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Es besteht aber auch heute noch Einigkeit, dass die Diagnose Posttraumatische<br />
Belastungsstörung in der Arbeit mit Flüchtlingen aus unterschiedlichen Regionen der Welt<br />
unzureichend sei. Das Diagnosebild halte einer interkulturellen Überprüfung nicht stand. Es<br />
könne nicht davon ausgegangen werden, dass alle Menschen auf der ganzen Welt universal in<br />
der gleichen Weise auf extrem belastende Lebensereignisse mit ähnlichen Symptomen<br />
reagieren würden oder diese Symptome ähnlich einordneten und bewerteten (vgl. hierzu<br />
Mehari 2001; Peltzer 1995; Bittenbinder 2000b; Koch & Schulze 1998; Becker 1995; Becker<br />
1997; Becker 2000b; Kühner 2003). Auch sei in der Arbeit im interkulturellen Feld die<br />
Bewertung der unterschiedlichen Verhaltensweisen schwierig (vgl. Mehari 2001; Bittenbinder<br />
1999; Peltzer 1995; Koch & Schulze 1998). Wie soll z.B. im interkulturellen Feld bewertet<br />
werden, ob das Schweigen über eine erfahrene sexualisierte Gewalt eine in ihrem<br />
gesellschaftlichen Bezugsrahmen normale und angepasste Verhaltensweise ist 88 , oder ein<br />
Vermeidungsverhalten nach DSM- IV oder ICD- 10 darstellt? Oder was ist, wenn die/ der<br />
PraktikerIn die kulturell entsprechenden Umschreibungen für eine erfahrene sexualisierte<br />
Gewalt nicht lesen kann und das nicht direkte Verbalisieren als Vermeidungsverhalten deutet?<br />
Ähnliches erscheint diskutierbar bei der Annahme von Intrusionen oder Halluzinationen, die<br />
in anderen kulturellen Kontexten ‚normaler’ sind, als in dem Kontext aus dem die<br />
Therapeutin heraus bewertet (vgl. hierzu Littlewood & Lipsedge 1985; Koch & Schulze<br />
1998) 89 .<br />
Aus der Erkenntnis heraus, dass in der Arbeit mit Flüchtlingen ein Konzept nicht passend<br />
erscheint, in dem ein traumatisierendes Ereignis als Ursache für die vielschichtigen<br />
psychischen Leiden der Flüchtlinge angenommen wird, wird von unterschiedlichen<br />
AutorInnen/ PraktikerInnen gefordert, nicht nur der Tatsache gerecht zu werden, dass sich das<br />
Leid des Klientels aus einer Vielzahl von belastenden Erfahrungen zusammensetzt, sondern<br />
dass die extrem belastenden Erfahrungen als ein traumatischer Prozess zu fassen seien.<br />
Dieser Prozessverlauf, nicht ein einziges ursächliches Erlebnis soll im Vordergrund der<br />
Aufmerksamkeit stehen. Nahezu einhelliger Bezug dabei ist das Keilsonische Konzept der<br />
sequentiellen Traumatisierung, welches oben bereits vorgestellt wurde (vgl. AGAH 2004;<br />
Becker 1997; Becker 2001; Becker 2002a; Becker 2002b; Bittenbinder 2000a; Bittenbinder<br />
2000b; Birck 2002a; Hauser & Joachim 2003; Koch & Schulze 1998; Heckl 2003).<br />
88 Zu diskutieren wäre hierzu, ob das nicht auch für die hiesige Gesellschaft zutreffen könnte.<br />
89 Auf dieses Problem wird an unterschiedlicher Stelle durch ein Zurückgreifen auf bikulturell kompetente<br />
DolmetscherInnen als „nicht nur SprachmittlerInnen, sondern ebenso KulturmitterInnen“ (Koch & Schulze 1998,<br />
S. 150) für zumeist deutsche TherapeutInnen, hingewiesen (vgl. Birck 2002a; Koch & Schulze 1998). Diese<br />
Überfrachtung der DolmetscherInnen ist m.E. hierbei nicht unproblematisch.<br />
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