Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
15344 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A)<br />
Dr. Peter Tauber<br />
Ob illegale Migration tatsächlich stattfindet, hängt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C)<br />
laut Forschung von zwei Faktoren ab. Der erste Faktor Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem<br />
ist der Zugang zu einem Land, und der zweite Faktor<br />
– er ist noch wichtiger – ist die sogenannte Anschluss-<br />
Kollegen Rüdiger Veit.<br />
möglichkeit. Darunter versteht man das Bestreben, in<br />
dem Land, in das man illegal eingewandert ist, sozialstaatliche<br />
Leistungen in Anspruch zu nehmen und zu<br />
partizipieren, obwohl man keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel<br />
hat.<br />
Rüdiger Veit (SPD):<br />
Herr Kollege Tauber, obwohl ich kein Lehrer bin, haben<br />
Sie meinen pädagogischen Ehrgeiz geweckt. Ich<br />
wollte Ihnen nämlich sagen, dass – Föderalismusreform<br />
hin oder her – in Deutschland Gesetze bekanntermaßen<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Von Sozialstaat redet aber keiner<br />
bei Illegalen!)<br />
eben nicht nur im <strong>Bundestag</strong> verabschiedet werden. Gerade<br />
Gesetze aus dem Rechtsgebiet, über das wir hier<br />
sprechen, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.<br />
Wenn man dort eine Mehrheit erreichen will, ist das be-<br />
Da sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt. Die kanntlich nicht immer einfach. Es war zum Beispiel für<br />
Sozialleistungen, die Sie gerne gewähren möchten, müs- die rot-grüne Bundesregierung besonders schwierig,<br />
sen erarbeitet werden.<br />
weil sie zu der Zeit keine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat<br />
hatte. Umgekehrt ist dies bei Ihnen im Augenblick<br />
(Aydan Özoğuz [SPD]: Von den Kindern?) der Fall, was für Sie ein Problem darstellt.<br />
– Von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.<br />
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!)<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Die Illegalen arbeiten ja! Aber die<br />
können ihr Gehalt nicht einklagen!)<br />
Ich will noch einmal sagen: Wir waren 2005 schon<br />
weiter, auch mit Ihren Parteifreunden von der CDU und<br />
der CSU; das müssen Sie wissen. Es gab aber Probleme<br />
– das muss man objektiverweise noch einmal sagen,<br />
auch zur Entlastung Ihrer Parteifreunde – bei den zuständigen<br />
Länderinnenministern der B-Länder, mit der Konsequenz,<br />
dass es keinen Sinn gemacht hätte, noch mehr<br />
auf dem Weg des Gesetzgebungsverfahrens zu versuchen;<br />
denn das wäre im Bundesrat gescheitert.<br />
Es gibt 41 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.<br />
Die Zahl war unter Rot-Grün<br />
deutlich geringer. Damals gab es noch 5 Millionen Arbeitslose;<br />
deshalb hatten sie es sehr viel schwerer. Diese<br />
Leistungen müssen, wie gesagt, erarbeitet werden. Sie<br />
wollen Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten,<br />
an den Segnungen des Sozialstaates teilhaben lassen.<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Welche Segnungen?)<br />
Dann muss man auch sagen, dass dazu eben Pflichten<br />
gehören. Eine Pflicht ist, sich ordnungsgemäß zu melden<br />
und sich zu beteiligen.<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Das ist doch völlig irrational! Sie<br />
wollen sie doch ausweisen!)<br />
Wer die Segnungen des Sozialstaates in Anspruch nimmt,<br />
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE<br />
GRÜNEN]: Welche Segnungen?)<br />
der muss sich auch den Anforderungen des Rechtsstaates<br />
stellen. So einfach ist das.<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Herr Tauber, kommen Sie bitte zum Schluss.<br />
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU):<br />
So wie Sie sich das vorstellen, geht es leider nicht.<br />
Herzlichen Dank.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP)<br />
Im Übrigen: Obwohl ich in Religionsfragen nicht allzu<br />
sachverständig bin, bin ich über Ihr christliches Weltbild<br />
schon ein bisschen erschüttert, weil Sie hinsichtlich der<br />
Wahrnehmung elementarer Grundrechte – Bildung für<br />
Kinder, Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere und<br />
Behandlung von Krankheiten – durch Menschen, die<br />
ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben, der Meinung<br />
sind, dass ihnen die entsprechenden Sozialleistungen<br />
nicht zustehen.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Josef<br />
Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN]: „Segnungen, die ihnen nicht zustehen“,<br />
hat er gesagt!)<br />
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />
Zur Erwiderung Kollege Tauber.<br />
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU):<br />
Herr Kollege, Sie müssen schon ein bisschen zuhören.<br />
Ich hatte leider nicht sechs Minuten Zeit, um über<br />
das christliche Menschenbild in der CDU/CSU zu sprechen.<br />
(Rüdiger Veit [SPD]: Uns hat es auch so gereicht!)<br />
Es wäre vielleicht ganz hilfreich für Sie, wenn Sie sich<br />
damit ein bisschen intensiver beschäftigten.<br />
(Rüdiger Veit [SPD]: Wenn das dabei herauskommt,<br />
können wir darauf verzichten!)<br />
(D)