31.12.2012 Aufrufe

Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

(B)<br />

15382 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />

(A)<br />

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms<br />

Die finanzielle Deckelung von Reha-Leistun- mit einem stärkeren Anteil chronischer und psychischer (C)<br />

gen in der gesetzlichen Rentenversicherung Erkrankungen schlagen sich auch in der Kostenstruktur<br />

aufheben – Reha am Bedarf ausrichten für Rehabilitationsleistungen nieder.<br />

– Drucksache 17/6914 –<br />

Die bisherige Koppelung an die Lohnentwicklung in<br />

Überweisungsvorschlag:<br />

Verbindung mit diesen absehbaren Entwicklungen führt<br />

Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)<br />

Ausschuss für Gesundheit<br />

dazu, dass die bestehende Budgetierung – der sogenannte<br />

Rehadeckel – faktisch von Jahr zu Jahr verschärft<br />

wird. Die Zahl der von den Versicherten beantragten<br />

beruflichen Rehabilitationsleistungen ist in den<br />

vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Sie lag<br />

im Jahr 2000 bei 1 605 724. Im Jahr 2010 gingen<br />

2 082 108 Anträge ein. Das entspricht einer Steigerung<br />

von 29,7 Prozent. In derselben Zeit stieg das zur Verfügung<br />

stehende Finanzvolumen aber lediglich um<br />

22,1 Prozent, von 4 553,1 Millionen Euro im Jahr 2000<br />

auf 5 559,3 Millionen Euro im Jahr 2010.<br />

Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):<br />

Der Grundsatz „Reha vor Rente“ ist ein zentrales<br />

Prinzip in der gesetzlichen Rentenversicherung. Es entspricht<br />

dem Grundsatz der Humanität, alles zu tun,<br />

damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Berufstätigkeit<br />

verursachte gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />

wieder überwinden können.<br />

Auch Arbeitgeber, Rentenversicherung und Sozialversicherungsträger,<br />

die ganze Gesellschaft, haben an<br />

der Verhinderung des vorzeitigen Ausscheidens aus dem<br />

Erwerbsleben und der dauerhaften Wiedereingliederung<br />

ins Erwerbsleben ein nachvollziehbares Interesse. Studien<br />

zeigen, dass die durchschnittlichen Kosten für eine<br />

Rehabilitationsmaßnahme von 3 600 Euro sich bereits<br />

amortisieren, wenn der Beginn einer Erwerbsminderungsrente<br />

um vier Monate hinausgeschoben wird. Das<br />

Prognos-Institut hat ermittelt, dass die Gesellschaft für<br />

einen in medizinische Rehabilitation investierten Euro<br />

5 Euro zurückerhält.<br />

Deutschland gehört zusammen mit vier weiteren<br />

OECD-Ländern zu denjenigen, die die höchsten Ausgaben<br />

für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aufweisen.<br />

Die finanziellen Mittel, die der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

für Leistungen zur Teilhabe, das sind<br />

insbesondere medizinische Rehabilitation und berufsfördernde<br />

Maßnahmen, zur Verfügung stehen, werden<br />

gemäß den gesetzlichen Vorgaben jährlich entsprechend<br />

der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und<br />

-gehälter je Arbeitnehmer aufgestockt. Deshalb ist die<br />

Aussage im Antrag der Linken schlichtweg falsch, dass<br />

ein politisch willkürlicher Ausgabendeckel die Rehaleistungen<br />

begrenzt. Da auch die Einnahmen der gesetzlichen<br />

Rentenversicherung gemäß den Lohnerhöhungen<br />

zunehmen, war es eine logische gesetzliche Regelung,<br />

die Lohnentwicklung auch als Bezugskriterium für die<br />

Erhöhung der Rehaausgaben zu wählen.<br />

Andererseits stellt sich aber zu Recht die Frage, ob<br />

die bisherige Formel die tatsächliche Entwicklung des<br />

Bedarfs auch für die Zukunft korrekt abbildet. Das hat<br />

insbesondere drei Gründe:<br />

Aufgrund der Altersentwicklung der Bevölkerung<br />

nimmt auch das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung<br />

zu. Da mit zunehmendem Alter die Ausgaben für<br />

Gesundheitsleistungen steigen, wirkt sich dieses auch<br />

auf den Rehabilitationsbedarf aus.<br />

Die Anhebung des Renteneintrittsalters und der<br />

durchschnittlichen Lebensarbeitszeit führen mit aufwachsender<br />

Tendenz zu zusätzlichem Rehabilitationsbedarf.<br />

Medizinischer Fortschritt mit neuen Behandlungsmöglichkeiten<br />

sowie eine veränderte Krankheitsstruktur<br />

Um mit dem bereitstehenden Geld auszukommen, hat<br />

die Deutsche Rentenversicherung den Grundsatz „Ambulant<br />

vor stationär“ gestärkt, die Aufenthaltsdauer in<br />

Rehabilitationsmaßnahmen gekürzt und „Fremdbelegungen“<br />

restriktiver gehandhabt. Zugleich erfolgte eine<br />

strengere Antragsprüfung insbesondere bei rentennahen<br />

und arbeitsmarktfernen Versicherten. Dieses wird unter<br />

anderem auch darin deutlich, dass die Zahl der Bewilligungen<br />

von circa 70 Prozent im Jahr 2000 auf circa<br />

64 Prozent der Anträge im Jahr 2010 gesunken ist.<br />

Die Deutsche Rentenversicherung stößt bei ihren Bemühungen,<br />

mit den bereitgestellten Mitteln für Rehabilitationsleistungen<br />

auszukommen, allmählich an die<br />

Grenze des Machbaren. Eine weitere Öffnung der<br />

Schere zwischen Rehabilitationsbedarf und zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln halten viele für nicht verkraftbar.<br />

Wesentliche Spielräume durch Effizienzsteigerungen,<br />

die nicht zulasten der Versicherten gehen, sind<br />

kaum mehr vorhanden. Gerade wenn Arbeiten bis 67 für<br />

alle möglich sein soll, ist im Gegenteil sogar mehr berufliche<br />

Rehabilitation zum Erhalt und zur Wiederherstellung<br />

der Arbeitskraft nötig. Dass nun die Linken unter<br />

Verweis auf diese Entwicklung die Anhebung des<br />

Rehadeckels fordern, ist wohl ein Indiz dafür, dass trotz<br />

aller gegenteiligen Rhetorik die Linken mittlerweile mit<br />

der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze in<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre versöhnt<br />

sind. Das wäre ja immerhin ein beachtlicher politischer<br />

Fortschritt.<br />

Im Koalitionsvertrag von Union und FDP heißt es<br />

treffend: „Qualifizierte medizinische Rehabilitation ist<br />

eine wichtige Voraussetzung zur Integration von Kranken<br />

in Beruf und Gesellschaft und nimmt im Gesundheitswesen<br />

einen immer höheren Stellenwert ein.“ Bei<br />

der Ausgestaltung der künftigen Ausgabengrenze und<br />

der Anpassungsformel für die Rehabilitation in der Rentenversicherung<br />

müssen strukturelle Veränderungen<br />

etwa im Bereich der Demografie und veränderte politische<br />

Rahmenbedingungen wie die Anhebung des Renteneintrittsalters<br />

und damit die Ausweitung der Lebensarbeitszeit<br />

– diese sind politisch gewollt und<br />

notwendig – berücksichtigt werden. Zusätzliche finanzelle<br />

Spielräume sind schwerpunktmäßig für Maßnahmen<br />

der beruflichen Rehabilitation zu nutzen, die derzeit<br />

(D)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!