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einzige Möglichkeit darstellt, einer Abschiebung zu entgehen (vgl. Knorr & Weber 2003). Die<br />
von einer PsychotherapeutIn bzw. ÄrztIn verfasste Attestierung einer Verfolgungs- oder<br />
Kriegs-bedingten Posttraumatischen Belastungsstörung spielt hierbei eine privilegierte Rolle.<br />
Abschiebehindernisse werden unterschieden in inlandsbezogene Abschiebehindernisse<br />
und zielstaatsbezogene Abschiebehindernisse. Inlandsbezogene Abschiebehindernisse stellen<br />
jene Gesundheitsgefahren dar, die nicht erst im Zielstaat der Abschiebung drohen, sondern im<br />
Abschiebevorgang selbst erfolgen. Dies kann bspw. eine Suizidgefahr, akute Erkrankung,<br />
fortgeschrittene Schwangerschaft, Trennung von Familienmitgliedern mit Beistands- und<br />
Betreuungsfunktion sein. Hier bietet eine medizinische Überprüfung der ‚Reisefähigkeit’ oder<br />
auch ‚Transportfähigkeit’ von Flüchtlingen die Möglichkeit einer Absicherung der<br />
Ausländerbehörde bzw. des deutschen Staates vor Klagen 30 . Wird eine Reisefähigkeit<br />
medizinisch- fachlich bejaht, werden Abschiebehindernisse ausgehebelt und die untersuchte<br />
Person wird abgeschoben.<br />
Zielstaatsbezogene Abschiebehindernisse haben die Bedingungen im Zielstaat der<br />
Abschiebung im Blick. Es muss eine körperliche und eingeschränkt auch psychische<br />
Unversehrtheit garantiert werden. Es muss abgesichert sein, dass die abgeschobene Person<br />
nicht schon am Flughafen abgefangen, eingesperrt und gefoltert wird. Aber auch, dass sie<br />
nicht aufgrund mangelnder gesundheitlicher Versorgung einer Gefahr für Leib und Leben<br />
ausgesetzt ist. Bei fehlenden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der<br />
Abschiebung, wenn von einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben bei Nicht- Behandlung<br />
ausgegangen wird (bspw. Suizidgefahr), kann eine Abschiebung ausgesetzt werden und eine<br />
Duldung bzw. Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Dies wird in der Praxis vielfach so<br />
gehandhabt, dass das Auswärtige Amt regelmäßig Berichte über die politische Lage sowie<br />
gesundheitliche Versorgungslage im Zielland der Abschiebung verfasst, auf die sich die<br />
abschiebenden Instanzen beziehen. Diese Berichte entsprechen allzu häufig den Interessen der<br />
Abschiebung und sind je nach Interessenslage der deutschen Regierung formuliert 31 .<br />
30 Diese auf der rechtlichen oder politischen Ebene zu klärende Frage einer Abschiebung wird hier<br />
weiterverlagert auf eine medizinisch- fachliche Feststellung der Reisefähigkeit von Flüchtlingen (Diskussion<br />
dazu siehe Mesovic 2004). Dieses war und ist eine in der Ärzteschaft viel diskutierte Frage, die in einer<br />
Erklärung der Ärztekammer mündete, die eine Feststellung der Reisefähigkeit ablehnte. „Die Beschränkung<br />
einer Begutachtung auf bloße ‚Reisefähigkeit’ [ist, K.R.] eindeutig abzulehnen, da sie nicht mit den ethischen<br />
Grundsätzen ärztlichen Handelns vereinbar ist.“ (Beschlussprotokoll des 107. Deutschen Ärztetages vom 18.-<br />
21. Mai 2004 in Bremen, S. 1). Es wird darauf hingewiesen, dass die Innenministerkonferenz im Jahr 2002<br />
versucht habe „die Ärzteschaft im Sinne bedarfsgerechter Erstellung von Flugtauglichkeitsbegutachtungen zu<br />
instrumentalisieren“ (ebd.).<br />
31 So ist heute bekannt, dass die Berichte des Auswärtigen Amtes zur politischen Lage und Versorgungslage im<br />
Kosovo direkt vor der Bombardierung Jugoslawiens durch die Nato so formuliert waren, dass Flüchtlinge aus<br />
dem Kosovo keinen Aufenthalt erhalten konnten, da die politische Lage stabil sei. Auch heute ist der<br />
Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die politische und gesundheitliche Versorgung im Kosovo geschönt<br />
dargestellt. Es gebe genügend Kapazitäten für Kranke, auch für psychisch Kranke und ‚Traumatisierte’. Dies<br />
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