Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
15226 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Bundesminister Dr. Philipp Rösler<br />
Europäischen Parlament bei den wichtigen Abstimmun- D-Mark, die als weltweites Markenzeichen und als Aner- (C)<br />
gen zu den weiteren Stabilitätsmaßnahmen und Stabilikennung des Wiederaufstiegs, des wirtschaftlichen Ertätsmechanismen<br />
auf europäischer Ebene ihre Zustimfolgs nach dem Krieg galt, hatte für uns Deutsche einen<br />
mung verweigert haben? Am Abstimmungsverhalten hohen Symbolwert. Als wir die D-Mark aufgegeben ha-<br />
sollt ihr sie erkennen. Sie haben klar entgegen dem euroben, haben wir den Menschen versprochen: Der Euro<br />
päischen Geist und auch klar gegen wirtschaftspolitische wird genauso sicher und genauso stabil, wie die D-Mark<br />
Vernunft gehandelt.<br />
es war. Zudem wird er nachhaltig von der Europäischen<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –<br />
Klaus Ernst [DIE LINKE]: Herr Rösler, was<br />
ist mit meiner Frage?)<br />
Zentralbank geschützt, die der Geldwertstabilität verpflichtet<br />
ist. – Der Euro ist stark. Er ist mit 88 US-Cent<br />
gestartet und liegt jetzt je nach Tagesform zwischen 130<br />
und 145 US-Cent. Der Euro ist in dieser Zeit stabil gewesen.<br />
Aber ich befürchte, diese Stabilität werden wir<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nicht aufrechterhalten können, wenn wir diesen Weg<br />
Das Wort hat nun Klaus-Peter Willsch.<br />
weiter gehen.<br />
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und<br />
Herren! Ich hätte es auch noch selbst gesagt: Ich spreche<br />
heute leider nicht für meine Fraktion und bin dem <strong>Bundestag</strong>spräsidenten<br />
dankbar dafür, dass ich meine Gedanken<br />
gleichwohl hier vortragen kann.<br />
Ich kämpfe zeit meines politischen Lebens dafür, dass<br />
wir in dieser Konstellation christlich-liberal miteinander<br />
arbeiten. Der Wirtschaftsminister hat die Erfolge gerade<br />
aufgezählt, die sich sehen lassen können: 3,6 Prozent<br />
Wirtschaftswachstum im letzten Jahr, und die Arbeitslosigkeit<br />
liegt unter 2,8 Millionen. Das ist eine stolze Leistung.<br />
Wir haben hier gut vorgelegt.<br />
Da ich jetzt in einer Sachfrage nicht folgen kann,<br />
möchte ich erläutern, was ich an diesem Weg für falsch<br />
halte.<br />
Erster Punkt: Im letzten Mai haben wir begonnen, uns<br />
mit dem Griechenland-Paket auf eine schiefe Ebene zu<br />
begeben. Danach gab es bekanntlich kein Halten mehr:<br />
einmalig, befristet, konditioniert – aber es wurde immer<br />
mehr. Das Konzept, zu versuchen, mit immer mehr<br />
Schulden übermäßige Schulden zu bekämpfen, geht<br />
nicht auf.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der FDP)<br />
Es funktioniert nicht, Disziplin in Haushaltsfragen zu erreichen,<br />
indem man Zinsen heruntersubventioniert. Das<br />
einzige Mittel gegen eine übermäßige Verschuldung sind<br />
hohe Zinsen. Ich befürchte, dass dieser Weg viel Geld<br />
kosten wird, das wir nicht haben.<br />
Das Geld, das sich in Bürgschaften ausdrückt und<br />
sich jetzt auf 211 Milliarden Euro summiert, wenn heute<br />
hier entsprechend abgestimmt wird – alleine für die<br />
EFSF; Griechenland kommt noch hinzu –, haben wir<br />
nicht. Ich glaube, das Risiko, das wir den kommenden<br />
Generationen damit aufladen, ist zu groß. Wir leihen dieses<br />
Geld, das wir ins Schaufenster stellen, von unseren<br />
Kindern und Enkeln; wir haben es nicht.<br />
(Beifall der Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU]<br />
und Frank Schäffler [FDP])<br />
Auch deshalb kann ich das nicht mittragen. – Das ist der<br />
zweite Punkt.<br />
Der dritte Punkt: Wir haben, als wir den Euro eingeführt<br />
haben, viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die<br />
Wir haben den Menschen ein weiteres Versprechen<br />
gegeben. Wir haben gesagt: Niemand wird für die Schulden<br />
eines anderen Staates in diesem Währungsraum aufkommen<br />
müssen. Jeder muss seinen Haushalt selbst ausgleichen.<br />
Genau das brechen wir mit dieser Schirm-<br />
Politik.<br />
(Beifall des Abg. Frank Schäffler [FDP])<br />
Ich halte dies ökonomisch für den absolut falschen<br />
Weg, der meinen Grundüberzeugungen widerspricht.<br />
Natürlich gibt es Alternativen. Wir haben nach der<br />
Finanzkrise Instrumente geschaffen, um Banken stützen<br />
und rekapitalisieren zu können. Es wäre aber ein sehr<br />
viel treffsicherer Weg, wenn wir sagen würden: Lasst die<br />
Gläubiger ihren Teil tragen! Erst wenn es Probleme gibt,<br />
sollten wir unterstützend helfen, damit systemrelevante<br />
Bereiche unserer Volkswirtschaft nicht infiziert werden.<br />
Zum Thema Gläubigerbeteiligung. Wir müssen uns<br />
einmal einen Moment zurückbesinnen und uns fragen,<br />
über was wir da eigentlich reden. Es gibt ein Vertragsverhältnis<br />
zwischen dem Gläubiger, also demjenigen,<br />
der Geld gibt, und dem Schuldner, also demjenigen, der<br />
den Kredit in Anspruch nimmt. Wenn der Kredit ausfällt,<br />
dann ist das Sache des Gläubigers. Dass wir jetzt darüber<br />
reden, ob nur ein Teil des Kreditausfalls von den Gläubigern<br />
getragen werden muss und ob nicht vielmehr der<br />
Staat für dieses private Geschäft automatisch im Obligo<br />
ist, zeigt, dass wir hier die Dinge auf den Kopf gestellt<br />
haben. Wir sollten uns daher bemühen, die Diskussion<br />
wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.<br />
Ich appelliere im Interesse der nachfolgenden Generationen<br />
an Sie alle, dass wir diesen Weg möglichst<br />
schnell beenden, anstatt ihn mit immer höheren Volumen<br />
zu verlängern. Ich glaube, dass wir ansonsten dem Euro<br />
und Europa schaden würden. Es wird in den Hauptstädten<br />
nicht mehr gegen die jeweiligen Regierungen demonstriert,<br />
sondern gegen Europa und einzelne Länder<br />
wie Deutschland. Wir können nicht jedem unsere Art zu<br />
leben aufdrängen. Wir können aber auf der Einhaltung<br />
selbstakzeptierter Regeln bestehen. Genau das sollten<br />
wir tun.<br />
Ich bedanke mich ausdrücklich, dass es mir möglich<br />
war, hier vorzutragen. Mit Blick auf meine eigene Fraktion<br />
sage ich: Danke, dass ihr das ertragen habt.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />
der FDP)<br />
(D)