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Kapitel Neun- Katarina<br />

9.1. Katarina: „Er hat mein Trauma bestätigt“<br />

Katarina Hadžirovic 180 ist 46 Jahre alt. Sie ist 1993 gemeinsam mit ihrem Ehemann<br />

Džemil und ihrem damals zweijährigen Sohn aus Bosnien und Hercegovina nach Berlin<br />

geflüchtet, wo ihr Bruder bereits seit den 70er Jahren als Arbeitsmigrant lebte. Katarina ist<br />

katholischer Konfession und ihr Ehemann ist ‚Moslem’. Im sich heute durchgesetzten<br />

Sprachgebrauch 181 werden BosnierInnen katholischer Konfession ‚KroatInnen’ genannt, so<br />

wie BosnierInnen orthodoxer Konfession ‚SerbInnen’ und BosnierInnen muslimischer<br />

Konfession ‚BosniakInnen’ oder ‚Moslems’. Katarina besteht in der Vorstellung ihrer Person<br />

jedoch auf die Unterscheidung von katholischen BosnierInnen und KroatInnen aus Kroatien<br />

(„ich bin (längere Pause) katholisch, auch aus Bosnien, also von der Religion katholisch.“ ;<br />

„Man sagt immer Kroate, aber ich bin nicht Kroate“). Die Interviewerin bemerkt leider erst<br />

bei der Transkribierung und Analyse des Gespräches, dass sie trotz kritischer Anmerkungen<br />

Katarinas im Gespräch weiterhin das Wort ‚KroatInnen’ verwendet. Katarina widerspricht der<br />

Interviewerin dennoch nicht und lässt sich auf ihre Sprache ein, wenn nicht sie selbst als<br />

‚Kroatin’ angesprochen wird, sondern von anderen die Rede ist. Auffällig ist außerdem, dass<br />

sie diese Differenzierung für ihre eigene Gruppe der ‚katholischen BosnierInnen’ vornimmt,<br />

jedoch nicht für ‚SerbInnen’. ‚SerbInnen’ aus Bosnien und Hercegovina nennt sie ‚SerbInnen’<br />

und nicht etwa ‚orthodoxe BosnierInnen’. Dennoch setzt Katarinas Kritik eine<br />

Gegenpositionierung zu national(istisch)en Fassungen der Ethnien, die viele Andere auch als<br />

Eigenbeschreibung übernommen haben.<br />

Das Ehepaar kommt aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Mostar, wo sie als<br />

„gemischte“ Eheleute von „Katholischen“ vertrieben wurden. Katarina hat ihren zwölf Jahre<br />

älteren Ehemann ‚aus Liebe’ geheiratet, auch wenn beide Familien aufgrund des<br />

Altersunterschiedes, nicht jedoch wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeiten, keineswegs<br />

begeistert waren. Geboren ist Katarina in einer anderen Stadt, in der ihre Herkunftsfamilie<br />

weiterhin lebte 182 . Sie hat im Hotelfachgewerbe gearbeitet. Eine formale Ausbildung hat<br />

Katarina nicht gemacht. Sie hatte aber bis der Krieg einsetzte, eine erfolgreiche berufliche<br />

Laufbahn hinter sich. Katarina stand kurz davor, die Leitung eines Hotels zu übernehmen, als<br />

der Krieg ‚ihr dazwischen kam’. Heute sagt sie, dass eine abgeschlossene Ausbildung, Abitur<br />

oder ein Studium ihr auch nicht weiter geholfen hätten, da sich ihre studierte Freundin in einer<br />

180 Namen, Institutionen und Orte wurden anonymisiert.<br />

181 In der deutschen, sowie der serbisch- bosnisch- kroatischen Sprache.<br />

182 Nach dem Krieg leben sie allerdings nicht mehr dort. Ihre Mutter lebt in Kroatien mit einer Schwester und<br />

einem Bruder. Sie und ihr Bruder leben in Berlin.<br />

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