönt“. CDU und CSU haben damals nen Nutzen. Im Gegenteil reizten sie geradezu dazu,<br />
gewarnt. Die damalige rot-grüne Regierung Schröder hat weiter unsolide zu haushalten. Sie wären für Deutsch-<br />
uns das jetzige Elend rund um Griechenland damals beland die schlechteste aller denkbaren Optionen.<br />
schert. Und es kam noch schlimmer. Danach begann<br />
Deutschland unter Kanzler Schröder, die Schuldenmacherei<br />
zur politischen Handlungsmaxime zu machen.<br />
Wir wurden vom Vorbild zum schlechten Beispiel, waren<br />
die ersten, die das 3-Prozent-Neuverschuldungskriterium<br />
nicht einhielten. Und wir fanden Nachahmer. Das<br />
war leicht, da die deutsche Regierung zunächst in Europa<br />
die richtigen Grundsätze ihrer Vorgänger zugrunde<br />
richten musste, um Schulden machen zu können. Wieder<br />
gegen den Widerstand von CDU und CSU, die vergeblich<br />
kämpften.<br />
Dem heutigen Gesetz stimme ich zu, um die Regierung<br />
nicht zu destabilisieren, und weil endlich Verbesserungen<br />
erreicht wurden. Die rot-grüne Opposition<br />
stimmt zu, hebt aber medial das Ergebnis in den Reihen<br />
der Koalition zu einer rein politischen Machtfrage. Sie<br />
will das Ringen in unserer Fraktion um eine Sachfrage<br />
großer Tragweite zu einer Personalfrage machen. Das ist<br />
in höchstem Maße unverantwortlich. Diese Koalition<br />
und insbesondere Angela Merkel als Bundeskanzlerin<br />
sind Garanten für die bestmögliche Wahrnehmung unserer<br />
Interessen in Europa unter diesen schwierigen Bedingungen.<br />
Die damals gelegte Saat ging in den Jahren auf. Durch<br />
die weltweite Finanzkrise drehte sich die Spirale dann<br />
schneller. Die Konjunkturspritzen waren in ganz Europa<br />
schuldenfinanziert. Das Ergebnis sehen wir nun – wir<br />
stehen vor einem Scherbenhaufen und tiefer in den Krei-<br />
Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich stimme gegen<br />
die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms, EFSF, weil<br />
ich weiß, dass es auf die Krise nur eine linke Antwort