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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Eine Sonderregelung impliziert eine Sonderbehandlung von unterschiedlichen Gruppen,<br />

mittels derer selektiert wird. Sichtbar wird dies in den rechtlichen Bestimmungen für<br />

bosnische Flüchtlinge bei fachlich willkürlichen Stichtagsregelungen der Einreise und des<br />

Behandlungsbeginns, wie dem politischen Unwillen, Regelungen für andere Gruppen<br />

‚traumatisierter’ Flüchtlinge zu treffen. Besonders evident ist es für Flüchtlinge die<br />

unabhängig von ihren Erlebnissen und Erkrankungen von dem Beschluss ausgenommen sind,<br />

bspw. Menschen aus dem südserbischen Sandžak, bzw. Menschen mit einer doppelten<br />

bosnisch- hercegovinischen und serbisch- montenegrinischen Staatsbürgerschaft. Für<br />

Flüchtlinge anderer Herkünfte besteht keine rechtliche Grundlage, aufgrund einer<br />

psychiatrischen Erkrankung ein Bleiberecht zu erwirken 199 .<br />

Diese Widersprüche führen zu dem scheinbaren Praxiszwang der Unterstützung einiger<br />

Weniger in aufenthaltsrechtlichen Verfahren, wohingegen Ungerechtigkeiten gegenüber<br />

anderen Flüchtlingen in Kauf genommen werden müssen.<br />

Auch führt die Begutachtungspraxis selbst zu widersprüchlichem berufspraktischem<br />

Handeln. Die Berücksichtigung von Begutachtungen bezieht sich auf die Diagnose einer<br />

PTSD und die rechtlich relevante Frage, ob die angegebene Ursache im Zusammenhang mit<br />

Krieg, Verfolgung und Flucht geschehen ist, da nur dann ein Aufenthalt gewährt werden<br />

kann. Fachlich ist nicht zu beantworten, ob genau das in der gutachterlichen Exploration<br />

angegebene Ereignis eine objektive Ursache für die psychischen Leiden der jeweiligen<br />

Begutachteten darstellt und ob die angegebenen Erlebnisse der Begutachteten einer<br />

historischen Wahrheit entsprechen. Entscheidungstragende drängen zunehmend auf die<br />

Beantwortung dieser Frage im Zusammenhang der Forderung nach Überprüfung der<br />

Glaubhaftigkeit der Aussagen von Flüchtlingen. Aber eine objektive historische Wahrheit ist<br />

an sich schwierig zu bestimmen und zu überprüfen. Mit dem IMK- Beschluss ist eine<br />

Situation entstanden, in der ein äußerer Nachweis von bspw. Lagerhaft und Folter ohne eine<br />

diagnostizierte und behandelte PTSD nicht zu einem Bleiberecht führt. Nun muss beides<br />

möglichst gesichert vorliegen.<br />

Die Praxis der Begutachtung bedeutet eine Teilnahme am System der staatlichen<br />

Reglementierung von Zuwanderung. Auch hat sie den Effekt, Entscheidungen der Behörden<br />

der Diskutierbarkeit zu entheben und sie weniger ungerecht erscheinen zu lassen, da mittels<br />

des Einbezugs klinisch- fachlicher Expertisen gesellschaftlich vermittelt wird, dass ‚wirklich’<br />

199 Allerdings sind rechtliche Regelungen bezüglich ‚traumatisierter’ Flüchtlinge aus dem Kosovo getroffen<br />

worden. Flüchtlinge aus dem Kosovo können als ‚Traumatisierte’eine Aufenthaltsbefugnis erlangen. Jedoch nur<br />

im Einzelfall (vgl. Beschlussniederschrift IMK vom 24./24.11.2000).<br />

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