Stenografischer Bericht 130. Sitzung - Deutscher Bundestag
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(B)<br />
15416 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 17. Wahlperiode – <strong>130.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2011<br />
(A) Die Binnenkonjunktur in Griechenland wird unter gen Auflagen treffen dort vor allem die Geringverdiene- (C)<br />
diesen Maßnahmen leiden. Auch auf die deutsche Exrinnen und Geringverdiener, die Rentnerinnen und Rentportwirtschaft<br />
wird dieses Gesetz Auswirkungen haben. ner. Die Folge davon ist, dass die Binnennachfrage<br />
Sie wird zukünftig einen schwächeren Absatzmarkt in einbricht. Dadurch werden weitere Menschen arbeitslos,<br />
Griechenland vorfinden. Zudem sind andere Länder wie und die Steuereinnahmen sinken. Die Fähigkeit zur<br />
Italien, Spanien oder Frankreich in der Gefahr, dieselben Rückzahlung der gewährten Kredite wird immer weiter<br />
Konsequenzen tragen zu müssen. Die Regulierung der eingeschränkt. Das zeigt die Entwicklung in Griechen-<br />
Finanzmärkte ist zwingend erforderlich, wenn wir das land. Auch deshalb sage ich Nein zu dem Gesetz.<br />
europäische Finanzsystem insgesamt stabilisieren wollen.<br />
Dies muss nun zügig durchgesetzt werden.<br />
Wir wollen stattdessen die Regulierung der Finanzmärkte,<br />
also die Banken endlich an die Kette legen, die<br />
Neben der inhaltlichen Abwägung gibt es allerdings Heranziehung der Riesenvermögen zur Schuldentilgung<br />
noch die Diskussion über die demokratische Kontrolle und eine konstruktive Unterstützung für die wirtschaftli-<br />
des Rettungsschirms.<br />
che Entwicklung in Griechenland und anderen betroffenen<br />
Ländern.<br />
Ich sehe meine Rechte aus Art. 38 GG, Art. 20 GG<br />
sowie dem Demokratieprinzip durch die vorgesehene<br />
Lösung gefährdet. Ich halte die Beteiligung des <strong>Bundestag</strong>es<br />
bei konkreten Hilfszusagen in jedem neuen Einzelfall<br />
für unverzichtbar. Der Kompromiss, der auf Betreiben<br />
der SPD-Fraktion gefunden wurde, ist nur eine<br />
Mindestlösung. Danach darf der Vertreter der Bundesregierung<br />
in der EFSF, der European Financial Stability<br />
Facility, einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische<br />
Gesamtverantwortung des <strong>Bundestag</strong>es berührt,<br />
nur dann zustimmen, wenn das Parlament zuvor einen zustimmenden<br />
Beschluss gefasst hat. Bei besonderer Eilbedürftigkeit<br />
oder Vertraulichkeit sollen die Beteiligungsrechte<br />
des <strong>Bundestag</strong>es von einem Unterausschuss des<br />
Haushaltsausschusses wahrgenommen werden, dem<br />
neun Mitglieder aus allen Fraktionen angehören sollen.<br />
Die SPD hat dazu einen Änderungsantrag vorgelegt,<br />
nach dem auch in Fällen der Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit<br />
der Haushaltsausschuss zustimmen soll –<br />
und nicht das Sondergremium. Dies wurde von der Regierung<br />
leider abgelehnt.<br />
Insgesamt wird es sehr wichtig sein, dass wir genau<br />
überprüfen, ob damit auch die erforderlichen Ziele erreicht<br />
werden können. Diese Entscheidung reiht sich ein<br />
in eine Politik, bei der die Rechte des Parlaments und der<br />
einzelnen Abgeordneten immer weiter eingeschränkt<br />
werden. Diese Entwicklung halte ich für bedrohlich. Es<br />
wird Zeit, darüber endlich ausgiebig zu diskutieren und<br />
gegenzusteuern.<br />
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ich stimme<br />
dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme<br />
von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen<br />
Stabilisierungsmechanismus aus zwei Gründen nicht zu:<br />
Erstens: Die Aufstockung der Mittel des Stabilisierungsfonds<br />
ist im Ergebnis eine Unterstützung der Banken,<br />
der Finanzinstitute, der Reichen und der Superreichen. Im<br />
Haftungsfall werden wie immer die entstehenden Lasten<br />
aber von der großen Mehrheit der Steuerzahlerinnen und<br />
Steuerzahler getragen. Ich befürchte auch eine Kürzung<br />
von Renten und anderen Sozialleistungen. Die Bundesregierung<br />
ist jedenfalls nicht bereit, für die gegenwärtigen<br />
Sozialstandards eine Garantieerklärung abzugeben. Deshalb<br />
lehne ich das Gesetz ab.<br />
Den Menschen in den Ländern, die Mittel von der<br />
EFSF erhalten, wird nicht wirklich geholfen: Die stren-<br />
Zweitens: Ich lehne das Änderungsgesetz auch deshalb<br />
ab, weil es die demokratisch-parlamentarische Kontrolle<br />
des Bundeshaushalts aushöhlt. Im Rahmen der<br />
EFSF werden Entscheidungen getroffen, die Auswirkungen<br />
für spätere Generationen haben – so viel zur viel beschworenen<br />
Generationengerechtigkeit.<br />
Die demokratische Kontrolle durch uns gewählte Abgeordnete<br />
kann durch Unterrichtungen und Entscheidungen<br />
des Haushaltsausschusses nicht ersetzt werden. Noch<br />
weniger ist es mit demokratischen Grundsätzen vereinbar,<br />
wenn wichtige parlamentarische Entscheidungen an<br />
ein kleines Sondergremium delegiert werden. Auch deshalb<br />
sage ich Nein zu dem Gesetz, das die Unterordnung<br />
demokratischer Verfassungsprinzipien unter das Diktat<br />
der Finanzmärkte bedeutet.<br />
Marco Buschmann (FDP): Wir debattieren heute<br />
über einen vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf<br />
zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen.<br />
Lassen Sie mich kurz einführen, warum ich<br />
es als wichtig erachte, diesen Gesetzentwurf hier im<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong> zu diskutieren.<br />
In einer globalisierten Handelswelt begegnen wir dem<br />
Wettbewerb nicht nur auf rein ökonomischer Ebene.<br />
Ebenso muss sich unser Rechtssystem im Vergleich zu<br />
anderen Rechtskreisen behaupten. Insbesondere in der<br />
internationalen Geschäftswelt ist das angelsächsische<br />
Recht auf dem Vormarsch. Das liegt nicht an der Überlegenheit<br />
des Common Law. Vielmehr herrscht in der juristischen<br />
Fachwelt die Auffassung vor, dass das deutsche<br />
Recht im internationalen Vergleich einen sehr<br />
hohen Qualitätsstandard für sich beanspruchen kann.<br />
Dieser hohe Qualitätsstandard setzt sich in der Rechtspflege<br />
fort. Deutsche Gerichtsverfahren führen in der<br />
Regel schnell und mit vergleichsweise niedrigen Kosten<br />
zu einem für die Rechtsuchenden befriedigenden Ergebnis.<br />
Somit eignen sich nicht nur unsere Waren als Exportschlager.<br />
Auch unser Rechtssystem könnte einer<br />
werden.<br />
Jedoch ist das deutsche Recht im Vergleich zum<br />
Common Law einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt.<br />
Unser Rechtskreis könnte durch Abbau dieses Wettbewerbsnachteils<br />
attraktiver werden: Der angelsächsische<br />
Rechtskreis spielt bislang den Vorteil der englischen<br />
Sprache als internationale Handelssprache voll aus. Un-<br />
(D)