Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011 15403<br />
(A)<br />
Dr. Gerhard Schick<br />
wirklicher Hebel gegen Geldwäsche wird jedoch nicht aber auch ganz konkret bei der Umsetzung der spezifi- (C)<br />
eingesetzt – ein gleichmäßiges Niveau der Geldwäscheschen Geldwäschenormen. Hier sei an das Vertragsverprävention<br />
über die verschiedenen möglichen Wege und letzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutsch-<br />
Formen der Geldwäsche wird nicht erreicht. Das Verland Anfang des Jahres erinnert. Einige Bundesländer<br />
ständnis von Geldwäscheprävention, wie es aus dem Ge- hatten nach drei Jahren nicht einmal die Benennung von<br />
setzentwurf hervorgeht, bleibt deshalb das einer Aufklä- Aufsichtsbehörden umgesetzt – vom Unterschied zwirungskampagne<br />
für die sensiblen Branchen mit einigen schen einer formal benannten und einer real funktionie-<br />
Sanktionsmöglichkeiten, falls die betroffenen Unternehrenden Aufsicht ganz zu schweigen.<br />
merinnen und Unternehmer einer Bewusstseinsbildung<br />
für verdächtige Geschäftspraktiken ihrer Kundinnen und Wenn die Bundesregierung willens ist, Geldwäsche<br />
Kunden nicht nachkommen. Ein solches Bewusstsein ist als Problem ernst zu nehmen, wenn tatsächlich ein höhe-<br />
zwar nötig und wünschenswert, solange es nicht in ein rer Anteil an Geldwäscheaktivitäten enttarnt werden<br />
Denunziantentum ausartet, es löst aber fundamentale soll, dann braucht es eine Verständigung, wo und wie<br />
Probleme nicht.<br />
das nötige Personal für Aufsicht, Ermittlung und Vollzug<br />
In Deutschland beträgt das Geldwäschevolumen<br />
Schätzungen zufolge jährlich einen höheren zweistelligen<br />
Milliardenbetrag. Diese illegal erwirtschafteten<br />
Gelder sind Teil transnational organisierter Kriminalität;<br />
dahinter können Drogen-, Waffen- und Menschenhandel<br />
stehen. Sie sind ein Sicherheitsrisiko, festigen<br />
kriminelle Strukturen, verweben sich mit dem legalen<br />
Wirtschaftskreislauf und führen dort auch noch zu Wettbewerbsverzerrungen.<br />
eingesetzt werden soll. Es braucht eine konsequente<br />
Bund-Länder-Strategie. Bei dieser Gelegenheit muss<br />
gleichzeitig die Architektur der Aufsicht auf den Prüfstand.<br />
Ein aktuelles Beispiel ist das kürzlich beschlossene<br />
Glücksspielgesetz in Schleswig Holstein. Es betrifft,<br />
wie gesagt, einen für Geldwäsche sensiblen<br />
Bereich und verfolgt eine verfehlte Liberalisierungsstrategie.<br />
Da Glücksspiel heutzutage verstärkt im Internet<br />
stattfindet, da Schleswig-Holstein dadurch zum deutschen<br />
Las Vegas werden und Kunden über die eigenen<br />
Nehmen wir ein Beispiel, das sicher viele schon be- Landesgrenzen hinaus anziehen könnte, hat die Fehlentobachtet<br />
haben: Eine alteingesessene, gut laufende scheidung eines einzelnen Bundeslandes Auswirkungen<br />
Kneipe verschwindet auf einmal aus dem Straßenbild, für alle Länder.<br />
(B)<br />
und an ihre Stelle tritt ein neues Lokal ohne Kunden. Bei<br />
auslaufendem Pachtvertrag wurde der bisherige Betreiber<br />
von einem Konkurrenten verdrängt, der kein originäres<br />
Interesse an Gastronomie hat, aber ganz andere<br />
Preise zu zahlen imstande ist, weil er durch noch zu waschende<br />
Einkünfte rentabler „wirtschaften“ kann als jeder<br />
ehrliche Unternehmer. Geldwäsche ist – das wird in<br />
einem solchen Beispiel deutlich – nicht ein Randphänomen<br />
in zweifelhaften Milieus, sondern kann zum wirtschaftlichen<br />
Problem für jedermann werden.<br />
Geldwäsche ist ein kreatives Geschäft. Es sind mittlerweile<br />
Fälle bekannt, bei denen populäre Onlinespiele<br />
Mit der Gesetzesnovelle sind die Bundesministerien<br />
für Finanzen, Wirtschaft, Inneres und Justiz für die Prävention<br />
zuständig. Das entspricht durchaus der Materie,<br />
macht jedoch deutlich, dass die Koordination auf Bundesebene<br />
bereits aufwendig ist. Dies mag auch erklären,<br />
warum eine nachvollziehbare Strategie Deutschlands<br />
bei der Bekämpfung der Geldwäsche bisher ausbleibt.<br />
Das beim BMF geplante Expertengremium zum Thema<br />
ist zwar ein Lichtblick in der Gesetzesbegründung, sofern<br />
wir erwarten können, dass die zahlreichen Stimmen<br />
aus Fachkreisen dort ernst genommen werden.<br />
(D)<br />
als Plattformen für Geldwäsche genutzt wurden. Die Kürzlich fand eine Geldwäschetagung von Organisa-<br />
Nutzung des Internets bietet zahlreiche neue Möglichtionen wie dem Bund <strong>Deutscher</strong> Kriminalbeamter, der<br />
keiten der „Geldkonvertierung“; die legendären Wasch- Deutschen Steuer-Gewerkschaft, dem Bund der Richter<br />
salons Al Capones sind längst Geschichte.<br />
und Staatsanwälte und der Deutschen Zoll- und Finanz-<br />
Es gilt daher, jetzt und in Zukunft viele Abwägungen<br />
zu treffen, um weder eine Überwachungshysterie noch<br />
rechtsfreie Räume entstehen zu lassen. Die Antwort auf<br />
einen möglichen Missbrauch von Zahlungsströmen und<br />
-möglichkeiten darf nicht einfach „mehr Datensammelei“<br />
heißen, was angesichts der Erfahrungen der letzten<br />
Jahre zu befürchten ist. Ein Wust von teils föderalen und<br />
meist branchenspezifischen Aufsichtsinstitutionen, die<br />
zwar den ehrlichen Unternehmen viele Lasten aufbrummen,<br />
aber keinem systematischen und koordinierten Ansatz<br />
der Geldwäscheprävention folgen, wird bei Geldwäschern<br />
wenig Aufruhr verursachen.<br />
gewerkschaft statt. Der Vergleich der dort diskutierten<br />
Probleme mit dem jetzigen Gesetzentwurf offenbart,<br />
dass die Bundesregierung von einer politischen Agenda<br />
gegen Geldwäsche weit entfernt ist. Nicht zuletzt wird<br />
deutlich, dass angesichts der Summen und der Strukturen,<br />
um die es geht, die Sanktionen manchmal zu gering<br />
sind. Im nun anstehenden Gesetzgebungsverfahren werden<br />
wir uns deshalb unter anderem dafür starkmachen,<br />
den Bußgeldrahmen für besonders schwere Verstöße zu<br />
erhöhen. Dies entspricht nicht nur den Monita der FATF,<br />
sondern auch den Empfehlungen des Bundesrates.<br />
So ist eine weitere Erfahrung der letzten Jahre, dass<br />
zahlreiche Defizite beim Vollzug in den Bundesländern<br />
Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
der Finanzen:<br />
bestehen. Das gilt zum einen für die Steuerfahndung. Für die Integrität des Wirtschaftsstandorts Deutsch-<br />
Die Ausstattung, vor allem mit Personal, bei der Steuerland ist es von großer Bedeutung, Geldwäsche und Terfahndung<br />
ist dürftig, Geldwäsche geht aber oft mit der rorismusfinanzierung wirksam zu verhindern. Um dieses<br />
eben erwähnten Steuerhinterziehung einher. Das gilt Ziel zu erreichen, hat die Bundesregierung den Entwurf<br />
Zu Protokoll gegebene Reden