Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Ansgar Heveling<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15371<br />
(A) Rechte einzuräumen und sie selbst entscheiden zu las- zuletzt, als ins Feld geführt wird, dass mit Steuermitteln (C)<br />
sen, wie sie ihre Werke veröffentlichen.<br />
finanzierte Forschung auch frei zugänglich sein sollte.<br />
(B)<br />
Ich wünschte mir also, Sie wären mit Ihrem Antrag<br />
kreativer und vor allem nachhaltiger gewesen. So ist Ihr<br />
Antrag nichts anderes als ein billiger Abklatsch des<br />
SPD-Antrags zu einem verbindlichen Zweitverwertungsrecht:<br />
dreist abgekupfert!<br />
Tankred Schipanski (CDU/CSU):<br />
Open Access ist schon heute Realität. In vielen Disziplinen<br />
ist das digitale Publizieren zur gängigen Praxis<br />
geworden – moderne, zielorientiere und standortübergreifende<br />
Forschung ist dort anderweitig nicht mehr<br />
vorstellbar. Digitale Publikationen sind vielerorts zu einer<br />
unabdingbaren Voraussetzung moderner Forschungsarbeit<br />
geworden.<br />
Dennoch werden auch noch heute wissenschaftliche<br />
Texte überwiegend in Print-Form veröffentlicht. Die<br />
Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen ist es das Interesse<br />
des wissenschaftlichen Autors, seinen Text in einer<br />
möglichst angesehenen Fachzeitschrift zu veröffentlichen.<br />
Das ist verständlich, und die Wahl des Publikationskanals<br />
ist nicht allein deshalb zu Recht ein grundrechtlich<br />
geschützter Aspekt der Wissenschaftsfreiheit.<br />
Es mag hier in vielen Bereichen noch an einer notwendigen<br />
Akzeptanz von Open-Access-Zeitschriften mangeln.<br />
Tatsächlich lässt sich aber auch nicht verbergen, dass<br />
einer größeren Anzahl von Publikationen im Wege von<br />
Open Access auch die gegenwärtigen Verlags- und Veröffentlichungsstrukturen<br />
entgegenstehen. Zwar bietet<br />
das Urheberrecht in seiner jetzigen Form alle notwendigen<br />
Schranken, die erforderlich sind, um dem Autor eine<br />
Open-Access-Veröffentlichung zu ermöglichen. Rechtstechnisch<br />
steht das Urheberrecht also einer digitalen<br />
Publikation nicht entgegen. Problematisch ist jedoch,<br />
dass der Autor regelmäßig seine Rechte nicht wirklich<br />
frei ausüben kann, da er mit dem Veröffentlichungsvertrag<br />
in aller Regel sämtliche Verwertungsrechte gegenüber<br />
dem Verlag einräumt bzw. einräumen muss.<br />
Zur Förderung von Open Access sehen wir uns folglich<br />
mit zwei Aufgaben konfrontiert:<br />
Erstens. Wie schaffen wir neue Anreize, um den wissenschaftlichen<br />
Autor für digitale Veröffentlichungen zu<br />
interessieren?<br />
Zweitens. Wie können wir auf die gegenwärtigen<br />
Strukturen einwirken, damit der Autor seinen Willen, im<br />
Wege von Open Access zu veröffentlichen, auch tatsächlich<br />
verwirklichen kann?<br />
Die erste Frage ist zunächst eine Frage der Akzeptanz<br />
von Open-Access-Zeitschriften und -Repositorien.<br />
Es mag hier mit einiger Berechtigung angeführt werden,<br />
dass diese Akzeptanz nur dann zu steigern sein wird,<br />
wenn die Zahl der Erst- und Zweitveröffentlichungen in<br />
solchen Zeitschriften zunimmt. Als Anreiz wird daher<br />
schon seit längerem diskutiert, die Vergabe von Forschungsmitteln<br />
daran zu binden, dass die Ergebnisse im<br />
Wege von Open Access publiziert werden. Dies gilt nicht<br />
Auf die Frage, wie dem Autor auch tatsächlich die<br />
Möglichkeit zur Open-Access-Veröffentlichung gegeben<br />
werden soll, ist zunächst zwischen der Erst- und Folgeveröffentlichungen<br />
zu unterscheiden. Bei einer Erstveröffentlichung<br />
im Wege von Open Access sieht sich der<br />
Autor regelmäßig mit keinen Hindernissen konfrontiert.<br />
Problematisch wird es für ihn, wenn er einer Veröffentlichung<br />
im Print-Wege eine digitale, frei zugängliche Publikation<br />
folgen lassen will. Dies ist ihm aufgrund der<br />
umfassenden Rechteeinräumung gegenüber dem Verlag<br />
zumeist verwehrt. Dennoch werden viele Wissenschaftler<br />
verständlicherweise nicht auf die Veröffentlichung in<br />
einem angesehenen Verlag verzichten wollen. Vonseiten<br />
der Wissenschaftsorganisationen wird daher ebenfalls<br />
seit längerem ein unabdingbares, formatgleiches Zweitverwertungsrecht<br />
gefordert.<br />
Die Vorteile beider Vorschläge liegen auf der Hand,<br />
bedürfen aber einer ausführlichen Abwägung der verschiedenen<br />
Interessenlagen. Während ein Zweitverwertungsrecht<br />
eine gesetzgeberische Tätigkeit im Urheberrecht<br />
erfordert, ist eine Bindung der Forschungsmittel<br />
außerhalb des Urhebergesetzes zu verwirklichen. Eine<br />
endgültig verpflichtende Bestimmung, nach der Forschungsmittel<br />
nur bei folgender Open-Access-Publikation<br />
zur Verfügung gestellt werden, kann jedoch Probleme<br />
mit der Wissenschaftsfreiheit aufwerfen, wenn<br />
dadurch die Wahlfreiheit des öffentlich geförderten Autors,<br />
welchen Publikationskanal er für den richtigen<br />
hält, genommen würde.<br />
Für den Gesetzgeber muss feststehen, dass es bei der<br />
Frage des Zweitverwertungsrechts vor allem darum gehen<br />
muss, die rechtliche Position des wissenschaftlichen<br />
Autors zu stärken. Zweifelsohne wird dies durch ein<br />
Zweitverwertungsrecht zunächst erreicht werden, denn<br />
der Autor kann seiner Print-Veröffentlichung nach Ablauf<br />
der Embargo-Frist eine Zweitveröffentlichung auf<br />
einem frei zugänglichen Repositorium folgen lassen. Jedoch<br />
ist von Autorenseite darauf hingewiesen worden,<br />
dass Rechte, die nicht mehr vollumfänglich Dritten eingeräumt<br />
werden können, an Wert verlieren. Auch diese<br />
Position gilt es zu beachten.<br />
So haben wir auf der einen Seite das Interesse des Autors,<br />
das sich zwischen einer Wahrung seiner Rechte und<br />
der tatsächlichen Möglichkeit einer freien Rechteausübung<br />
bewegt. Daneben steht das Interesse der Wissenschaftsorganisationen,<br />
der Förderung von Open Access<br />
nachhaltigen Auftrieb zu geben. Schließlich dürfen aber<br />
auch die Verlage nicht außer Acht gelassen werden, deren<br />
Bedeutung für die Förderung und Kommunikation<br />
qualitativer wissenschaftlicher Arbeit gar nicht groß genug<br />
eingeschätzt werden kann. Letztendlich müssen wir<br />
die Gemengelage in unserer Wissenschaftslandschaft<br />
berücksichtigen. Während für den Bereich der Naturwissenschaften<br />
der freie Zugriff auf digitale Veröffentlichungen<br />
unentbehrlich ist, hat Open Access für den Bereich<br />
der Geisteswissenschaften naturgemäß eine<br />
weitaus geringere Bedeutung.<br />
Zu Protokoll gegebene Reden<br />
(D)