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Kapitel Drei<br />
Posttraumatische Belastungsstörung als psychiatrisches Diagnosebild<br />
In diesem Kapitel wird speziell auf die in den klinischen Klassifikationssystemen (DSM 62<br />
sowie ICD 63 ) verwendeten Diagnosekriterien eingegangen, da nach der Weisung der<br />
InnenministerInnen Konferenz vom 23./24.11.2000 64 die Diagnose einer PTSD in<br />
aufenthaltsrechtlichen Verfahren diesen Klassifikationssystemen folgen soll 65 . Die historische<br />
Genese der Posttraumatischen Belastungsstörung wird detailliert dargestellt, da sich in der<br />
Entwicklung dieses Krankheitsbildes seit Beginn ein Spannungsfeld zwischen Anerkennung<br />
von psychischem, häufig menschlich verursachtem Leid durch Opferschaft, aber auch<br />
Täterschaft - insb. von Soldaten und Opfern sexualisierter Gewalt- bestand. Fragen der<br />
rechtlichen Anerkennung von Opfern äußerer belastender Lebensereignisse, wie z.B. von<br />
Unfallopfern, oder im Rahmen von Renten- Entschädigungs- oder Behandlungsansprüchen 66<br />
wurden immer wieder diskutiert. Die Traumaforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />
sehr ausdifferenziert. Es lassen sich viele Bezüge zu unterschiedlichen<br />
Forschungsgegenständen, und -strömen herstellen. Hier werden neben dem Nachvollzug der<br />
historischen Genese des PTSD- Konzepts, die aktuell geltenden psychiatrischen Kriterien der<br />
klinischen Klassifikationssysteme DSM- IV und ICD- 10 als zentrale Bezugsgrößen für die<br />
Diagnostizierung einer ‚Traumatisierung’ vorgestellt. Vor- und Nachteile des psychiatrischen<br />
Diagnosebildes PTSD werden zum Ende dieses Kapitels diskutiert und problematisiert.<br />
3.1. Geschichtliche und gesellschaftliche Einbettung von PTSD. Realität oder<br />
Simulation?<br />
Anhand der Entstehungsgeschichte der Posttraumatischen Belastungsstörung lässt sich<br />
aufzeigen, dass die Entwicklung der Idee eines durch ein extremes Lebensereignis<br />
verursachten psychischen Leidens, das konkretisiert und klassifiziert werden kann, seit<br />
Beginn in Verbindung stand mit der gesellschaftlichen Frage der Verantwortung des<br />
Individuums bzw. mit einer Thematisierung der Leid hervorbringenden Bezüge des<br />
62<br />
Diagnostisches und Statistisches Manual of Mental Disorders herausgegeben von der American Psychiatric<br />
Association.<br />
63<br />
International Statistical Classification of Deseases, Injuries and Causes of Death, herausgegeben von der<br />
Weltgesundheitsorganisation.<br />
64<br />
Vorgestellt und diskutiert im vorangehenden Kapitel Zwei.<br />
65<br />
Die Professionellen der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen äußern immer wieder, dass diese<br />
Diagnosekriterien für ihr Klientel ungenügend seien. Sie beziehen sich aber trotz geäußerter Kritik hauptsächlich<br />
auf PTSD als psychisches Störungsbild nach DSM- IV bzw. ICD- 10. So kann behauptet werden, dass diese<br />
Diagnosekriterien einer PTSD die entscheidende Bezugsgröße für die Begutachtung, aber auch die weitere<br />
Berufspraxis der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen darstellen.<br />
66<br />
Es kann an dieser Stelle aber nicht um eine ausführliche theoretische Auseinandersetzung mit den<br />
unterschiedlichen Forschungsansätzen, wie bspw. der psychoanalytischen Entwicklung eines Traumabegriffs<br />
gehen, da dies den Rahmen einer historischen Einbettung des Diagnosekriteriums PTSD sprengen würde.<br />
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