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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Gutachterin zeiteffektiver. („Weil sie wollte das bis zum nächsten Termin bei der<br />

Ausländerbehörde haben.“) Dies sind alles Vorteile, die nicht das Befinden der begutachteten<br />

Person im Mittelpunkt haben, sondern eine ‚Arbeitserleichterung’ für die Praktikerin<br />

darstellen. Lejla favorisiert auf Nachfrage ein mündliches Berichten dem Aufschreiben ihrer<br />

Biographie, ihrer Erfahrungen während des Krieges, ihrer Flucht und ihrer Lebensumstände in<br />

Berlin und ihres Befindens. („Wenn du schreibst, dann erinnerst du dich ganz genau. Also, du<br />

hast ein Bild vor dir. Und dann, also, das geht so langsam und das ist ja so sehr schwer.<br />

Wenn du mich fragst, dann rede ich etwas. Aber, wenn ich etwas schreibe, habe ich selbst<br />

mehr Zeit, darüber nachzudenken. Über jedes Detail.“). Begutachtung erscheint als<br />

notwendiges Übel auf dem Weg zu einem gesicherten Aufenthalt.<br />

Zeugnis ablegen scheint eine wichtige Funktion während der Begutachtung und Therapie<br />

gewesen zu sein, die Lejla auch positiv bewertet. („Wenn wir schon reden, wir wollten<br />

jemanden haben, der wirklich zuhört.“) Hier benutzt Lejla eine Allgemeinform, das Wir der<br />

BosnierInnen, die im Krieg ‚schreckliche Dinge’ erlebt haben. Lejla weist den Begriff des<br />

‚Flüchtlings’ für sich selbst und auch für andere in ihrer Lage ab, stattdessen benutzt sie den<br />

Begriff „Leute“ („was die Leute reden“, „dass die anderen Leute auch Probleme habe.“).<br />

„Dass ich dann irgendwie losgelassen habe. Meine Geschichte hab ich irgendwie<br />

rausgelassen“ war für Lejla in der im Nachhinein erfolgten Bewertung der Begutachtung<br />

auch positiv.<br />

Lejla thematisiert an einem anderen Ort des Gesprächs die Willkür in den Entscheidungen<br />

der Ausländerbehörde. Sie versteht nicht, wie Entscheidungen für die Erteilung oder<br />

Verlängerung einer Duldung zustande kommen. Sie sind für Lejla undurchsichtig. („Ich<br />

glaube, die lesen auch nicht so viel. Einfach, wenn du Glück hast, kriegst du so eine Duldung<br />

oder so.“) Durch diese Position schränkt Lejla selbst die Macht der Begutachtung und der<br />

Gutachterin ein, welche sie an einem anderen Ort des Gespräches thematisiert.<br />

Die Weisung der Innenministerkonferenz von 2000 147 ist für Lejla berechenbarer, das ist<br />

ein Gesetz, dass ihr Rechte und Sicherheit verschafft. Lejla musste auch ihr Recht nicht<br />

einfordern, wie viele andere BosnierInnen, die unter die Weisung fallen, geschweige denn<br />

Andere, die aus formalen Gründen nicht unter die Weisung fallen. Sie musste keinen Antrag<br />

auf Aufenthaltsbefugnis stellen, keine AnwältIn beauftragen, sich keiner polizeiärztlichen<br />

Untersuchung unterziehen, auch keine Zweitbegutachtung durch eine/n PsychiaterIn bzw.<br />

PsychologIn vornehmen lassen. Auch hat sie keinerlei Probleme gehabt mit irgendeiner<br />

Bestimmung in der Weisung. Lejla hat sich selbst um einen Therapieplatz in einer Gruppe<br />

147 Siehe Kapitel Zwei.<br />

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