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Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15455<br />

(A) Oft wird dieser Datenmissbrauch als Kavaliersdelikt lage im Parlament angekündigt, dass der Gesetzesvor- (C)<br />

abgetan. Aber ein solcher Missbrauch verletzt nicht nur schlag so nicht bleiben kann, sondern geändert werden<br />

die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Ein solcher muss. Und jetzt ist ein Jahr verstrichen, ohne dass etwas<br />

Missbrauch gefährdet auch die Leistungsfähigkeit der passiert ist.<br />

Betriebe; denn in einem Betrieb, in dem die Mitarbeiter<br />

ausgespäht werden, hat keiner mehr Lust, sich für das<br />

Unternehmen einzusetzen. Wir brauchen also klare Verhältnisse<br />

im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes,<br />

damit der Betriebsfrieden erhalten bleibt und der Betrieb<br />

mit einem guten Arbeitsklima wirtschaftlich erfolgreich<br />

ist.<br />

Wir Sozialdemokraten fordern seit langem, dass dies<br />

in einem eigenständigen Gesetz geregelt werden soll.<br />

Leider will die Bundesregierung den Arbeitnehmerdatenschutz<br />

jedoch verwurschteln im Bundesdatenschutzgesetz.<br />

Wenn das so kommt, brauchen Arbeitnehmer und<br />

Arbeitgeber unnötigen zusätzlichen Rechtsbeistand, um<br />

zu wissen, was jetzt Sache ist. Das Ziel des Arbeitnehmerdatenschutzes<br />

muss aber sein, den Menschen Recht<br />

und Sicherheit zu geben, anstatt die Juristen zu beschäftigen.<br />

In unserem Antrag fordern wir daher detailliert, was<br />

Die Experten haben bei der Anhörung im Innenausschuss<br />

des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es im Mai 2011 den Gesetzentwurf<br />

überwiegend kritisiert. Er ist völlig ungeeignet,<br />

die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu<br />

schützen. Aber statt aus diesem Verriss der Sachverständigen<br />

Konsequenzen zu ziehen, haben Sie in einem Eckpunktepapier<br />

weitere Verschlechterungen angedroht.<br />

Der Gesetzentwurf erlaubt den automatisierten Datenabgleich<br />

und die Ausspähung ohne Kenntnis des Beschäftigten<br />

bereits dann, wenn nur der Verdacht auf eine<br />

schwerwiegende Pflichtverletzung besteht. Private Telefongespräche<br />

und E-Mails sollen ausgewertet werden<br />

können. Der Arbeitgeber darf sogar über einen bestimmten<br />

Zeitraum seinen Beschäftigten durch einen Detektiv<br />

beobachten lassen, wenn der Verdacht auf eine schwerwiegende<br />

Pflichtverletzung besteht, die einen wichtigen<br />

Kündigungsgrund darstellen würde.<br />

sich am Gesetzentwurf der Bundesregierung ändern Sie erlauben die ununterbrochene Videoüberwa-<br />

muss. Derzeit ist dies nämlich eher der Entwurf eines chung der Beschäftigten, wenn der Arbeitgeber sie für<br />

Arbeitnehmerüberwachungsgesetzes. Lassen Sie mich die Qualitätskontrolle erforderlich hält. Sie legalisieren<br />

nur auf wenige Beispiele eingehen: Erstens muss im Ge- Überwachungsmaßnahmen von Arbeitgebern, die einen<br />

setzentwurf geregelt sein, dass Ortungssysteme nur dann schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Be-<br />

eingesetzt werden dürfen, wenn sie der Sicherheit des schäftigten darstellen.<br />

(B)<br />

Beschäftigten dienen, also nicht zur Überwachung, wo<br />

sich der Mitarbeiter gerade befindet.<br />

Zweitens dürfen Daten in einem Konzern nicht einfach<br />

an alle Konzernteile weitergegeben werden.<br />

Die Würde des Arbeitnehmers am Arbeitsplätz wird<br />

für Sie zum Abwägungsgegenstand gegenüber Betriebsund<br />

Arbeitgeberinteressen. Ein Szenario wie am Anfang<br />

dargestellt, wäre kein Skandal mehr. Es wäre legal.<br />

(D)<br />

Drittens muss die Videokontrolle stark eingeschränkt<br />

werden. In Räumen, die auch privat genutzt werden, wie<br />

Pausen- und Umkleideräumen, darf keine Kamera mitlaufen.<br />

Sie wollen jetzt auch noch, dass der ohnehin schwache<br />

Schutz des Gesetzes durch die Einwilligung des Arbeitnehmers<br />

und durch Betriebsvereinbarungen ausgehebelt<br />

werden kann. Wir fordern die Bundesregierung<br />

Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, glauben<br />

Sie mir, es lohnt sich, die Forderungen aus unserem<br />

deshalb auf, die Konsequenzen aus der Anhörung zu ziehen.<br />

Antrag in den Gesetzentwurf der Bundesregierung einzubauen;<br />

denn nur dann haben wir einen wirksamen Arbeitnehmerdatenschutz,<br />

der den Arbeitnehmern und den<br />

Arbeitgebern Nutzen bringt.<br />

Die Würde des Menschen hört nicht am Werkstor auf.<br />

Wir wollen sie auch am Werkstor schützen. Darum fordern<br />

wir ein Gesetz, das den Arbeitnehmer bereits bei<br />

der Bewerbung schützt. Informationen im Netz und bei<br />

Dritten sollen nur eingeholt werden dürfen, wenn der<br />

Bewerber sie auch als Referenz angegeben hat.<br />

Gerold Reichenbach (SPD): Stellen Sie sich bitte<br />

folgendes Szenario vor: Ein Beschäftigter in einem Unternehmen<br />

soll vertrauliche Informationen an die Medien<br />

gegeben haben. Die Konzernspitze will wissen,<br />

wer. Sie weist die Überwachung der Telefonverbindungsdaten<br />

von Mitarbeitern, Aufsichtsräten und Arbeitnehmervertretern<br />

an. Daten werden automatisiert abgeglichen.<br />

Mitarbeiter werden videoüberwacht. Vorgänge<br />

wie diese haben in den letzten Jahren immer wieder zu<br />

Skandalen geführt. Sie haben deutlich gemacht, dass<br />

beim Arbeitnehmerdatenschutz in unserem Land einiges<br />

im Argen liegt. Wir brauchen dringend zusätzliche Regelungen<br />

zum Schutze der Arbeitnehmer.<br />

Wir haben dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Sie<br />

wollten dem nicht folgen, und die Regierung hat einen<br />

eigenen vorgelegt. Dabei haben Sie schon bei der Vor-<br />

Seien wir doch einmal ehrlich: Wenn ein Arbeitgeber<br />

bei einem Bewerber anruft und sagt, wir möchten Sie<br />

gerne zum Bewerbungsgespräch einladen, aber geben<br />

Sie uns doch bitte vorher Ihre „freiwillige“ Einwilligung,<br />

dass wir sämtliche Daten über sie erheben dürfen<br />

– wer würde denn Nein sagen, wenn er Arbeit sucht?<br />

Wir fordern ein Gesetz, das die anonyme Datenerhebung<br />

bzw. den Datenabgleich nur zur Aufklärung von<br />

Straftaten und nur anlassbezogen zulässt, etwa bei Untreue<br />

oder Bestechlichkeit. Ein Gesetz, das arbeitsrechtlich<br />

untersagte Fragen, etwa nach Schwangerschaft,<br />

nicht offen lässt. Wir wollen auch keine Betriebsvereinbarungen<br />

zuungunsten der Beschäftigten oder die nachträgliche<br />

Einführung eines Konzernprivilegs.

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