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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15483<br />

(A) Die Entlastung bei der Grundsicherung im Alter ist Name für ein längst überfälliges Vorhaben, ein Vorha- (C)<br />

für die Kommunen von großer Bedeutung: Im Jahr ihrer ben, das die Länder im Vermittlungsausschuss nach zä-<br />

Einführung, 2003, bezogen etwa 439 000 Personen diese hen Verhandlungen mit dem Bund erstritten haben. Ein<br />

Leistung und bis zu den letzten verfügbaren bundesweiten<br />

Daten 2009 stieg die Zahl fast kontinuierlich auf<br />

knapp 764 000 an. Dementsprechend steigerten sich<br />

auch die Ausgaben von 1,45 Milliarden Euro im Jahr<br />

2003 auf über 4 Milliarden Euro für 2009.<br />

In einer Stadt wie Lübeck, aus der ich komme, mit gut<br />

210 000 Einwohnern wuchsen die Kosten kontinuierlich<br />

von rund 18 Millionen Euro im Jahr 2006 an, und sie<br />

werden dieses Jahr etwa 24 Millionen Euro erreichen.<br />

Abzüglich der bisherigen Erstattungen durch Bund und<br />

Land würde die Kostenübernahme durch den Bund für<br />

meine Hansestadt eine Entlastung von knapp 15 Millionen<br />

Euro jährlich bedeuten. Das ist ein toller Erfolg, den<br />

wir im Vermittlungsausschuss ausgehandelt haben. Allerdings<br />

werden aufgrund der von der Ministerin gewählten<br />

Abrechnungsbasis auch meiner Stadt 2 Millionen<br />

Euro fehlen.<br />

starker Name, in der Tat. Aber das ist leider auch alles,<br />

was dieser Gesetzentwurf zu bieten hat.<br />

Meine Kollegin Frau Hiller-Ohm hat es bereits aufgezeigt.<br />

Aber lassen Sie mich den Sachverhalt trotzdem<br />

noch einmal kurz zusammenfassen: Mit der Einigung im<br />

Vermittlungsausschuss zum SGB II Anfang 2011 ist<br />

auch vereinbart worden, dass der Bund schrittweise und<br />

ab 2014 vollständig die Grundsicherung im Alter übernimmt.<br />

Ziel ist es, damit die Kommunen von Sozialausgaben<br />

zu entlasten. Diese Vereinbarung ist durch die<br />

Bundesregierung in der abschließenden <strong>Sitzung</strong> der Gemeindefinanzkommission<br />

Mitte Juni 2011 noch einmal<br />

ausdrücklich bestätigt worden. Das jetzt angelaufene<br />

Gesetzgebungsverfahren zu der Umsetzung der Vereinbarung<br />

lässt allerdings erhebliche Zweifel aufkommen,<br />

ob die Bundesregierung überhaupt eine vollständige Entlastung<br />

der Kommunen vornehmen will; denn der vorlie-<br />

Die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter wergende Gesetzentwurf der Bundesregierung beinhaltet<br />

den sich durch die demografische Entwicklung weiter nur die Anhebung der quotalen Beteiligung des Bundes<br />

erhöhen. In meinem Wahlkreis wird von jährlichen Stei- an den Kosten der Grundsicherung auf 45 Prozent in<br />

gerungen von bis zu 5 Prozent ausgegangen. In anderen 2012.<br />

Städten wird es ähnlich aussehen.<br />

Dies ist jedoch nur die erste Stufe der Vereinbarung.<br />

(B)<br />

Was können wir tun, um die Kosten der Grundsicherung<br />

im Alter nicht aus dem Ruder laufen zu lassen –<br />

ganz egal, wer sie zahlt? Die Antwort ist eigentlich recht<br />

einfach: Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/<br />

CSU und FDP, machen Sie endlich eine Politik, die den<br />

Menschen hilft, gute Arbeit zu finden und faire, mindestens<br />

existenzsichernde Löhne zu erzielen; denn dann<br />

sind sie im Alter nicht auf Grundsicherung durch den<br />

Staat angewiesen. Stimmen Sie endlich einem gesetzlichen<br />

Mindestlohn zu. Sorgen Sie dafür, dass Menschen<br />

nicht mehr von einem befristeten Arbeitsverhältnis ins<br />

nächste geschoben werden. Stellen Sie gleichen Lohn<br />

Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die<br />

weiteren Schritte erst einer umfassenden Abstimmung<br />

mit den Ländern und den Kommunalen Spitzenverbänden<br />

bedürften.<br />

Das, meine Damen und Herren, ist jedoch nur ein<br />

Spiel auf Zeit, ein Spiel auf Zeit zulasten der Kommunen<br />

und damit auch ein Spiel auf Zeit zulasten der Bürgerinnen<br />

und Bürger, denn die Kommunen können ihren umfassenden<br />

Aufgaben und Verpflichtungen gegenüber den<br />

Bürgerinnen und Bürgern nur dann gerecht werden,<br />

wenn ihre finanzielle Leistungsfähigkeit mittel- und<br />

(D)<br />

für gleiche Arbeit sicher. Legen Sie den Niedriglohnsek- langfristig gesichert ist und die Kommunen damit handtor<br />

trocken.<br />

lungsfähig bleiben.<br />

Frauen sind überproportional von Grundsicherung im Die finanzielle Lage der Kommunen ist ohnehin dra-<br />

Alter betroffen, weil sie trotz guter Bildungsabschlüsse matisch. Der summierte Finanzierungssaldo der Jahre<br />

mit miesen Jobs und unfairen Löhnen abgespeist wer- 2009 bis 2011 beläuft sich nach Schätzung der Bundesden.<br />

Frauen im Westen Deutschlands erhalten nur eine<br />

halb so hohe Rente wie die Männer. Das ist eine soziale<br />

Schieflage, die sich unsere Gesellschaft nicht leisten<br />

darf. Handeln Sie endlich, und verbessern Sie die Chancen<br />

von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.<br />

vereinigung der Kommunalen Spitzenverbände auf<br />

23 Milliarden Euro. Allein 2011 beliefen sich die Kosten<br />

für die Kommunen, insbesondere durch weiter steigende<br />

Sozialausgaben, auf über 42 Milliarden Euro. Aber auch<br />

durch eine stetige Ausweitung von bereits bestehenden<br />

Ich fürchte, wir haben nicht viel in dieser Richtung<br />

von Ihnen zu erwarten. Statt die Chance sinkender Arbeitslosigkeit<br />

zu nutzen, um Menschen wirksam zu helfen,<br />

die es auf dem Arbeitsmarkt trotzdem weiterhin<br />

schwer haben, streichen Sie die arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumente planlos zusammen und sparen so an den<br />

Ärmsten in unserer Gesellschaft.<br />

Das ist der falsche Weg.<br />

Wir werden dies ändern – spätestens 2013.<br />

Aufgaben durch die Bundesgesetzgebung wird die finanzielle<br />

Notlage der Kommunen stetig verschärft. Der<br />

Bundesregierung scheint dies aber völlig gleichgültig zu<br />

sein. Sie setzt sogar noch an überaus erfolgreiche Programme<br />

wie beispielsweise die „Soziale Stadt“ gnadenlos<br />

den Rotstift an. Durch dieses verantwortungslose<br />

Handeln entwickelt sich die Krise der Kommunen zusehends<br />

zu einer großen Strukturkrise.<br />

Die Bundesregierung scheint dies jedoch noch nicht<br />

im Ansatz realisiert zu haben. Im Gegenteil: Sie scheint<br />

sogar der Auffassung zu sein, sie habe mit der Über-<br />

Kirsten Lühmann (SPD): Wir beraten heute in ersnahme der Kosten der Grundsicherung im Alter ein Allter<br />

Lesung über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärheilmittel in der Hand, welches sie vor jeglicher finankung<br />

der Finanzkraft der Kommunen. Das ist ein starker zieller Verantwortung gegenüber den Kommunen

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