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vollständige Diplomarbeit - Socialnet

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Zerstörung gehe, „sondern vielmehr um einen zerstörerischen Kontext, das KZ“ (ebd.). In<br />

Anlehnung an Bettelheim definiert Becker Extremtraumatisierung genereller als einen<br />

„Prozess im Leben der Subjekte einer Gesellschaft, der definiert wird durch seine<br />

Intensität, durch die Unfähigkeit der Subjekte und der Gesellschaft, adäquat darauf<br />

zu antworten und durch die Erschütterung und die dauerhaften pathogenen<br />

Wirkungen, die er in der psychischen und sozialen Organisation hervorruft.<br />

Extremtraumatisierung kennzeichnet sich durch eine Art, die Macht in einer<br />

Gesellschaft auszuüben, bei der die sozialpolitische Struktur sich auf der Zerstörung<br />

und Auslöschung einiger Mitglieder dieser Gesellschaft durch andere Mitglieder<br />

derselben Gesellschaft gründet“ (Becker 1997a, S, 37).<br />

Diese Definition stellt den Versuch dar, die eher individuellen Aspekte der<br />

traumatisierenden Prozesse einzubeziehen und gesellschaftlich zu werten. Zur selben Zeit<br />

sollen die sozialen Beziehungen und der politische Rahmen dieser Leiden einbezogen werden.<br />

Das Konzept der Extremtraumatisierung vereine so Gesellschaftlichkeit und individuelles<br />

Leiden. Einerseits impliziere das Wort, dass ein Trauma stattgefunden habe, der Zusatz<br />

‚extrem’ verweise auf den spezifischen gesellschaftlichen Kontext der extremen<br />

traumatisierenden Bedingungen in einem Konzentrationslager. Jedoch, wie Becker selbst<br />

kritisch anmerkt, überwindet auch das Konzept der Extremtraumatisierung nicht die<br />

Dichotomie zwischen Individuum und Gesellschaft (vgl. ebd.).<br />

„Obwohl auch diese Definition die falsche Dichotomie von Individuum versus<br />

Gesellschaft konzeptionell nicht zu überwinden vermag, versucht sie dennoch<br />

nachzuweisen, dass im Falle der Extremtraumatisierung der gesellschaftliche Prozess<br />

die Pathologie bestimmt: nicht nur als auslösender Faktor, sondern als dauerhaftes<br />

Element eben dieser Pathologie“ (ebd. S.37).<br />

Eine psychotherapeutische Behandlung von ‚Extremtraumatisierten’ versteht Becker als<br />

einen ersten Schritt der „Resozialisierung (im wörtlichen Sinne) des erlittenen Leidens“<br />

(Becker 1995, S. 99). Es soll scheinbar privates Leiden in öffentliches Leid übersetzt werden.<br />

„Obwohl die Betroffenen deshalb nicht weniger leiden müssten, sollten sie dann doch in der<br />

Lage sein, sich nicht länger als individuell verrückt zu begreifen.“ (ebd. S. 111). Eine rein<br />

therapeutische ‚Behandlung’ von Trauma sei in der Arbeit mit Menschen, die politisch<br />

motivierte Gewalt, Folter oder Vertreibung und Flucht erleben mussten, selten angemessen.<br />

„Wenn das, was krank ist, nicht nur individuell, sondern immer auch<br />

gesamtgesellschaftliche Realität ist, dann kann auch Gesundung nur im Kollektiv<br />

stattfinden. Anders ausgedrückt, aus individuellem Leid muss kollektives Leid<br />

werden, und vielleicht folgt dann irgendwann einmal kollektive Gesundung“ (ebd. S.<br />

99).<br />

Dies kann in Form der Unterstützung und Begleitung der Rehabilitation der Opfer durch<br />

Öffentlichmachung von Menschenrechtsverletzungen und Täterschaft stattfinden (vgl. Becker<br />

2001; Kühner 2003) oder auch durch die Bereitstellung von materiellen und geistigen<br />

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