28.05.2013 Aufrufe

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

vollständige Diplomarbeit - Socialnet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

implizit häufig im Raum steht, wird er selten von Seiten der Entscheidungstragenden offen<br />

formuliert. Antizipationen und Schutzargumentationen gegen diesen Vorwurf sind hingegen<br />

um so häufiger: „Wer gutachterliche Stellungnahmen schreibt, muss sich selbst zu einer<br />

gewissen Distanz und Neutralität dem Menschen gegenüber verpflichten, über dessen<br />

Schicksal er schreibt“ (Koch & Winter 2001, S. 13). Ob diese Distanz und Neutralität die<br />

einzig mögliche berufspraktische Handlungsmöglichkeit darstellt, bleibt offen.<br />

Entsteht eine gutachterliche Stellungnahme aus dem therapeutischen Prozess heraus und<br />

wird von den KlientInnen bzw. deren AnwältInnen selbst erbeten, ist die Widersprüchlichkeit<br />

des berufspraktischen Handelns nicht so gravierend, wie im Falle eines<br />

Sachverständigengutachtens, wo ProbandIn und PraktikerIn sich nicht vorher kennen. Im<br />

ersten Falle ist die Möglichkeit eines Negativgutachtens nicht existent, die KlientIn bzw. ihre<br />

rechtlichen StellvertreterInnen können entscheiden, ob sie die von ihnen selbst erfragte<br />

Stellungnahme der PraktikerIn in das Verfahren einbringen oder nicht.<br />

Sachverständigengutachten sind von Gericht in Auftrag gegeben und ein sog.<br />

Negativgutachten ist genauso möglich, wie eine Bestätigung einer verfolgungsbedingten<br />

PTSD. Die Verweigerung einer Behandlung oder einer Diagnose einer verfolgungsbedingten<br />

PTSD hat aber auch im ersten Falle Konsequenzen, angesichts der Wartelisten aufgrund von<br />

Arbeitsüberlastung des in Frage kommenden Personenkreis, der begutachten darf. „Die<br />

Professionalisierungsschraube schließt letztendlich die aus, die man zu befördern gedachte:<br />

Die Flüchtlinge, die nicht mehr in den Kriterienkatalog und somit in den Kreis der<br />

Begünstigten fallen, und die, die aufgrund der Überlastung [...] von den Zentren selbst<br />

selektiert werden“ (Knorr & Weber 2003, S.199). Durch die Einschränkung der Begutachtung<br />

auf eine hoch qualifizierte Gruppe von Personen, erfolgt eine Immunisierung gegen Kritik<br />

von außen. Daneben wird eine bestimmte Gruppe von Professionellen, nämlich<br />

DiplompsychologInnen ohne Therapieausbildung und ohne Approbation, aus einem ihrer<br />

wenigen genuinen Berufsfelder- der Diagnostik- ferngehalten.<br />

Dadurch, dass für den Erfolg einer Therapie das Vertrauensverhältnis zwischen den<br />

Beteiligten unabdingbar ist, kommt es durch die Doppelfunktion der PraktikerInnen zu einer<br />

Verwirrung der Rollen als BehandlerIn und BegutachterIn, die sowohl von Seiten der<br />

PraktikerInnen als auch von Seiten der KlientInnen auf den Prozess der Behandlung<br />

zurückwirken. Häufig lastet ein hoher angenommener oder tatsächlich vorhandener<br />

Erwartungsdruck von Seiten der KlientInnen auf die PraktikerInnen. So kann es auch von<br />

beiden Seiten zu einer Überschätzung der Machtposition und des Einflusses der<br />

Begutachtenden auf den Ausgang des Verfahrens kommen.<br />

92

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!