Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15439<br />
(A) fall werden die entstehenden Lasten aber von der großen werbslose und sozial Benachteiligte mit dem größten So- (C)<br />
Mehrheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu trazialabbau der europäischen Nachkriegsgeschichte dafür,<br />
gen sein. Es ist dann auch eine Kürzung von Renten und dass private Banken weiter spekulieren können. Damit<br />
anderen Sozialleistungen zu befürchten. Die Bundesre- wird die Agenda 2010 mit ihrem Sozialkahlschlag,<br />
gierung ist jedenfalls nicht bereit, für die gegenwärtigen Lohndumping und ihrer kurzsichtigen Fixierung auf den<br />
Sozialstandards eine Garantieerklärung abzugeben. Des- Export, nach Deutschland nun in Europa installiert.<br />
halb lehne ich das Gesetz ab.<br />
In Deutschland werden die Steuerzahlerinnen und<br />
Den Menschen in den Ländern, die Gelder aus dem Steuerzahler für die milliardenschweren Garantien in<br />
europäischen Rettungsfonds erhalten, wird nicht wirk- Haftung genommen. Solange die Finanzmärkte nicht<br />
lich geholfen: Die strengen Sparauflagen, mit denen die strikt reguliert, Banken nicht vergesellschaftet und die<br />
„Hilfe“ für diese Länder verbunden ist, treffen dort vor Staatsfinanzierung nicht von den Kapitalmärkten abge-<br />
allem die Geringverdienenden, die Rentnerinnen und koppelt wird, ist die Krise nicht unter Kontrolle zu brin-<br />
Rentner. Deshalb wird die Binnennachfrage zurückgegen.hen. Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen sinken.<br />
Damit wird die Fähigkeit zur Rückzahlung der gewährten<br />
Kredite immer weiter eingeschränkt. Das zeigt die<br />
Entwicklung in Griechenland jetzt schon. Auch deshalb<br />
stimme ich dem Gesetz nicht zu.<br />
Diese Politik ist ungerecht, weil sie die Umverteilung<br />
von unten nach oben beschleunigt und so eine zentrale<br />
Krisenursache fortschreibt. Sie ist ökonomisch gefährlich,<br />
weil die Spardiktate eine ökonomische Belebung<br />
der Krisenländer verhindern und keine effektiven Maß-<br />
Wir wollen stattdessen die Regulierung der Finanznahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Unmärkte,<br />
die Beteiligung der Reichen mit riesigem Vergleichgewichte in der Euro-Zone und der EU vorgesehen<br />
mögen an der Schuldentilgung und eine konstruktive sind.<br />
Unterstützung für die wirtschaftliche Entwicklung in<br />
Griechenland und anderen betroffenen Ländern.<br />
Sie gefährdet zunehmend die europäische Integration:<br />
Rechtspopulistische Parteien, die die Ängste und die<br />
Zweitens. Ich lehne das Gesetz auch deshalb ab, weil Wut der Menschen gegen Spardiktate in europafeindli-<br />
es die demokratisch-parlamentarische Kontrolle des che und nationalistische Propaganda kanalisieren, sind<br />
Bundeshaushalts untergräbt. Im Rahmen des Euro-Kri- in vielen Ländern auf dem Vormarsch. Das gemeinsame<br />
senfonds, EFSF, werden Entscheidungen getroffen, die Projekt eines vereinten und friedlichen Europas befindet<br />
Auswirkungen für spätere Generationen haben. Die de- sich durch diese Politik des grenzenlosen Kapitalismus<br />
mokratische Kontrolle kann nur funktionieren, wenn in höchster Gefahr. Die Parlamente werden entmachtet<br />
(B)<br />
Unterrichtungen und Entscheidungen durch den zuständigen<br />
Fachausschuss, den Haushaltsausschusses, vorbereitet<br />
werden. Es ist auch nicht mit demokratischen<br />
Grundsätzen vereinbar wenn wichtige parlamentarische<br />
Entscheidungen an ein kleines Sondergremium delegiert<br />
werden. Mit dem Gesetz beugt sich der <strong>Bundestag</strong> dem<br />
Diktat der Finanzmärkte.<br />
und eine europäische „Wirtschaftsdiktatur“ errichtet.<br />
Die EU wurde von Anfang an nur im Interesse der<br />
Wirtschaft und Vermögenden gestaltet und nicht als ein<br />
Europa für alle Menschen. Meine Solidarität gilt den<br />
Menschen und nicht Banken oder Kapitalanlegern. Das<br />
europäische Projekt hat nur dann eine Zukunft, wenn es<br />
sozial, solidarisch, friedlich und demokratisch gestaltet<br />
(D)<br />
Auch deshalb sage ich Nein zu diesem Gesetz. wird. Dafür trete ich als demokratischer Sozialist ein. Da<br />
die „Euro-Rettung“ in genau die entgegengesetzte Richtung<br />
weist, kann Ich als Pro-Europäer nicht zustimmen.<br />
Alexander Süßmair (DIE LINKE): Ich lehne die<br />
Aufstockung und Ausweitung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität,<br />
EFSF, ab, denn damit wird ein<br />
marktradikales und gescheitertes Krisenmanagement<br />
fortgesetzt, das die soziale und wirtschaftliche Spaltung<br />
der Euro-Zone und der EU weiter vertieft.<br />
Die an die „Hilfskredite“ aus dem Rettungsschirm geknüpften<br />
radikalen Kürzungsauflagen würgten die Binnenkonjunktur<br />
der Krisenländer ab, verhinderten eine<br />
nachhaltige Erholung der Wirtschaft und verschärften<br />
die Schuldenkrise. Die Finanzmärkte wurden dadurch<br />
nicht „beruhigt“; es wird weiter gegen Krisenstaaten<br />
spekuliert. Bereits jetzt gehen Expertinnen und Experten<br />
sowie Finanzmarktakteure davon aus, dass auch die aufgestockte<br />
EFSF nicht ausreichen wird!<br />
Ich lehne den erweiterten Euro-Rettungsschirm ab,<br />
denn anstatt die Konsequenzen aus der gescheiterten<br />
marktradikalen Politik zu ziehen, wird der Kurs fortgesetzt.<br />
In den Krisenländern bezahlen Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Schülerinnen<br />
und Schüler, Studenteninnen und Studenten, Er-<br />
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ich lehne das<br />
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von<br />
Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus<br />
aus folgenden Gründen ab:<br />
Als Abgeordnete der Linken bin ich proeuropäisch,<br />
denn ich will eine soziale und solidarische europäische<br />
Gemeinschaft. Doch diesem Ziel wird der erweiterte<br />
Rettungsschirm nicht gerecht. Der Rettungsschirm lässt<br />
insbesondere die Bevölkerung von Europa im Regen stehen,<br />
denn sie soll für die Krise zahlen, nicht deren Verursacher<br />
und Profiteure. Damit vertieft er die soziale und<br />
wirtschaftliche Spaltung in der europäischen Gemeinschaft,<br />
statt sie sozial, ökologisch und wirtschaftlich zu<br />
einen.<br />
Die Ursachen der Krisen, vor allem die hochspekulativen,<br />
entfesselten Finanzmärkte werden mit ihm nicht<br />
beseitigt, sondern fortgeschrieben. Um Profite von Banken,<br />
Versicherungen und Spekulationsgewinne zu sichern,<br />
werden weiter Milliarden Steuergelder verbrannt.