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Gesprächspartnerinnen gemeinsam aus. Den verwendeten Interviewleitfaden 159 zur<br />
Unterstützung der Befragung liest Munira im Vorfeld des Gesprächs aufmerksam durch. Der<br />
Leitfaden liegt während des Interviews zwischen beiden Gesprächspartnerinnen.<br />
Nach der Flucht nach Berlin 1993 lebte Munira mit ihrer Familie bis 2000 in einem<br />
Wohnheim für Flüchtlinge, lernte schnell Deutsch und besuchte die Realschule. In diesem<br />
Wohnheim lernte sie auch ihren späteren Mann kennen. Munira heiratete 1998. Nach dem<br />
Realschulabschluss begann Munira eine Ausbildung zur Bürokauffrau. In diesem Beruf hat<br />
sie trotz mehrfacher Bemühungen keine Anstellung gefunden. Zunächst konnte sie das auch<br />
gar nicht, da sie bis 2001 eine Duldung und keine Arbeitserlaubnis hatte 160 . Munira<br />
absolvierte während ihrer Ausbildung ein Praktikum in einer Berliner Anwaltskanzlei, deren<br />
Klientel u.a. Flüchtlinge in aufenthaltsrechtlichen Verfahren sind. Aus den genannten<br />
Gründen konnte Munira nicht übernommen werden. Mit der Aufenthaltsbefugnis, die Munira<br />
2001 mit Hilfe einer psychologischen Begutachtung bekam, erhielt sie auch eine<br />
Arbeitserlaubnis. Seither macht sie ab und an die Urlaubsvertretung für eine Bürokauffrau in<br />
der genannten Anwaltskanzlei. Trotz eines deutschen Schulabschlusses und abgeschlossener<br />
Ausbildung findet Munira keine ‚offizielle’ Arbeitsstelle. Aus Angst, ihren Aufenthaltstatus<br />
zu verlieren, nimmt sie auch keine ‚inoffiziellen’ Stellen an. Munira und ihre Familie leben<br />
von der Sozialhilfe 161 und gelegentlichen Jobs. Unbezahlt hilft Munira vielen Flüchtlingen aus<br />
Bosnien und Hercegovina und dem Sandžak, indem sie sie im Ungang mit Behörden berät,<br />
Schriftstücke übersetzt, sowie sie zu Behörden begleitet. Dieses Thema wird von der<br />
Interviewerin im Gespräch weder fokussiert, noch spricht Munira es selbst an.<br />
Munira wohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer vier jährigen Tochter in einem<br />
Wohnhaus für sozial benachteiligte Familien in einem Stadtteil in Ostberlin. Die Wohnung<br />
hat 2 ½ Zimmer. Ihre Schwiegereltern wohnen im selben Block. Ihre Eltern und ihr Bruder<br />
mit seiner Frau und einem zweijährigen Sohn wohnen in der gleichen Straße gegenüber.<br />
Munira ist sehr familienorientiert. Ihre sozialen Kontakte bestehen hauptsächlich aus ihrer<br />
Tochter, dem Ehemann, den Schwiegereltern, Eltern, Bruder und Schwägerin. Sie besuchen<br />
sich gegenseitig und organisieren den Alltag gemeinsam. Das enge Verhältnis zu diesen<br />
Personen ist auch aus dem Gespräch zu lesen, da sie auch ohne Nachfrage immer wieder über<br />
Familienmitglieder spricht. Insbesondere für die Schwiegermutter und Mutter fühlt Munira<br />
sich verantwortlich. Auch wenn das Gespräch darauf fokussiert ist, dass Munira von sich<br />
159 Siehe Anhang Eins.<br />
160 Zu den Implikationen und Auswirkungen einer Duldung, siehe Kapitel Zwei.<br />
161 Heute Arbeitslosengeld 2 nach Harz VI.<br />
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