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machen, warum sie Asyl beantragen, ob sie politischer Verfolgung ausgesetzt waren, was sie<br />

konkret erlebt haben und was sie befürchten, wenn sie abgeschoben werden oder rückkehren<br />

müssen. Es wurde Kritik geübt an der Art der Befragung von Flüchtlingen in Asylanhörungen<br />

(vgl. Bittenbinder 2000a; Koch 2001; Koch & Winter 2001; Weber 1998). Genauso wurden<br />

restriktive Entscheidungen mit fachlich fragwürdigen Begründungen von- in ihren<br />

Entscheidungen weitestgehend unabhängigen- VerwaltungsrichterInnen getroffen (vgl. Marx<br />

et. al. 2004). Auf die umstrittene Praxis der Zweituntersuchungen durch den Polizeiärztlichen<br />

Dienst (PÄD) an bosnischen Flüchtlingen wurde schon in Kapitel Zwei hingewiesen.<br />

Argumentiert wurde von PraktikerInnen der psychosozialen Arbeit mit Flüchtlingen, dass<br />

keine Gesprächssituation so sehr geeignet sei, Vertrauen zu den Betroffenen zu schaffen, wie<br />

eine prozessbegleitende Befragung „im Verlauf der psychotherapeutischen Behandlung“<br />

(Koch 2001, S. 9). Dieses therapeutische Vertrauensverhältnis sei prädestiniert, um<br />

„Missverständnisse auszuräumen, verdrängte, belastende Erfahrungen wiederzubeleben,<br />

Erinnerungslücken deutlich zu machen und wieder zu füllen“ (Koch & Winter 2001, S. 13).<br />

So hatten diese Begutachtungen auch eine Hilfsfunktion der Exploration von<br />

aufenthaltsrechtlich relevanten Erlebnissen, da sie neben der klinischen Darstellung von<br />

Symptomen sowie einer klinischen Diagnoseerstellung auch die Verfolgungsgeschichten der<br />

Begutachteten dokumentierten. Es wurde von den PraktikerInnen angeführt, dass „der<br />

therapeutische Prozess gerade für extrem traumatisierte Menschen oft zur einzigen Chance<br />

[würde, K.R.], überlebenswichtige Selbstschutzstrategien kontrolliert zu lockern und tiefe<br />

seelische Verletzungen zur Sprache zu bringen“ (Koch 2001, S. 9). Sie versuchten zu<br />

verhindern, dass EinzelentscheiderInnen des BAFl/ BAMF 94 , einzelne<br />

VerwaltungsrichterInnen oder forensische PsychologInnen die „Diagnostik von<br />

Traumaschäden“ (Koch 2001, S. 9) übernähmen. Dieses gehöre „in die Hand von Fachleuten<br />

[...], die auch die entsprechende Sachkenntnis und Erfahrung nachweisen können“ (Koch<br />

2001, S. 9) 95 .<br />

Bemerkenswert sind die Ergebnisse dieser Studie, da sie vom BAFl/ BAMF in Auftrag gegeben wurde, um dem<br />

Einbringen von klinischen Begutachtungen in aufenthaltsrechtliche Verfahren entgegenzutreten.<br />

94 Seit 1980 werden im BAFl/ BAMF„Entscheidungen über Asylanträge [...] von einzelnen Bediensteten, den<br />

‚EinzelentscheiderInnen getroffen“ (Weber 1998, S. 62). EinzelentscheiderInnen urteilen „im Rahmen der<br />

gesetzlichen Bestimmungen unabhängig wie RichterInnen“ (Weber 1998, S. 63). Erlernt haben sie ganz<br />

unterschiedliche Berufe, wie „Verwaltungs-, Post-, Polizei- oder VollzugsbeamtInnen, Zeitsoldaten oder<br />

pädagogische Lehrkräfte“ (Weber 1998, S. 65).<br />

95 Auch der DSM- IV unterstützt das Eingreifen von KlinikerInnen in die Prüfung des Vorliegens einer PTSD.<br />

„Personen, die erst kürzlich aus Gebieten mit bedeutenden sozialen Unruhen und Konflikten emigriert sind,<br />

zeigen höhere Raten von Posttraumatischer Belastungsstörung. Bei diesen Personen kann es vorkommen, dass<br />

sie sich auch aufgrund ihres politisch besonders gefährdeten Immigrantenstatus besonders damit zurückhalten,<br />

über ihre Erlebnisse mit Folter und Trauma zu berichten. Diese Menschen benötigen eine besondere<br />

Untersuchungsweise der traumatischen Erlebnisse und der damit einhergehenden Symptome“ (DSM- IV 1996,<br />

S. 489). Im ICD- 10 existiert keine vergleichbare Passage.<br />

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