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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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gerade mittels Einbezug der gesellschaftlichen Kontexte des Gesagten in die Analyse. Dies<br />

erläutert Bourdieu an dem Beispiels eines Gesprächs von drei Gymnasiastinnen:<br />

„So wird man bspw. das, was in dem scheinbar vollkommen banalen Gespräch<br />

zwischen drei Gymnasiastinnen gesagt wird, nur dann wirklich verstehen, wenn man<br />

[...] es schafft, aus ihren Worten die Struktur der objektiven gegenwärtigen und<br />

vergangenen Beziehungen zwischen ihrem Werdegang und der Struktur der<br />

schulischen Einrichtungen, die sie besucht haben, und damit die Struktur und<br />

Geschichte des Bildungssystems, die darin zu Ausdruck kommt, herauszulesen“ (ebd.<br />

S. 793).<br />

Eine Interviewanalyse ohne die Einbeziehung der Struktur und Geschichte in diesem Falle<br />

der Institution Schule und des Bildungssystems sei „eine in naiver Weise personalisierte<br />

Sichtweise, die Einzigartigkeit der gesellschaftlichen Individuen glauben machen möchte“<br />

(ebd. S. 793). Es ist hingegen notwendig, die verbalen Daten, die im Rahmen einer<br />

punktuellen Interaktion entstanden sind, im Kontext der in den Äußerungen enthaltenen<br />

Strukturen an die Oberfläche zu bringen, „um auf das Wesentliche dessen, was die<br />

Idiosynkrasie eines jeden dieser jungen Mädchen ausmacht, sowie auf die ganz einzigartige<br />

Komplexität ihres Agierens und Reagierens zurückzukommen“ (ebd. S. 793). Auch die<br />

unsichtbaren Strukturen des gesellschaftlichen Raumes, „in dem die drei jungen Mädchen von<br />

Beginn an hineingestellt waren, und die Struktur des schulischen Raumes, innerhalb dessen<br />

sie unterschiedliche Werdegänge durchlaufen haben, welche, auch wenn sie der<br />

Vergangenheit angehören, [werden, K.R.] weiterhin ihre Sichtweise ihrer schulischen<br />

Vergangenheit und Zukunft sowie ihre Sichtweise von sich selbst und dem, was ihnen in<br />

höchsten Maße eigen ist, lenken“ (ebd. S. 793).<br />

Dass der/ die AutorIn Bezüge zwischen dem konkret Ausgesagten und gesellschaftlichen<br />

Strukturen herstellt, bedeutet nicht, dass den Befragten selbst diese Bezüge bewusst sein<br />

müssen, „sie haben nicht notwendigerweise Zugang zum Ursprung ihrer Unzufriedenheit oder<br />

ihrer Malaise, und auch die spontansten Erklärungen können, ohne jegliche<br />

Verschleierungsabsichten, etwas ganz anderes zum Ausdruck bringen als das, was sie<br />

scheinbar sagen“ (ebd. S. 796).<br />

Zur Präsentation der Daten ist es wichtig, auch die RezipientInnen in die Daten<br />

einzuführen, da festgestellt wurde<br />

„dass Leser, die nicht eingeführt wurden, die Berichte wie Eingeständnisse eines<br />

Freundes eines Freundes oder wie Äußerungen (oder den Klatsch) über Dritte lasen,<br />

was ihnen die Gelegenheit bot, sich zu identifizieren, aber auch, sich abzugrenzen, zu<br />

richten, zu verurteilen oder in der Bestätigung gemeinsamer Werte einen moralischen<br />

Konsens zu betonen. Der politische Akt ganz besonderer Art, der darin besteht, durch<br />

die Veröffentlichung das an die Öffentlichkeit zu bringen, was dort normalerweise<br />

keinen Zugang hat, zumindest nicht in dieser Form, würde dann in gewisser Weise<br />

verkehrt und vollständig seines Sinnes beraubt“ (ebd. S. 800, Hervorhebung im<br />

Original).<br />

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