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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Grenzbereich dar, da im DSM und ICD ausdrücklich erwartet wird, dass das traumatische<br />

Ereignis exploriert wird.<br />

Von Seiten der BegutachterInnen wird dem entgegnend immer wieder angeführt, dass<br />

folgende Fragen zu trennen seien: „Ist die Erkrankung glaubwürdig und ist die<br />

Foltergeschichte glaubwürdig?“ (Birck 2003a, S. 29). Dies seien “völlig unterschiedliche<br />

Dinge, die von unterschiedlichen Disziplinen zu beantworten sind” (ebd.). Zur Frage, ob eine<br />

psychiatrische Krankheit besteht oder nicht, sie simuliert wird, oder nicht, seien klinische<br />

PsychologInnen/ FachärztInnen zu fragen 110 . Die Glaubhaftigkeit einer Aussage überprüfe<br />

aber die Aussagepsychologie (vgl. Birck 2002b; Birck 2003b; Birck 2003c). „Die forensische<br />

und die klinische Methode kann man nicht beide gleichzeitig anwenden und nicht beides<br />

fragen, ob jemand krank ist, und was er hat und ob seine Aussagen zu Erlebnissen glaubhaft<br />

sind“ (Birck 2003b, S. 37). In dem Kontext der Begutachtung potentiell traumatisierter<br />

Flüchtlinge könne man nur „sagen, ob jemand krank ist und ob diese Krankheit plausibel mit<br />

Foltererlebnissen und erklären wäre, aber auch nicht mehr“ (ebd.).<br />

Es ist nicht nur ein Problem, dass Entscheidungstragende diese beiden unterschiedlichen<br />

psychologischen Disziplinen nicht trennen und an die klinische Begutachtung Erwartungen<br />

stellen, die sie nicht erfüllen kann und will. Auch wird immer wieder angeführt, dass die<br />

aussagepsychologische Untersuchung, ob die Aussage über erfahrene Verfolgung, Folter,<br />

sexualisierte Gewalt, Flucht etc. glaubhaft sei, bei dieser Bezugsgruppe aus fachlichen<br />

Gründen nicht ohne weiteres Anwendung finden könne (vgl. Bittenbinder 2000a; Birck<br />

2003a; Birck 2003c; Fischer 2001; Koch 2001; Marx et. al. 2004; von Hinckeldey & Fischer<br />

2002). Es wird von zunehmend mehr PraktikerInnen die Begründung angeführt, dass die<br />

Erfahrungen von traumatischen Situationen die Gedächtnisleistung der Betreffenden<br />

modifiziere. Angeführt wird, dass „traumatische Erinnerungen aus neurophysiologischen und<br />

psychodynamischen Gründen fragmentarischen Charakter besitzen, statt Kohärenz“ (Fischer<br />

2001, S. 9). Hingewiesen wird auf eine fehlende Validierung aussagepsychologischer<br />

Forschung zur Begutachtung von Menschen, die an einer PTSD erkrankt seien. Angeführt<br />

wird, dass diese die traumatische Erfahrung im Gedächtnis anders abspeichern und erinnern,<br />

als gesunde Menschen (vgl. Bittenbinder 2000a; Birck 2002b; Birck 2003a; Birck 2003b;<br />

110 Im DSM IV gibt es eine Passage, in der ausdrücklich die Frage der Simulation einer PTSD bei dessen<br />

Diagnoseerstellung überprüft werden muss: „Simulation sollte ausgeschlossen werden, wenn finanzielle<br />

Entschädigung, versicherungsrechtliche oder forensische Entscheidungen eine Rolle spielen“ (DSM- IV 1996, S.<br />

491).<br />

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